Die Inschrift über dem Eingang zum Waatsack

Die Inschrift über dem Eingang zum Waatsack

Es war ein Hin und Her um die Zukunft des Waatsacks, einem der ältesten Gebäude der Stadt: Abreißen, ins Freilichtmuseum nach Lindlar, an Ort und Stelle ein Stück weiterrücken, damit der Verkehr Platz hat, für zwei Millionen oder so. Wenn man an die  Köpfe denkt, in denen die erste Idee reifte, bekommt das Wort „Abrissbirne“ eine ganz neue Bedeutung. Aber wir sollen ja nicht polemisch schreiben.

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Nur: Wenn wir sachlich schreiben, werden wir dann überhaupt wahrgenommen? Versuchen wir’ s! Vielleicht halten uns die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung ja doch einer Antwort und sachlicher Gegenargumente für würdig, zumindest neuer Überlegungen.

Der Waatsack

Der Waatsack, entlang der Odenthaler Straße

Bei den Recherchen zum Waatsack traf ich auf ein Schreiben des Bergischen Geschichtsvereins mit dem Titel: Muss das alte Gasthaus am Waatsack dem Verkehr weichen? Dieses Schreiben bestärkte mich voll und ganz in meiner Meinung. Seltsamerweise wurde dieses Schreiben nie in der örtlichen Presse veröffentlicht.

In dieser Stellungnahme findet man auch einen Link zu einem Brief an den damaligen Bürgermeister Klaus Orth und zu einem alten Artikel aus dem Stadtanzeiger. Ebenfalls lesenswert.

Nun zum Waatsack selber!

Der Waatsack ist „eines der wenigen historischen Gebäude in typisch bergischer Bauweise“, die in der Innenstadt erhalten sind. Heute ist der größte Teil des Fachwerkbaus mit bergischem Schiefer verkleidet. Eine Inschrift über dem Eingang (siehe Foto oben) verweist auf das  Baujahr 1792: kurz nach Ausbruch der Französischen Revolution!

Hier schon bitten die Erbauer darum, dass das Haus vor allem Übel bewahrt bleibe. Ahnten sie schon die unsäglichen Pläne von Abriss, Vertreibung oder Umsetzung?

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Meines Erachtens einzigartig ist auch der langgestreckte Fachwerkanbau an der Odenthaler Straße.
Die Zusammenhänge des schiefergedeckten Waatsacks mit der Geschichte Bergisch Gladbachs kann man in der Stellungnahme des Bergischen Geschichtsvereins nachlesen, vor allem den Zusammenhang mit Max Bruch, dessen 175. Geburtstag die Stadt dieses Jahr feiert.

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Doch es geht nicht nur um den Waatsack.

Der Waatsack liegt inmitten eines Bauensembles, das vom Kulturhaus Zanders über den Waatsack und das ehemalige Viktoria-Kino bis zu den drei sich östlich anschließenden Privathäusern reicht.

Eine sonst nirgendwo auf der Welt vorkommende Skyline, wenn es sich auch nicht gerade um ein Weltkulturerbe handelt. Es sollte aber als Stadt-Kulturerbe angesehen werden, in einer Stadt, die lebens- und liebenswert ist oder sein kann, die aber nicht gerade über eine unendliche Fülle von großen Kulturdenkmälern verfügt.

Umso mehr sollten wir doch das, was wir haben, schätzen und pflegen!

Lesen Sie mehr:
+ Alle Beiträge zum Schicksal des Waatsacks
+ Alle Beiträge zur Schließung des Viktoria-Kinos 
+ Alle Beiträge zur Stadtplanung in Bergisch Gladbach
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Kulturhaus Zanders (l.), Waatsack, Viktoria und angrenzende Gebäude an der Hauptstraße

Kulturhaus Zanders

Kulturhaus Zanders

Im Hintergrund dieser „Skyline“ sieht man das Kulturhaus Zanders, dessen architektonische Bedeutung, schon weil es als Sitz des Altenberger Dombauvereins dient, unbestritten ist.

Allerdings wird auch in diesem Fall schon über eine Versetzung der den schönen Garten zur Odenthaler Straße hin begrenzenden Mauer geredet.

Rechts neben dem Waatsack erblicken wir die Fassade des ehemaligen Viktoria-Kinos, vielleicht keine umwerfende Architektur, aber trotzdem in Bergisch Gladbach und Umgebung einzigartig, und schon seit jeher an den Waatsack als Saalbau angrenzend.

Das ehemalige Viktoria-Kino

Das ehemalige Viktoria-Kino

Hier handelt es sich vielleicht um eine ländliche Variante von Neoklassizismus. Mit dem Giebel seines Nachbarhauses zusammen ergibt sich eine eigenartige, fast surrealistisch anmutende Komposition.

Den Abschluss des ganzen erhaltenswerten Ensembles bilden drei sehr unterschiedliche Gründerzeitfassaden. Auf einer von ihnen sieht man die unten abgebildete Tafel, die auch schon als industriegeschichtlich bedeutsam anzusehen ist.

Fassade Hauptstraße

Fassade Hauptstraße

Über den Zustand mancher dieser Fassaden kann man natürlich die Nase rümpfen. Von vielen wird das leider mit dem Wert der architektonischen Substanz verwechselt.

Fassade Hauptstraße

Fassade Hauptstraße

Aber diesen Zustand kann man ändern. Wie man so vieles in unserer Stadt durch entsprechende Pflege zum Positiven ändern könnte.

Natürlich kostet solche Pflege Geld. Geld, welches nicht alleine von den jeweiligen Besitzern aufgebracht werden kann.

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Fassade Hauptstraße

Ohne öffentliche Unterstützung geht das wahrscheinlich nicht. Und wenn die Öffentliche Hand kein Geld hat, muss man an Sponsoren herantreten.

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Auch die herrlichen Fenster im Kölner Dom sind über die Jahrhunderte hindurch von Sponsoren bezahlt worden. Und solange das Geld in unserer Demokratie nicht da ist, wo es hingehört, muss man eben darum betteln. Besser erbetteltes Geld für die Öffentlichkeit als gar keins.

Das Verkehrsproblem Odenthaler Straße/Hauptstraße

Nun gibt es dieses leidige Verkehrsproblem. Ist es aber nicht traurig, wenn Stadtplanung in unserer Stadt sich immer nur als getrieben darstellt, getrieben von Finanznot, getrieben von Verkehrsproblemen, getrieben von Versicherungsansprüchen?

Wo bleiben die großen städtebaulichen Entwürfe, wie sie einst der Umbau des Bergischen Löwen und der Umbau des Bensberger Rathauses darstellten? In der Idee, die Strunde im Buchmühlenpark wieder ans Tageslicht zu holen, zeigte sich ein großer Entwurf, wenn man auch der Realisierung mit einiger Skepsis begegnen muss. In dem Entwurf des Architekten Michael Neuendorff für die Marktgalerie in Bensberg bahnte sich ebenfalls so etwas an.

Wäre ein großer Entwurf für Waatsack und Co. nicht auch möglich und wünschenswert? Aber darauf komme ich noch. Nach einigen Gedanken zur Lösung des Verkehrsproblems Odenthaler Straße/ Hauptstraße.

Viele Ratsmitglieder befürworten nach meinen Informationen augenblicklich einen großen Kreisel an der Schnabelsmühle, womöglich mit einer Änderung und Aufstockung des dortigen Parkplatzes. Sollte dieser Kreisel Wirklichkeit werden, könnte dann nicht an der Odenthaler Straße eine Rechtsabbiegung und ein Umweg über den Schnabelsmühlen-Kreisel mit anschließender Ostabbiegung in Richtung Sand und Herrenstrunden ausreichen, um das Problem Odenthaler Straße einigermaßen zu lösen?

Mehr Zeit als der Umweg über die Straße Am Mühlenberg würde das wohl auch nicht kosten.

Das Gelände hinter dem Waatsack

Das Gelände hinter dem Waatsack

Ein ganz neuer, kreativer städtebaulicher Ansatz

Doch nun zum städtebaulichen Entwurf, der für jeden kreativen Architekten eine Herausforderung darstellen müsste: Ein Ausbau des Geländes hinter dem Waatsack zu einem echten Eingang zur Innenstadt von Gladbach, und zwar nicht für Autofahrer, sondern für Radfahrer und Fußgänger, wenn sie von Osten, also vom Weg an der Strunde entlang, durch den neu gestalteten Buchmühlenpark zum Zentrum, zum Marktplatz streben.

Die Strunde hinter dem Waatsack

Die Strunde hinter dem Waatsack

An dieser Stelle, einer bisher unbebauten Wüstenei,  könnte man sich einen phantasievollen Bau, womöglich mit viel Glas, vorstellen, der verschiedene Funktionen vereinen sollte: die Vergrößerung des Viktoriabaus, das dann doch vielleicht weiter als Kino genutzt werden könnte oder als eine Ansammlung von kleineren Läden in einer Art Passage oder als eine Vergrößerung des Restaurants im Waatsack.

Dieses könnte auch seinen schon vorhandenen Biergarten zur Strunde hin öffnen und vergrößern und somit auf die Weiterführung des Fuß- und Radwegs an der Strunde führen.

Der würde nach einigen Metern zu den noch vorhandenen Nebengebäuden der ehemaligen Hammermühle führen und zum Verlauf der Strunde, wo sie sich schon auf städtischem Boden befindet.

Die Reste der ehemaligen Hammermühle

Die Reste der ehemaligen Hammermühle

Später würde man dann zum Gelände der Alten Dombach und dem weiteren Strundeweg gelangen, der schon heute mit seinen historischen Gebäuden, dem Auwald der Strunde und seinem Lyrikpfad von der Strundequelle an eine touristische Besonderheit darstellt.

Die Strunde unmittelbar hinter der Hammermühle

Die Strunde unmittelbar hinter der Hammermühle

Wie gesagt, die meisten dieser Ideen konnte und kann man schon in der Stellungnahme des Bergischen Geschichtsvereins nachlesen. Es ist mir auch bewusst, dass viele dieser Gedanken schon an verschiedenen anderen Stellen geäußert wurden. Es wäre aber sinnvoll, sie unter diesen vier Aspekten noch einmal neu zu überdenken:

  1. Wie rettet man ein wertvolles und identitätsstiftendes städtebauliches Ensemble?
  2. Reicht nicht eine Verkehrslösung im Zusammenhang mit dem Kreisel an der Schnabelsmühle?
  3. Wie könnte ein attraktiver Eingang für Fußgänger und Radfahrer von Osten in die Stadtmitte gestaltet werden?
  4. Wie könnte eine Anbindung des Strundewegs an den Buchmühlen-/Strundepark geschaffen werden?

Mit einer Rettung von Waatsack und Co. in der dargestellten Form kann Bergisch Gladbach zeigen, dass es wohl attraktive Besonderheiten für seine Bürger und auch für Besucher bereit hält, und dass es nach wie vor für Ideen aufgeschlossen ist, die schönes Altes mit phantasievollem Neuem verbinden, in bester Tradition zusammen mit unserem berühmten Architekten Gottfried Böhm.

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ist pensionierter Lehrer, Mitglied von Wort und Kunst, Verfasser von "Der letzte Lehrer"

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1 Kommentar

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  1. Gläbbisch hat einen Ruf zu verlieren. Nämlich den, schäbbisch zu sein. Man tut halt alles, um diesen Ruf nicht zu gefährden.

    Schäbige Industriegebiete haben wir Gott sei Dank jede Menge in der Innenstadt. Das kann so bleiben. Was wir brauchen ist Platz für schäbige Konsumpaläste, breite Straßenfluchten für schnellfließenden Verkehr, vermehrten Ausstoß von Abgasen und mehr Smog in der Innenstadt. Da der neue Park für Obdachlose und vielleicht sogar ein paar Abfallentsorgungsschweine an der Buchmühle nun bald fertig ist, können wir uns einer weiteren Fläche der Stadt annehmen.

    Das Forum ist sicherlich schon beschlossene Sache. Da hat die Frau Wirrkopf eh grad gezeigt, dass da nur rumgeschmiert wird. Aber wir brauchen keine Schmierereien, wir brauchen hässliche, schäbige Architektur, die Kohle bringt. Diesem Anspruch wird das Forumgebäude nicht gerecht. Also weg mit den Schmierereien samt Forumgebäude.

    Ja und der Waatsack, hübsch, alt, erhaltenswert – hat da nicht irgendein Investor eine Idee, wie man diese Ecke hässlicher und schäbiger gestalten kann? Bestimmt! Hat in der unteren Hauptstraße doch auch geklappt.