Bergab

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Fahrrad fahren sei beliebter als Sex, sagt der Freizeit-Monitor 2014. Nach der Bewegungsstudie der Techniker Krankenkasse steht Fahrrad fahren unter Deutschlands Lieblingssportarten mit respektablem Abstand an der Spitze. Das gilt auch für die Bergisch Gladbacher Jugend. In einer Umfrage gehörte Radfahren zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen, zwei Drittel sind regelmäßig mit Fahrrad oder Bike unterwegs.

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Radfahren hat viele Facetten: Alltagsfahrer wünschen direkte, stressfreie Routen zwischen Wohnung, Job, Einkauf und Kultur. Rennradfahrer bevorzugen glatten Asphalt, Tourenradler freuen sich über das in Entstehung befindliche Knotenpunktsystem und Mountainbiker zieht es auf Naturpfade ins Grüne.

Manche fahren allein oder zu zweit, die meisten haben aber den meisten Spaß daran, in kleinen Gruppen die reizvollen Trails im Bergischen Land zu erkunden. Jetzt lädt der “Winterpokal” wieder dazu ein. Andere wollen mehr.

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“Sport, Spaß, Action, Natur – alles auf einmal”

Die “Dreck Queens Cologne” bringen den Reiz des Mountainbikens auf den Punkt. Fortgeschrittene schaffen mit dem Geländerad durchaus 80 Kilometer am Tag. Im ständigen Auf und Ab des Bergischen werden dabei auch mal mehr als 2.000 Höhenmeter erklommen, so viel wie von Garmisch auf die Zugspitze. Schwierige, steile Passagen bergauf wie bergab erfordern ein souveränes Beherrschen des Bikes, hier ist Fahrtechnik gefragt.

Natürlich kann man auch softer einsteigen und erst einmal ein flache 20-Kilometer-Runde mit vielleicht 300 Höhenmetern drehen – ohne besondere fahrtechnische Herausforderungen. Das Bergische Land ist ein ideales Bike-Revier vor der Toren Kölns. “Da, wo vor 200 Jahren noch Eisenerz geschmiedet wurde, sorgen heute grüne Trails für hämmernden Puls”, schreibt das BIKE Magazin in seinem “Spotguide” Bergisches Land und bietet drei Touren ganz unterschiedlicher Couleur zum Download an.

Beschauliche Alleen-Tour

Beschauliche Alleen-Tour

Hier im Rechtsrheinischen ist alles möglich: Wahner Heide und Königsforst locken mit moderaten Steigungen, die vielen Bachtäler (zum Beispiel das Dhünn- und Eifgental in Odenthal, das Wiehbachtal in Leverkusen, Diepen- und Weltersbachtal in Leichlingen) lassen sich fast gemütlich hochkurbeln.

“Höhenmeter und Dreck sind ganz schön anstrengend”, meint die MTB-Abteilung des SC Janus Köln. Sobald man die steilen Rampen quer zu den Tälern unter die Stollenreifen nimmt, sind bergauf Kraft und Ausdauer gefragt, runter erfordern knifflige Abfahrten mit 25 Prozent Gefälle fahrtechnisches Geschick.

Buntes Bikervolk

Es gibt viele Motive zum Moutainbiken: Das Landschaftserlebnis mitten in der Natur, abseits des Autoverkehrs, die sportliche Herausforderung was Ausdauer und Tempo angeht, der Flow beim Downhill, der Spaß am Meistern schwierigster Passagen. So unterschiedlich wie die Motive sind die Biker selbst: alle Altersklassen sind dabei, alle Berufsgruppen, alle Einkommensklassen. Der Bikesport ist wie eine Klammer in einer auseinander driftenden Gesellschaft.

Fast jeder kann Bergradfahren und findet schnell Anschluss an Gleichgesinnte. Gruppenausfahrten sind hierzu besonders geeignet. Man kann reden, muss aber nicht. Schnell ist die Position im Feld gewechselt und vielleicht kommt man mit dem neuen Vorder- oder Hintermann ins Gespräch. Bei kurzen Pausen oben am Berg oder nach einem Downhill ergeben sich Themen wie von allein.

Was eigentlich alle Mountainbiker eint, ist die Sucht nach schmalen Pfaden (so genannten Singletrails) für den besonderen Bike-Genuss, natürlich am liebsten bergab. Waldautobahnen oder gar Asphaltstrecken werden allenfalls zum Hochkurbeln favorisiert, ansonsten kann der Pfad nicht schmal genug sein, gerne auch steil und mit herausfordernden Wurzeln und Spitzkehren gespickt.

“Das Bergische Land ist tatsächlich ein Trail-Paradies. Handtuchbreit schlängeln sich die Pfade über die Berge”, schreibt das BIKE Magazin.

Wadenstärke

Wadenstärke

Fair play im Forst

Wer schmale Wege und weite Blicke zu einer attraktiven Rundtour verbindet, trifft auf andere Naturliebhaber. Selbstverständlich ist, dass sich alle zuvorkommend verhalten. Wilfried Dannewald, der sich seit rund 15 Jahren mit einer private Initiative für den MTB-Sport einsetzt, hat auf all seinen Touren, in der Regel dreimal wöchentlich, “noch keinen nennenswerten Konflikt mit Eigentümern, Wanderern oder Förstern” erlebt. Alle Vereine haben längst so genannte Trail-Rules formuliert.

Egal, wo man schaut, der Tenor ist bei MTB RheinBerg, der Deutschen Initiative Mountain Bike (DIMB), Dreck Queens, MTBLEV oder dem Deutschen Alpenverein immer derselbe: Mountainbiker wollen mit anderen Naturfreunden und Sportlern – Spaziergängern, Reitern, Jägern, Joggern, Hundehaltern – gut auskommen.

In der Gruppe durch die Natur

In der Gruppe durch die Natur

Naturverträgliche Sportart mit ausgezeichneter Umweltbilanz

Für die Begegnung mit Wanderern gilt die Regel “Rücksicht & Respekt”: Langsames Annähern und herzliches Grüßen sind obligatorisch. Auf schmalen Wegen müssen Fußgänger nicht Platz machen, oft tun sie es aber gern. Im Zweifel halten die Biker an. Egal wie, ein herzlicher Dank und ein freundliches “Schönen Tag noch” fördern ein gutes Auskommen.

Die allermeisten Mountainbiker sehen sich als Natursportler, denen der Schutz der Natur am Herzen liegt. So wie sie Respekt entgegenbringen, erwarten sie Respekt für den Radsport.

Keiner hat die Natur für sich gepachtet. Nach dem Bundeswaldgesetz ist das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung gestattet, in NRW erlaubt das Landschaftsgesetz das Betreten privater Wege und Pfade. Auf festen Wegen ist in Wald und freier Landschaft auch das Radfahren erlaubt, selbst wenn Wege nicht markiert oder nicht auf einer Karte eingezeichnet sind.

Details zur Rechtslage hat die Deutsche Initiative Mountain Bike zusammengestellt. Die DIMB unterstützt auch die Initiative “Open Trails!”. Mountainbiken sei eine anerkannt naturverträgliche Sportart mit ausgezeichneter Umweltbilanz. Auf der DIMB-Internetseite findet man Links zu wissenschaftlichen Arbeiten und Untersuchungen, die dies bestätigen.

Deshalb unterstützt die DIMB Bestrebungen, “alle Wege (dazu gehören für uns auch Pfade) mit dem Mountainbike befahren zu dürfen, soweit dies mit dem Naturschutz vereinbar und sozialverträglich ist”.

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Guter Anfang beim Kreis

In der Vergangenheit wurden von den offiziellen Stellen vor allem Wanderer und Reiter unterstützt. Das “Bergische Wanderland” hat die Planungskapazitäten gebunden, parallel wurde das Reitwegenetz ausgeschildert.

Die Förderung des Mountainbikings ist dagegen noch ein zartes Pflänzchen. Vielerorts wurde ein guter Anfang gemacht: Die Naturarena hat im Oberbergischen Rundkurse um Lindlar und Gummersbach ausgewiesen, der Kreis wirbt für “Biken mit Respekt”, in den Sandbergen zwischen Leichlingen und Langenberg wurde das Crossfahren mit Muskelkraft ausdrücklich erlaubt.

Im Rahmen der Regionale entstand auf der ehemaligen Deponie Leppe östlich von Lindlar der Metabolon Bikepark. Das Streckenangebot wird noch ausgebaut und kann während der Öffnungszeiten kostenfrei genutzt werden.

Im politischen Betrieb wächst eine Generation nach, die mit dem Mountainbike groß geworden ist. Leichlingens neuer Bürgermeister Frank Steffens ist selbst begeisterter Mountainbiker. Sven Brückner, neuer Tourismusmanager in Odenthal, ist gern mit dem Fahrrad in der Natur, wie er der Presse verriet. In einem früheren Job an der Unterelbe hat er Rad- und Erlebnis-Touren konzipiert, schreibt das Abendblatt.

Parcours

Perspektiven für Tourismus und Gastronomie

“Radfahren mit Sahnehäubchen”, heißt Brückners Unterelbe-Radplanungskarte. Das zeigt, dass vom Fahrrad- und Biketourismus die örtliche Gastronomie profitiert. Markus Wißkirchen macht mit einem Schild darauf aufmerksam, dass sein Lokal in Altenberg so etwas wie das Vereinslokal von MTBRB ist.

Im Eifgen- und Linnefetal sind Rausmühle und Coenenmühle beliebte Einkehr der Mountainbiker, in der Hardt werden oft Naturfreundehaus und Kaisersch Baach angesteuert. Neben Rad-Läden wie beispielsweise Cycle-M oder Bikeshop Moitzfeld in Bensberg, der Bike-Fabrik in Gladbach oder Campana-Radsport in Burscheid profitieren auch kommerzielle Sportschulen vom MTB-Trend. Zu nennen sind hier u.a. Sports-in-Team oder die Fahrtechnikschule Ridefirst.

Wichtig sind auch öffentliche Veranstaltungen. So wie das Radrennen “Rund um Köln” fürs Bergische wirbt, ist das auch bei jeder Radtouristik- und Country-Tourenfahrt (RTF/CTF) der Fall. Das Rennen X-Hardt zog 2008, 2009 und 2010 viele Biker in die Hardt bei Bergisch Gladbach. Gut angenommen wurde auch die erste Country-Tourenfahrt von MTB RheinBerg vor einem Jahr .

Schon beim Reitwegenetz hatte der Kreis darauf hingewiesen, dass man mit der Unterstützung der Natursportler “ganz konkrete Wirtschaftsförderung” betreibe. Bei der Gründung des Radsportvereins MTB RheinBerg vor vier Jahren war der damalige Landrat Rolf Menzel persönlich dabei und hatte sich über “diese Art der Tourismuswerbung” ausdrücklich gefreut.

Herbstlaub

Kooperationsprojekt mit der Deutschen Sporthochschule Köln

“Radsport in und um Köln: Mountainbiker kommen zu kurz”, titelte der Kölner Stadtanzeiger Ende August auf einer Sonderseite. Der Bericht von Peter Jung und Daniel Nantke ist in einer Kooperation des KStA mit dem Institut- für Kommunikations- und Medienforschung der Deutschen Sporthochschule Köln entstanden und bringt das Dilemma auf den Punkt. Mountainbiken wird beliebter, immer mehr möchten nach der Arbeit noch eine Runde drehen.

“Wünsche nach eigenen Fahrwegen und Pumptracks bleiben jedoch unerhört. Andere Städte sind da weiter.” Hervorgehoben wird, dass Wurzeln, kleine Absätze und Steilkurven zum Biken einfach dazugehören. “Diese Hindernisse machen die Abfahrt erst wirklich spannend”, heißt es in dem Bericht. Mit breiten Forstwegen, sogenannten Waldautobahnen, ist den Mountainbikern nicht gedient.

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Biker vermissen mehr Unterstützung

Der allergrößte Teil des Bike-Sports ist nicht-kommerzieller Natur. Tourenguides, Initiativen und Vereine engagieren sich ehrenamtlich und gemeinnützig.

Politiker mit Fahrrad, das kommt heute gut an. Gern lassen sich die Spitzenleute entsprechend ablichten. Auch die Kommunen schmücken sich gern mit dem sportlich-aktiven Image des Mountainbikens und bauen entsprechende Motive in ihre Internetseiten ein.

Die praktische Unterstützung ist aber noch ausbaufähig, meint zum Beispiel Frank Dörich von MTB RheinBerg, dem Mountainbike-Team im Bergischen Land. Der 160 Mitglieder starke Verein engagiert sich ganz besonders in der Jugendarbeit. Regelmäßig gibt es Bambini-Trainingscamps für die unter 12-jährigen und Trainingslager für die Jugend. Jeden Samstag werden Fahrtechnik und Ausdauer geschult.

In speziellen Trainingseinheiten geht es um Renntaktik und Biketechnik. Mit einem Schlauchwechsel in Rekordtempo können die Kids und Jugendlichen begehrte Punkte für die Vereinsmeisterschaft sammeln. Wer sich kein eigenes Bike leisten kann, bekommt Rad und Material vom Verein.

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Ein Trainingsgelände fehlt

Doch was fehlt ist ein Trainingsgelände. Dörich meint, dass ein 25 Hektar großes abschüssiges Gelände ausreichen würde, “100 bis 150 Höhenmeter wären optimal”, sagt der MTBRB-Mann dem Stadtanzeiger. Entstehen könnte auf so einer Fläche ein zwei Kilometer langer “Rundkurs für ein Training auf Zeit” und ein Technikparcours, mit “Wellen, Stufen und Spitzkehren, um die Fahrtechnik zu schulen.”

Bislang mahlen die Mühlen sehr langsam, obwohl der Verein das Projekt stemmen könnte. Bei der Suche nach einer geeigneten Fläche sei man auf die Behörden angewiesen. Nur sie wissen, “wem geeignete Flächen gehören” und “wo welche Naturschutzregelungen gelten”, sagt Dörich.

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Beispiele gelungener Kooperationsprojekte gibt es genug. In Zürich und Stuttgart sind in den letzten Jahren interessanten Strecken auf Initiative von Mountainbikern entstanden. In Bielefeld gibt es eine sehr aktive “MTB-Downhill Initiative”, die nun auch von der Stadt unterstützt werden soll. Wie es gehen kann, zeigt zum Beispiel auch die kleine Gemeinde St. Vith in Ostbelgien. Dort wurde ein Trailpark ausgewiesen – frei zugänglich und neuer Anziehungspunkt für Bergradfans aus nah und fern.

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