Trotz Nothaushalts und aller möglichen Kürzungen wird die Stadt Bergisch Gladbach in diesem Jahr ein Minus von weit mehr als 30 Millionen Euro machen. Dass es so nicht weitergeht, ist in der Politik allen klar. Wollen Bürgermeister Lutz Urbach und der Stadtrat irgendwann wieder selbst entscheiden können und sich nicht auf alle Ewigkeit von den starren Regeln des Nothaushaltes fesseln lassen, muss der Etat saniert werden.

Um diesem Ziel wenigstens etwas näher zu kommen hatte der Stadtrat einen Arbeitskreis (AK) Haushaltskonsolidierung eingerichtet, in dem alle Ratsfraktionen vertreten sind. Einsparvorschläge von mindestens fünf Millionen Euro soll der AK machen.

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Zunächst ist allerdings die Stadtverwaltung am Zug: Alle Fachbereiche müssen in diesen Tagen Vorschläge abliefern, die Kämmerer Jürgen Mumdey dann zu einer langen Liste zusammenfassen soll, in der ohne Denkverbote alle möglichen Sparmöglichkeiten auftauchen. Dann erst sind die Politiker im Arbeitskreis wieder an der Reihe, die herausfiltern sollen, was vertretbar ist. Eine höchst undankbare Aufgabe, denn wer möchte schon dafür die Verantwortung übernehmen, dass Schwimmbäder und Jugendzentren geschlossen, soziale Leistungen gestrichen oder Abgaben erhöht werden?

Bei der Sanierung des Haushaltes geht es nicht um eine technische Frage, sondern um den Kern des Gemeinwesens: Welche Aufgaben muss die Stadt für ihre Bürger tatsächlich erfüllen, welche Ausgaben sichern das Wohlergehen der Stadt und ihrer Bürger in der Zukunft. Diese Debatte sollten wir nicht den Experten und Politikern alleine überlassen, sondern mitführen. Es geht um unser Geld, unsere Zukunft, unsere Kinder.

Die zentralen Fragen

  1. Wo gibt es noch Sparpotenzial? Wo gibt die Stadt zuviel Geld aus?
  2. Welche Bereiche sollten nicht angetastet werden, verlangen womöglich sogar nach zusätzlichen Ausgaben?
  3. Wo könnte die Stadt sich zusätzliche Einnahmen verschaffen?
  4. Tut die Stadt genug, um zahlungskräftige Unternehmen anzulocken bzw. zu halten?
  5. Wäre es gerecht, von den Wohlhabenden in unserer Stadt höhere Steuern zu verlangen?
  6. Bieten private Initiativen, Sponsoren und Förderer oder Stiftungen einen Ausweg?
  7. Hat die Stadt eine Chance, sich gesund zu sparen – oder brauchen wir einen völlig neuen Ansatz?

Weiter unten finden Sie alle Informationen, die für eine gründliche Auseinandersetzung mit der Sache notwendig sind. Lesen Sie sich ein – und geben Sie Ihre Meinung ab.

Was Sie zur Finanzlage wissen müssen:

Wie schlecht geht es der Stadt?

Der Etat 2010 sieht bei Gesamtausgaben von rund 210 Millionen Euro ein Defizit von 33,5 Millionen Euro vor – auf dem Papier. Wieviel es tatsächlich werden, wird sich noch zeigen. Aber der Anteil der Kommunen an der Einkommenssteuer sind, die Schlüsselzuweisungen bei Steuern und Abgaben schrumpfen, das Aufkommen der Gewerbesteuer sinkt und die Sozialausgaben steigen immer weiter. Und bereits jetzt ist die Stadt mit rund 300 Millionen Euro insgesamt verschuldet.
Der komplette Haushaltsplan 2010 (pdf)
Alle Berichte zum Etat 2010

Was bedeutet Haushaltssicherung?

Solange die Ausgaben die Einnahmen dauerhaft überschreiten (und das tun sie bei weitem) gerät die Stadt in die Haushaltssicherung und wird der Kommunalaufsicht unterstellt, eine Aufgabe, die der Kreis wahrnimmt. Der Rat darf  nur einen Nothaushalt unter sehr strikten Regeln verabschieden, was seinen Gestaltungsspielraum erheblich einschränkt. So hatte Landrat Rolf Menzel den Versuch von Kämmerer Mumdey, den Investitionshaushalt durch unrealistische Annahmen aufzublähen, prompt vereitelt und zusätzliche Einsparungen im Etat 2010 erzwungen.
Wikipedia: Was ist die Haushaltssicherung?

Richtlinien des „Neuen kommunales Finanzmanagement“
Mehr zu den Haushaltstricksereien von Mumdey

Kann man in allen Bereichen sparen?

Nein. Der allergrößte Teil des Etats besteht aus sogenannten Pflichtausgaben, zu der die Stadt gesetzlich verpflichtet ist. Daher kann sie nur bei den sogenannten freiwilligen Ausgaben sparen. Und das muss sie auch: Der Nothaushalt zwingt die Stadt, jedes Jahr mindestens zehn Prozent der freiwilligen Ausgaben zu kürzen.

Wo verlaufen die Frontlinien?

Bei der Verabschiedung des Etats 2010 zeigte sich eine klare Zweiteilung: Große Teile der CDU, FDP, Freien Wählern und auch der Kidinitiative setzen sich für einen rigorosen Sparplan ein, um die Stadt mittelfristig wieder aus der Haushaltssicherung zu befreien. Dagegen versuchen Vertreter der SPD, Grünen und Linken, sich dem Sparzwang zu widersetzen. Sie fordern mehr Ausgaben für Schlüsselbereiche wie die Schulen.

Wieviel fließt in die Schulsanierung?

Konsens herrscht bei allen, dass die Sanierung der zum Teil gefährlich baufälligen Schulen absoluten Vorrang hat. Aber der Investitonsstau ist so gewaltig, dass die dafür bereitgestellten Mittel allenfalls zum Nötigsten reiche. Der Investitionsplan für 2010 enthält rund sechs Mio. Euro – vor allem für IGP, DGB, Saaler Mühle und NCG. Hinzu kommen acht Mio. Euro für Schulsanierungen aus dem Konjunkturprogramm II. Um die knappen Investitionsmittel besser einsetzen zu können hat Urbach einen vierjährigen Investitionsplan aufgestellt, der immerhin 25 Mio. Euro für die Schulsanierung vorsieht.
Die für 2010 geplanten Investitionen
Mehr zum Investitionsplan

Sind die Regionale und die Sanierung der Fußgängerzone Luxus?

Über Sinn und Unsinn des neuen Pflasters in der Innenstadt wird zwar heftig gestritten, aber der allergröße Teil der Gelder, die im Rahmen der Regionale ausgegeben werden, kommen von Bund und Land. Mit einem wagemutigen Finanzplan hatte Bürgermeister Lutz Urbach erreicht, dass von den 11,1 Millionen Euro, die für die Regionale in den kommenden drei Jahren zur Verfügung stehen, nur 900.000 Euro aus dem Stadtsäckel kommen, 300.000 werden in diesem Jahr fällig.
Mehr zur Regionale 2010 in diesen Berichten

Alle Berichte über die Sanierung der Fußgängerzone

Wo wurde bereits gekürzt?

  • Der Zuschuss für das Behindertenwohnprojekt Progymnasium in Bensberg wurde gekippt.
    Mehr zur Debatte über das Progymnasium.
  • Weitere Kreisverkehre wird es nicht geben.
  • Der Stadtkulturgarten wurde gestrichen.
  • Die Ausgaben der Regionale 2010 wurde gekürzt.

Welche Kürzungen werden erwogen?

Gibt es neue Geldquellen?

Unter anderem hatte Urbach über eine so genannte Übernachtungssteuer nachgedacht, doch diese Idee scheint sich im Sande verlaufen zu haben. Darüber hinaus wird über höhere Gebühren nachgedacht – zum Beispiel für Archivdienstleistungen.
Mehr Informationen zur Übernachtungssteuer

Was ist mit dem Tafelsilber?

Beim Verkauf ihrer Anteile an der Belkaw vor einigen Jahren hatte die Stadt  im so genannten Bäderfonds angelegt, aus dem der Unterhalt der Schwimmbäder finanziert wird. Rund 36 Mio. Euro schlummern in diesem Fonds, die auch ganz anders eingesetzt werden könnten – etwa für die Sanierung der Schulen. Das forderte vor allem die SPD.  Bürgermeister Urbach und die CDU sind eigentlich dagegen, diesen letzten Notgroschen aufzulösen, sind aber wohl noch nicht endgültig entschieden.
Alle Berichte über den Bäderfonds.

Wie Sie sich beteiligen können

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  • Wenden Sie sich direkt an die Stadtverwaltung: haushalt@stadt-gl.de

Wo Sie sich informieren können

Die wichtigen Dokumente

Tagesordnung der Ratssitzung am 25.3.2010 mit sämtlichen Vorlagen
Cityweb: Der städtische Haushalt 2010
Citiyweb: Schulden und Schuldendienst
Der komplette Haushaltsplan 2010 (pdf)
Zum Vergleich: Alle Materialien zum Haushalt 2009
Haushaltsrede von Peter Mömkes, CDU

Haushaltsrede von Tomás Santillán, DIE LINKE (mit BfBB)
Cityweb: Das neue Kommunale Finanzmanagement

Weitere Berichte zur Lage in GL

Neue Streichliste vorgestellt – KSTA, 9.7.2010
SDP warnt vor Schulschließungen, KSTA, 7.7.2010
Droht Kahlschlag in der Jugendarbeit? – iGL, 8.7.2010
Stadt widerspricht Bericht über Etatabstimmung, iGL 16.6.2010
Ist Bergisch Gladbachs Haushaltspolitik zu kreativ? iGL, 31.5.2010
Es droht zweite Rotstift-Runde
, BLZ 28.5.2010
Ein bisschen zu kreativ
, KSTA 28.5.2010
Aus für die Bücherei im Pro
– BLZ 26.3.2010
Sparen oder Investieren?
– KSTA 26.3.2010
Urbachs erster Etatentwurf,  iGL 20.1.2010
Alle Berichte zum Thema Finanznot

Überregionale Infos

Wie Düsseldorf es geschafft hat, Schuldenfrei zu werden –  Die Zeit
Rettet die lokale Demokratie – Resolution des Städte- und Gemeindebundes
Kommunen in der Finanzkrise. Status Quo und Handlungsoptionen – Ernst & Young
Informationen des Städte- und Gemeindebundes

des Bürgerportals. Kontakt: info@in-gl.de

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3 Kommentare

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  1. Herbert G. Warum hören Sie sich,wie Tomas Santilan an?.Lutz Urbach ist gerade im Amt,
    und dann schon mit der Keule. Ich habe gelernt das die Partei Die Linke niemals Recht hat.

  2. Einsparmöglichkeiten in der Fußgängerzone!

    Bei einer Sanierung oder Neubau einer Straße nach 30 Jahren, werden die Anlieger zur Kasse gebeten. Auch in der Fußgängerzone müssten eigentlich die Anlieger der Hauptstraße (Fußgängerzone) die Kosten zu 100% bezahlen. Schließlich profitieren sie auch von dieser Straße, denn eine neue Fußgängerzone soll neue Kunden in ihre Läden und Büros bringen. Warum soll der Steuerzahler die hohen Kosten für die neue Fußgängerzone zahlen, egal woher das Geld kommt, ob aus Steuermitteln der Städtebauförderung NRW oder aus dem städtischen Haushalt, wir haben dafür Steuern bezahlt.

    Soweit mir bekannt, haben die Anlieger auch schon bei der Einrichtung der Fußgängerzone keinen einzigen Pfennig für die Einrichtung bezahlt. Es wäre nur richtig, wenn die Anlieger wenigsten heute ihren Eingang selbst bezahlen würden.

    Alles andere wäre Klientelpolitik im Rathaus. Selbst der Eigenanteil der Stadt ist viel Geld und wird an anderer Stelle im Haushalt gebraucht. Jetzt wird er aber zu Gunsten von wenigen woanders gekürzt.

  3. Was ist mit den hohen Folgekosten der Regionale 2010? In der Diskussion wollen die Befürworter der Luxusprojekte aus SPD, Grüne, CDU und FDP die Folgekosten für die teuren Regionale 2010 Projekte immer an die Seite schieben und tun so, als würden diese nicht ins Gewicht fallen. Einzige Opposition gegen den Luxus der Regionale 2010, die dieses kritisiert, scheint nur die Fraktion der LINKEN sein, während sich die FREIEN WÄHLER und die KIDs entweder enthalten oder treu ergeben mit dem Bürgermeister abstimmen.

    Die Unterhaltskosten für den neue Strundepark der Regionale 2010 werden in die zehntausende Euro jährlich gehen. Das könnte man sicher in jeder Schule oder bei der Kulturarbeit besser verwenden.

    Auch werden die fehlenden Einnahmen aus dem zahlreichen Parkplätzen auf der Buchmühle ein dickes Loch in den Haushalt reißen. Es ist mit Verlusten von mehr als 250.000 Euro jährlich zu rechnen, wenn man keine neuen Parkplätze bauen sollte.
    Alleine mit den jährlichen Folgekosten könnte man leicht die jährlichen Kosten aller 7 Einrichtungen der offenen Kinder und Jugendarbeit finanzieren und die Schließungen in den Stadtteilen wäre vom Tisch.

    Doch es liegen schon die Pläne für neue Parkplätze und einer Tiefgarage auf dem Tisch. Die Kosten von fast 6 Millionen Euro müsste die Stadt aus dem Haushalt bezahlen und dafür müsste man noch weitere und sehr tiefe Einschnitte vornehmen.

    Der Privatisierungsbefürworter und Bürgermeister Lutz Urbach hat dafür auch schon einen Plan und möchte die neue Tiefgarage durch einen privaten Investor bauen lassen und ihm gleich noch die alte Tiefgarage am Bergischen Löwen dazu schenken. Dann kann der private Investor die Tiefgarage selbst bewirtschaften und die Stadt verliert neben der Buchmühle auch noch die Parkeinnahmen aus der Tiefgarage Bergischer Löwe und wieder sind 250.000 Euro jährlich weg.

    Egal, wie man es dreht oder wendet, die Stadt verschweigt den Bürgern die wahren Kosten, die zusätzlich durch die Regionale 2010 Projekte entstehen werden.

    – Entweder die Stadt baut für 6 Millionen Euro eine eigene Tiefgarage und dann muss man dieses zu den Kosten der Regionale 2010 hinzurechnen, denn dieser Neubau wird erst durch diese verursacht, aber nicht vom Land oder Bund gefördert;
    (6 Millionen Euro + 1 Millionen Euro mach 7 Millionen Euro für die Regionale 2010 und nicht nur 330.000 jährlich in 3 Jahren.)

    – oder die Stadt privatisiert ihre Parkfläche und verliert mal eben eine halbe Millionen Euro Einnahmen jährlich aus Parkgebühren.

    Würde man die Projekte der Regionale 2010 wegkürzen und auf den Strundepark verzichten, würde man nicht nur mehr als 300.000 Euro jährlich für den Bau einsparen, sondern, man würde auch keine Unterhaltskosten erzeugen und wichtige Einnahmen aus den Parkgebühren (1/2 Millionen Euro) verlieren. Insgesamt also ein deutlich wirtschaftlicheres Geschäft, als weiter auf diese teuren Luxusprojekte zu setzen. Doch irgendwie scheint man das nicht zu begreifen, was jeder einfache Bürger aus seinem eigenem Haushalt kennt. Im Stadtrat gilt wohl das Sprichwort: „Der Fisch stinkt vom Kopfe her.“