Klaus W. Waldschmidt ist Rechtsanwalt, sitzt seit 16 Jahren im Stadtrat und ist Fraktionsvorsitzender der SPD. Im Vorfeld der Entscheidung über den Etat 2011, die am Dienstag im Rat ansteht, erläutert der 53-Jährige das Nein der Sozialdemokraten – und geht auf die wichtigsten aktuellen Konfliktfelder ein, die Bergisch Gladbach derzeit umtreiben.

Klaus W. Waldschmidt

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Vordergründig geht es um die Finanzen – doch damit auch um die Zukunft der Schulen, um die Jugendarbeit, die Büchereien, die Villa Zanders und den Bergischen Löwen sowie um viele andere Sachthemen. Das Interview ist lang, aber es lohnt sich, die Gegenposition der SPD zu den Vorstellungen von Bürgermeister Lutz Urbach und der Ratsmehrheit von CDU und FDP in der Gesamtschau zu lesen.

Eilige Leser können sich ja an das Inhaltsverzeichnis rechts halten. Weitere Materialien und Erklärungen finden sich hinter den blau unterlegten Textstellen sowie im Stadtlexikon.

Die drei größten Probleme der Stadt

Herr Waldschmidt, die Debatte über den Sparkurs der Stadt hat sich so tief in Details verstrickt, dass man den Blick für das Große und Ganze verliert. Daher: Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die drei größten akuten Probleme von Bergisch Gladbach?

Waldschmidt: Erstens natürlich die finanzielle Situation, die überlagert alles. Dann die Stadtentwicklung, die Regionale 2010 und die Frage, wie sich die Stadt in den nächsten 20 Jahren entwickelt. Und drittens ein ganz großes Problem, die Schulgebäude: Wir haben drei Schulen, die dringend eine Generalsanierung brauchen.

Gibt es bei diesen großen Fragen einen Grundkonsens der Parteien im Rat – oder droht uns früher oder später die Handlungsunfähigkeit?

Waldschmidt: Beim Thema Schulen gibt es diese Gefahr durchaus, da werden mittelfristig Schließungen drohen. Da sehe ich bei denjenigen, die derzeit die Gestaltungsmehrheit haben, keinerlei Konzept. In der mittelfristigen Finanzplanung bis 2014 gibt es für diese drei Schulen keinen einzigen Cent in der Investitionsplanung. Aber wenn wir erst 2015 mit der Planung der Sanierung anfangen, dann ist es zu spät. Dann kommt es ganz zwangsweise zu Teilschließungen, dann kommen wieder die Container.

Wo Sparpotenziale liegen: Bauhof, SVG, …

Die CDU hat zuletzt im Haupt- und Finanzausschuss Änderungen durchgesetzt, die Forderungen der SPD entgegenkommen: die Sportförderung wird nur halbiert, die Bücherei Paffrath bleibt, die Stadtverkehrsgesellschaft wird abgeschafft, externe Gutachten der Stadtplanung werden um zehn Prozent gekürzt? Warum hat die SPD dennoch dagegen gestimmt?

Waldschmidt: Weil die Probleme nicht grundsätzlich angegangen werden. Wir müssten erst einmal alles auf den Prüfstand stellen, bevor Dinge gestrichen werden. Die SPD hatte dazu eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht.

Zum Beispiel?

„Die Stadtverkehrsgesellschaft ist so überflüssig wie ein Kropf.“

Waldschmidt: … die Bauhöfe: Bergisch Gladbach leistet sich davon zwei in durchaus lukrativer Gewerbelage, mit eigener Tankstelle und hauptberuflichem Tankwart. Da liegt es doch auf der Hand: an solche Sachen muss man mal ran. Oder die Stadtverkehrsgesellschaft, die ist so überflüssig wie ein Kropf, die ist völlig ohne Aufgaben. Ich sitze selbst im Aufsichtsrat – da treffen wir uns zweimal im Jahr und beschließen einen Wirtschaftsplan, das war´s. Aber dafür gibt es einen Geschäftsführer, Wirtschaftsprüfer werden beschäftigt – was fast 40.000 Euro kostet.

Aber die Schließung der Stadtverkehrsgesellschaft hat der Haupt- und Finanzausschuss ja gerade auf Antrag der CDU beschlossen …

Waldschmidt: Na ja, der Ausschuss hat einen Prüfauftrag beschlossen. Das ist aber bereits der dritte oder vierte Prüfauftrag in Folge – und es passiert nichts. Da stecken eben auch persönliche Interessen dahinter. Das ist eine Spielwiese des Geschäftsführers

Ein anderes Beispiel, die Sportförderung? Auch hier hat die CDU den Plan des Bürgermeisters abgemildert, wenigstens 2011 sollen die Vereine noch die Hälfte der Förderung von bislang 110.000 Euro bekommen  und erst 2012 auf Null gesetzt werden.

Waldschmidt: Stimmt, das ist durchaus begrüßenswert, weil es die harten Einschnitte etwas abfedert.

Und die Stadtteilbücherei Paffrath, die nun doch nicht geschlossen wird?

Waldschmidt: Das ist nun wirklich reine Augenwischerei. Zwar bleibt eine einzige Stelle für einen hauptamtlichen Bibliothekar erhalten, aber die wird mit einem „Kann wegfallen”-Vermerk versehen. Wenn der geht, gibt es dort keinen Beschäftigten mehr. Und anders als die Schulbibliotheken kann die öffentliche Bücherei in Paffrath nicht mit ehrenamtlichen Kräften allein geführt werden.

Alle wichtigen Informationen zum Haushalt 2011:
Die Stunde der Wahrheit: Der Etat 2011 und alle Konfliktfelder .
Lutz Urbach und das Sparen - das große Bürgerinterview
Etatrede von Bürgermeister Lutz Urbach
Etatrede von Stadtkämmerer Jürgen Mumdey
Der gesamte Haushalt 2011 als pdf
Ratssitzung 14.12, 17 Uhr, Rathaus Bensberg Tagesordnung und Dokumente

Doppelhaushalt hätte Spielraum verschafft

Sie sagen, es sei noch längst nicht alles auf den Prüfstand gestellt worden. Bürgermeister Lutz Urbach hingegen berichtet, wie er und seine Verwaltung jeden einzelnen Posten geprüft haben und schließlich gerade noch vertretbare „Liste der Grausamkeiten“ herausgekommen ist …

Waldschmidt: Genau das ist eben nicht geschehen. Im Haushaltssicherungskonzept, das ja als Teil des Haushaltes 2011 verabschiedet wird, sind sehr viele Positionen enthalten, die überhaupt noch nicht geprüft worden sind. Die sind nur mit einem „Erinnerungsposten“ von einem Euro aufgeführt worden, weil hier die Einsparmöglichkeiten noch untersucht werden müssen.

Wie hätte der Prozess nach Ihrer Ansicht stattdessen laufen müssen?

Waldschmidt: Wir hatten sehr früh vorgeschlagen, einen Doppelhaushalt für 2011/2012 einzubringen und diese Fragen alle im Vorfeld zu klären. Im Moment haben wir doch gar nicht die Datengrundlage für solche weitreichenden Entscheidungen.

NRW verändert die Regeln des Nothaushaltes

Zudem gibt es aktuell Überlegungen, die Regeln für den Nothaushalt zu ändern …

Waldschmidt: Das ist ein sehr wichtiger Aspekt: Anfang 2011 wird der Paragraph 76 der Gemeindeordnung gestrichen werden. Das ist der Passus, der vorschreibt, dass Kommunen im Nothaushalt jedes Jahr zehn Prozent ihrer Freiwilligen Leistungen kürzen müssen. Die neue Regierungspräsidentin Gisela Walsken hat nun angekündigt, dass sie von dieser unsinnigen Regelung wegkommen möchte. Daraus ergeben sich für uns Chancen  für neue Verhandlungen mit der Aufsichtsbehörde. Nur – wenn wir den Haushalt 2011 am Dienstag verabschieden, dann vertun wir diese Chancen leichtfertig. Und im Übrigen: auch die Industrie- und Handelskammer und die kommunalen Spitzenverbände haben empfohlen, die Haushalte erst im nächsten Jahr zu verabschieden.

Ginge das überhaupt, ohne eine Haushalt ins neue Haushaltsjahr zu starten?

Waldschmidt: Das wäre ziemlich unproblematisch. Unser Haushalt ist ohnehin auf jeden Fall nicht genehmigungsfähig, daher ja der Nothaushalt.

Der Bürgermeister argumentiert dagegen, alle Bürger und vor allem die von den Sparmaßnahmen Betroffenen bräuchten jetzt schnellstmöglich Klarheit – damit sie sich darauf einstellen und entsprechend planen können  …

Waldschmidt: Dann hätten wir von vorneherein mit einem Doppelhaushalt planen sollen. Dann wäre es durchaus möglich gewesen, erst Ende Februar den Haushalt zu verabschieden –  und wir hätten noch die Möglichkeit, alle Posten genau zu untersuchen.

Bürgermeister hat seine eigenen Präferenzen

Bezweifeln Sie, dass der Bürgermeister und die Verwaltung alle Punkte ernsthaft prüfen? Steht dahinter womöglich eine andere politische Absicht?

„Der Bürgermeister stellt Leute von außen gerade für Führungspositionen ein, die ein CDU-Parteibuch haben – obwohl es in der Verwaltung kompetente Leute gäbe.“

Waldschmidt: Es gibt einfach gewisse Punkte, wo der Bürgermeister andere Präferenzen hat. Ich kann es mir einfach nicht anders vorstellen, es gibt Sachen, da liegt es ja auf der Hand.

Was konkret meinen Sie damit?

Waldschmidt: Schauen Sie sich doch den Personalbereich an. Wir haben schon 2009 einen Personaldecklungsbeschluss gefasst. Im Haushaltssicherungskonzept steht jetzt ein Abbau von 31 Stellen (auch wenn sich das durch den Bibliotheksbeschluss jetzt noch etwas abmildert). Aber gleichzeitig stellt der Bürgermeister Leute von außen gerade für Führungspositionen ein, die ein CDU-Parteibuch haben – obwohl  es in der Verwaltung für diese Aufgaben kompetente Leute gäbe. Da wird dann auf einmal der Personaldecklungsbeschluss außen vor gelassen.

Aber gleichzeitig arbeitet Lutz Urbach mit jemandem wie Stadtkämmerer Jürgen Mumdey weiter, der SPD-Mitglied und gerade jetzt bei den Haushaltsentscheidungen eine wichtige Rolle spielt …

Waldschmidt: Ja. Aber nur, weil Mumdey bis 2014 gewählt ist und nur mit einer Zweidrittelmehrheit abzuwählen wäre. Aber ich gehe davon aus, wenn er die Möglichkeit hätte, würde Urbach auch dies mit einem CDU- oder FDP-Mann besetzen.

Steuererhöhungen nicht ausgewogen

Beim Haushalt geht es nicht nur um Kürzungen, sondern auch um Einnahmeerhöhungen zu Lasten der Bürger. Die Gewerbe-, Grund-, Vergnügungsteuer steigt, für Zweit- und Dritthunde werden hohe Abgaben verlangt. Das hört sich fast sozialdemokratisch an, oder?

Waldschmidt: Nicht wirklich. Wir sind durchaus bereit, auch unpopuläre Maßnahmen mitzutragen. Aber vorher muss wirklich alles auf den Tisch. Wir müssen zunächst klären, welche Ausgaben wir sozialverträglich einsparen können. Erst im zweiten Schritt sollten wir überlegen, welche Einnahmen wir erhöhen müssen.

Aber zurück zu den Steuererhöhungen …

Waldschmidt: … die ich überhaupt nicht sozialdemokratisch nennen würde. Schauen Sie sich die Grundsteuer B an. Die Erhöhungen werden die Mieter voll über die Nebenkosten tragen müssen. Das ist so in jedem Mustermietvertrag vorgesehen.

Sie nennen den Etatvorwurf insgesamt sozial unausgewogen. Was heißt das konkret?

Waldschmidt: Das zeigen die Zahlen doch deutlich. Die Grundsteuer B, die wie gesagt vor allem von den Mietern gezahlt wird, steigt um fast acht Prozent – was schätzungsweise 1,3 Millionen Euro zusätzlich einbringt. Die Gewerbesteuer dagegen nur um ein Prozent. Damit werden etwa 250.000 Euro zusätzlich eingenommen. Das steht doch in keinem Verhältnis. Wenn man die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer beide um vier Prozent angeben würde, wäre das ganz anders gewichtet.

Würde eine höhere Gewerbesteuer nicht noch mehr Unternehmer und Arbeitsplätze aus Bergisch Gladbach vertreiben?

Waldschmidt: Urbach hat doch selbst erzählt, dass er vor der Bekanntgabe der Pläne mit den großen Gewerbesteuerzahlern telefoniert habe – und die allesamt einverstanden waren. Wenn das so ist, dann kann man ja wohl davon ausgehen, dass die Unternehmer ohne Probleme damit leben können. Aber hat der Bürgermeister auch die Hausbesitzer und Mieter gefragt, ob sie eine Erhöhung um acht Prozent in ihrer persönlichen Lebensführung einschränkt?

Das heißt, eine Erhöhung der Gewerbesteuer im gleichen Umfang wie die Grundsteuer wäre für die Wirtschaft verkraftbar?

Waldschmidt: Das müsste man abwägen. Derzeit wissen wir ja nicht einmal, ob Steuererhöhungen überhaupt nötig sind. Da ist noch viel Luft drin.

Das sagen die anderen Parteien (insgesamt hat der Stadtrat 62 Sitze)
CDU-Fraktion (25 Stimmen)
FDP-Fraktion (6 Stimmen)
Fraktion der Grünen (8 Stimmen)
Fraktion der Kiditiative (2 Stimmen)
SPD-Fraktion (16 Stimmen)
Fraktion Die Linke/BfBB (3 Stimmen)
Fraktion der Freien Wähler (2 Stimmen)

36 Mio. € Bäderfonds müssen genutzt werden

Wo soll denn dann das Geld herkommen, das nötig ist, um die städtischen Finanzen wieder ins Gleis zu bringen? Kann oder sollte man komplett auf Steuererhöhungen verzichten?

Waldschmidt: Wir haben zum Beispiel die Bäderfonds, in denen rund 36 Millionen Euro geparkt sind. Wir hatten bereits beim letzten Haushalt gefordert, sich Gedanken zu machen, wie man diese Mittel zur Konsolidierung einzusetzen kann. Die Idee wurde noch nicht einmal abgeschmettert – sie wird nur nicht weiter verfolgt.

Oder denken Sie an die Schullandschaft, die sich womöglich anpassen muss. Da werden wir bald den neuen Schulentwicklungsplan bekommen. Auch da ist noch genügend Luft drin, nur muss das alles untersucht werden, da müssen ja mal die Zahlen auf den Tisch kommen. Die liegen aber nicht auf dem Tisch.

Warum nicht? Kommt die Verwaltung mit all diesen Prüfaufträgen einfach nicht nach – oder steckt dahinter auch politischer (Un-)Wille?

Waldschmidt: Was in der Verwaltung passiert, dazu kann ich mich nicht äußern. Aber ich gehe schon davon aus, dass politisches Kalkül dahinter steckt.

Stadtrat werden Informationen vorenthalten

Können Sie das etwas konkretisieren?

Waldschmidt: Na, zum Beispiel die Debatte über die Schulverlagerung, etwa des Nicolaus Cusanus Gymnasiums (NCG) in das Schulzentrum am Ahornweg. Als dazu erste Berichte und Gerüchte auftauchten, wurden alle Überlegungen gestoppt. Solche Fragen werden einfach nicht transparent diskutiert. Ein ganz krasses Beispiel ist die Informationspolitik bei der Regionale 2010. Da werden ganz klar vom Bürgermeister und vom Stadtbaurat Informationen vorenthalten.

Sie meinen die Tatsache, dass die Verwaltung an der Planung mit einer Förderquote von 90 Prozent für die Projekte der Regionale festhält?

Waldschmidt: Es ist doch äußerst unwahrscheinlich, dass wir auch im nächsten Jahr eine Förderung von 90 Prozent vom Land bekommen. Wir haben immer nach einem Plan B gefragt, für den Fall, dass die Stadt selbst mehr Kosten tragen muss. Und diesen Plan B gibt es auch – sie wollen ihn nur nicht rausrücken.

Plan B: Schulen müssen für Regionale bluten

Wie könnte der Plan B aussehen?

Waldschmidt: Es kann doch nur so sein: Die Sanierung der Schulen wird noch einmal zurückgestellt, um die Eigenmittel für die Rettung der Regionale aufbringen zu können. Kürzungen von anderen Investitionen sind doch gar nicht möglich.

Noch einmal zu den Schulen. Der Bürgermeister hat doch einen klaren Plan aufgestellt, wie die knappen Mittel so eingesetzt werden, dass die dringendsten Sanierungen in den nächsten Jahren Schritt für Schritt angegangen werden …

Waldschmidt: Aber genau das spiegelt sich in der mittelfristigen Finanzplanung nicht wieder. Für keine der drei Schulen, weder für die Wilhelm-Wagner-Schule (WWS) noch für das NCG noch für das Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG) ist in den nächsten drei Jahren ein einziger Cent im Investitionsplan vorgesehen. Dabei hat das NCG hat einen Sanierungsstau von 12 Millionen Euro, OHG 16 Millionen, und die WWS etwa 4,5 Millionen.

Wie kommt dieser Widerspruch zu den Aussagen von Lutz Urbach zustande?

Waldschmidt: Das haben wir den Stadtbaurat auch gefragt. Seine Antwort: „An dieser Stelle haben wir die Enden noch nicht zusammen bekommen.“

Zurück zu den Schulen. Wie schlimm sieht es dort wirklich aus?

Waldschmidt: Ich habe sie im letzten Jahr mit dem Vorsitzenden des Schulausschusses besichtigt – und in allen drei Schulen, im NCG, im OHG und in der WWS, haben uns die Leiter gesagt, dass die Unterrichtssituation bereits jetzt kritisch sei. Besonders bei der Aula des NCG, aber auch im OHG gibt es echte Brandschutzprobleme, einige Gebäudeteile sind völlig marode. Ganz besonders krass ist die Toilettenanlage im OHG, absolut unzumutbar. Und die Energie fliegt bei diesen Gebäuden zum Fenster heraus.

Neuordnung Schullandschaft auf der Agenda

Könnte da die Zusammenlegung sinnvoll sein? Einige Schulen brechen fast zusammen, die Schülerzahlen sinken in den nächsten Jahren, gleichzeitig werden modernere Schulzentren wie der Ahornweg nicht voll genutzt, …

Waldschmidt: Dafür sorgt schon die Macht des Faktischen. Je mehr Zeit ins Land geht bei diesen drei Problem-Schulen, desto schwieriger wird es, sie überhaupt noch zu sanieren – selbst mit den Mitteln des Bäderfonds. Irgendwann werden wir wieder gezwungen sein, Pavillons aufzustellen oder Schulen zu verlegen.

Ihr Vorschlag lautet nun, bereits jetzt die Millionen aus dem Bäderfonds für die Schulsanierung einzusetzen. Wie könnte das genau  funktionieren?

Waldschmidt: Das ist erstmal nur eine Idee, die aber untersucht werden müsste. Auch CDU und Verwaltung haben das als erwägenswerten Vorschlag begrüßt – aber es wird eben nicht ernsthaft geprüft. Unser Vorschlag wäre es, dass die Bädergesellschaft die am stärksten betroffenen Schulen übernimmt, sie an die Stadt vermietet und aus eigenen Mitteln saniert. Dadurch würden zwar die Fondsmittel geschwächt – aber dem stünde ein großer Wertzuwachs bei den Schulen gegenüber.

Gibt es denn für ein solches Modell woanders Vorbilder?

Waldschmidt: Nicht, das es mir bekannt wäre. Aber andererseits:

„Wir befinden uns tief im Nothaushalt und haben gleichzeitig 36 Mill. Euro auf dem Sparbuch – das ist ja wohl auch einmalig.“

Ein Argument gegen diesen Plan ist, dass der Bäderfonds die Mittel benötigt, um den Betrieb der Schwimmbäder dauerhaft zu sichern. Ginge beides: Bäder finanzieren und Schulen sanieren?

Waldschmidt: Genau das hätten wir ja gerne geprüft. Wie könnte eine Umsetzung aussehen? Aber darauf warten wir schon sehr lange.

Ein weiteres Argument lautet, die Millionen des Bäderfonds seien das Tafelsilber der Stadt, dass man nicht leichtfertig verspielen dürfte, sondern für echte Notsituationen erhalten müsse …

Waldschmidt: Also, wenn tatsächlich noch schlimmere Zeiten kämen, dann könnten wir ohnehin nicht mehr über das Geld verfügen, das würde uns die Kommunalaufsicht schon auferlegen. Jetzt haben wir noch Gestaltungsspielraum – aber der wird leichtfertig verspielt.

BüZe Schildgen: Überfallartiges Verfahren

Im Zusammenhang mit der Sparpolitik sind weitere Konflikte aufgebrochen. Wie beurteilt die SPD zum Beispiel den beschlossenen Verkauf des Bürgerzentrums Schildgen an die Schützen? Das hat vor Ort ja zu einem bitteren Streit geführt, …

Waldschmidt: Unsere Kritik gilt dem Verfahren, das ist überfallartig durchgezogen worden. Am Anfang gab es einige Fehlinformationen, zudem hätte man besser kommunizieren können. Wir wollten den Beschluss verschieben, um noch einmal mit allen Beteiligten zu reden. Aber das hat Urbach abgewiesen. Er wollte es schnell über die Bühne bringen, weil der Sorge hatte, dass sich das noch weiter aufschaukelt … Aber in der Sache hatten wir grundsätzlich keine größere Bedenken.

Jugendzentren: Tragbarer Kompromiss

Ein weiterer großer Konflikt war um die offenen Jugendarbeit entbrannt. Auch hier hatten sich die Träger der Jugendzentren zunächst überfahren gefühlt – am Schluss haben sie sich mit der Verwaltung auf einen Konsens geeinigt, wonach alle großen Jugendzentren erhalten bleiben, aber Außenstellen am Bockenberg und im Hermann-Löns-Viertel geschlossen werden. Wie steht die SPD zu dem Ergebnis?

Waldschmidt: Auch hier haben wir das Konzept grundsätzlich mitgetragen. Allerdings, und dabei bleiben wir, halten wir Einsparungen (und noch dazu in Höhe von 150.000 Euro) in diesem Bereich grundsätzlich für völlig verkehrt. Und gerade am Bockenberg und im Herman-Löns-Weg gibt es die größten Probleme.

Villa Zanders + Bergischer Löwe bedroht

Die Villa Zanders ist ebenfalls von den Sparplänen betroffen. Die geplante Übertragung auf den Verein Schloss und Galerie scheint gescheitert. Brauchen wir überhaupt Hochkultur dieser Art überhaupt? Können wir sie uns unter den gegebenen Umständen leisten?

Waldschmidt: Dazu gibt es auch in der SPD unterschiedliche Meinungen, zwischen den Kultur- und den Schulpolitikern. Auch hier gilt: erst müssen wir einen echten Kassensturz machen, dann können wir beantworten, was wir uns leisten können. Aber wenn wir mit der Rasenmähermethode weitermachen, so wie jetzt jedes Jahr zehn Prozent weniger, dann geht bald gar nichts mehr. Das betrifft auch den Bergischen Löwen: Die Theaterzuschüsse werden gekürzt, das Programm wird immer schlechter und irgendwann kommt gar keiner mehr. Dann steht irgendwann auch der Löwe insgesamt in Frage.

Etat kann unsere Zustimmung nicht finden

Wie wird die SPD nun am Dienstag mi dem Etat umgehen?

„Unter all diesen Voraussetzung kann dieser Haushalt nicht unsere Zustimmung finden.“

Waldschmidt: Wir werden ihn ablehnen. Weil es erstens für eine Verabschiedung keine Grundlage gibt, gerade beim Haushaltssicherungskonzept fehlen viele Informationen. Und zweitens sollten wir die Chancen ergreifen, die die Reform des Paragraphen 76 der Gemeindeordnung bietet. Denn das würde uns die Möglichkeit geben, an anderer Stelle zu sparen als bei den freiwilligen Leistungen. Denn das darf man nicht vergessen: diese freiwilligen Leistungen machen gerade mal drei Prozent des gesamten Haushaltes aus und sind ziemlich willkürlich von den Pflichtausgaben abgegrenzt worden – zum Beispiel die Sportförderung ist da voll mit drin. Also sollten wir uns die Zeit nehmen zu warten, bis Land und Landrat die Rahmenbedingungen festgelegt haben.

Unter all diesen Voraussetzungen kann dieser Haushalt nicht unsere Zustimmung finden.

Herr Waldschmidt, wir danken für das Gespräch.

Weitere Informationen

Jetzt sind Sie dran

Was ist Ihre Meinung? Hat die SPD Recht mit ihrer Kritik am Inhalt und Verfahren beim Haushalt 2011? Oder befinden sich Bürgermeister Lutz Urbach auf dem richtigen Kurs, um die Stadtfinanzen zu sanieren?

Debattieren Sie mit, im Kommentarfeld unten oder per Mail: info@in-gl.de

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Fotos: Werner Schmitz-Dietsch

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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