Der Vorstand des Integrationsrates: Saim Basyigit, Klaus Farber, Bülent, Ilyik. Mechthild Münzer fehlt auf dem Foto.

Der Vorstand des Integrationsrates: Saim Basyigit, Klaus Farber, Bülent Iyilik. Mechthild Münzer fehlt auf dem Foto.

Bülent Iyilik ist mit festen Vorsätzen in das neue Jahr gestartet. „Nachdem es 2015 etwas drunter und drüber ging wollen wir in diesem Jahr Tritt fassen, damit wir wieder Integrationsarbeit machen können,” sagte der Vorsitzender des Integrationsrates zum Auftakt der Sitzung am Donnerstag.

Zunächst ließ sich die Sitzung gut an, rasch wurden neue Leute für die Posten gefunden, die Szymon Bartoszewicz nach einem kräftigen Eklat aufgegeben hatte. Doch danach verlor sich der Rat wieder im Kleingedruckten, phasenweise drohte die ganze Sitzung zu entgleisen, der Zeitplan zerbrach. Doch am Ende standen immerhin zwei Ergebnisse.

Lagebericht in Sachen Flüchtlinge

Zunächst gibt es einen kurzer Lagebericht der Stadtverwaltung. Beate Schlich, Fachbereichsleiterin Jugend und Soziales, bestätigt Berichte, dass die Bezirksregierung im Februar so gut wie keine neuen Flüchtlinge zuweist, im März aber wieder mit den alten Zahlen zu rechnen ist. Daher prüfe die Stadt weiterhin, auf welchen Grundstücken die bereits gekauften weiteren Leichtbauhallen eingesetzt werden können, im April soll ein hochwertiger Neubau mit 14 Wohnungen in Heidkamp belegt werden.

Dann stehen die Nachwahlen auf der Tagesordnung. Für den brachliegenden Posten des 1. stellvertretenden Vorsitzenden tritt Saim Basyigit gegen Redouan Tollih an und setzt sich mit 11 zu 4 Stimmen klar durch. Basyigit war von Klaus Farber und Mechthild Münzer (CDU) vorgeschlagen worden, die unter anderem seine guten Kontakte zur Moscheegemeinde anführten.

Auch die Vertreter für den Hauptausschuss der Integrationsräte in NRW (Kastriot Krasniqi/SPD) und für den Sozialausschuss des Stadtrates (Bülent Iyilik) werden rasch und einvernehmlich gewählt.

Wer geht in den Seniorenbeirat? Ja, wer?

Doch dann geht es los. Der Integrationsrat entsendet auch in den Seniorenbeirat einen Vertreter und einen stellvertretenden Vertreter. Nachdem dafür niemand gefunden wird will ein Teil des Rates Erich Dresbach entsenden. Der ist allerdings ordentliches Mitglied des Seniorenbeirat und Vertreter der SPD in diesem Gremium. Drei Hüte, so die Meinung der Stadtverwaltung und der CDU, sei eindeutig zu viel. Nach viel hin und her und einer Unterbrechung drückt Iyilik durch, das „alles bleibt wie es ist” – und Dresbach auch den Integrationsrat vertritt.

Hintergrund: Der Integrationsrat wird zur Hälfte mit direkt gewählten Vertretern besetzt, zur Hälfte mit Vertretern des Stadtrates. Er vertritt  in erster Linie die Interessen der ausländischen Bürger, kann sich aber mit allen Angelegenheiten der Stadt befassen. Seine Anregungen und Stellungnahmen müssen auf Antrag vom Stadtrat und/oder in den Ausschüssen behandelt werden. Mehr Infos

Resolution zu den Silvestervorfällen

Dann kommt ein wirklich heikles Thema auf den Tisch: Eine Stellungnahme des Integrationsrates zu den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln, bei dem auch Frauen aus Bergisch Gladbach Opfer von sexistischer Gewalt geworden waren. Dazu hatte der Vorstand des Integrationsrates unter Federführung von Iyilik einen Textentwurf vorbereitet, der die Vorfälle hart verurteilt.

Der stößt weitgehend auf Zustimmung, wie es zunächst scheint. Doch das stellt sich bald als schwerer Irrtum heraus.

Zunächst melden sich mit Klaus Farber und Dirk Cromme die Veteranen der Flüchtlingshilfe und schlagen kleinere, wenig kontroverse Änderungen vor. Thomas Kunze (AfD) hat dann schon grundlegende Einwände: zum Beispiel sei es falsch, den Medien die Verantwortung zuzuschieben, der Grundtenor der ganzen Resolution sei „verbesserungswürdig”.

Auch Cromme nennt die Empfehlungen an die Medien „unglücklich”. Erste Missverständnisse, wer nun was gestrichen oder eingefügt haben wollte, schleichen sich ein. Der Vorsitzende wirkt bei der Sitzungsleitung mitunter überfordert.

Iyilik verteidigt seinen Entwurf. Der Integrationsrat habe es nicht nötig, einen „Kuschelkurs” zu fahren. Politik und eben auch Medien müssten sehr wohl mehr darauf achten, keinen Hass zu schüren.

Das ist die Stunde von Fabian Schütz. Der Ratsherr ohne Parteibuch (früher Kiditiative, dann AfD) feuert eine Reihe von inhaltlichen Einwänden und dann auch Geschäftsordnungsanträgen ab, um die Resolution ganz zu Fall zu bringen. Der Integrationsrat könne sich schön hinter solchen Texten verstecken, aber sie brächten weder den Frauen noch den Migranten etwas.

Eine Meinung, der sich Redouan Tollih anschließt. Er forderte „Praxis statt Theorie”, der Integrationsrat solle doch erst einmal selbst etwas auf die Beine stellen.

(Keine) Zeit für eine Grundsatzdiskussion

Die folgende Grundsatzdiskussion kann nur durch eine Abstimmung gebremst werden, ob eine solche Resolution überhaupt gewünscht sei. Dabei stimmen neun Mitglieder für eine Resolution, vier dagegen, zwei enthielten sich.

Die ersten beiden Absätze der Resolution: Der Integrationsrat der Stadt Bergisch Gladbach verurteilt sexuelle Gewalt und andere Straftaten gegenüber Frauen, wie sie in der Silvesternacht in Köln und anderen deutschen Städten stattgefunden haben. Wir sind bestürzt darüber, dass diese Taten offensichtlich von jungen Männern nordafrikanischer und arabischer Herkunft ausgeübt wurden, darunter leider auch kürzlich nach Deutschland gekommene Flüchtlinge.
Wir setzen uns dafür ein, dass allen Menschen, die nach Deutschland kommen, vermittelt wird, dass die Werte unseres Grundgesetzes – hier insbesondere Artikel 3 GG – und unsere Rechtsordnung Grundlage unseres Zusammenlebens sind.

Nun will sich der Iyilik daran machen, die Resolution Absatz für Absatz durchzuarbeiten – was angesichts der bereits 90-minütigen Sitzungsdauer Unmut hervorruft. „Die Presse” ist schon lange weg. Schütz fordert eine Vertagung, verliert die Abstimmung erneut mit 4:8 Stimmen. Auch die Forderung nach einer weiteren Unterbrechung wird abgelehnt.

Allenfalls, so Schütz, könne er sich mit den beiden ersten Absätzen der Resolution abfinden, wenn man den Rest streichen würde. Dafür findet er Unterstützung, vor allem auf der Seite der Ratsherren, aber auch bei den gewählten Vertretern.

Ein breiter Konsens? Von wegen!

Der Antrag, die Absätze eins und zwei (mit einer von Cromme vorgeschlagenen Ergänzung) der Resolution zu verabschieden, erhält 13 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen auf Seiten der Migrantenvertreter.

Zwei Absätze, immerhin. Nahezu einstimmig. Alles in Butter? Nein, ganz und gar nicht.

Denn rasch zeigt sich, dass der gerade abgestimmte Antrag völlig unterschiedlich interpretiert wird. Für die Ratsvertreter und einige andere ist klar, dass die Resolution auf zwei Absätze zusammen gestrichen wurde. Andere wollen jetzt die weiteren Absätze bearbeiten und abstimmen.

Viele Diskussionen und viele Formulierungsversuche später lässt Iyilik in vier Anläufen darüber abstimmen, wie die vorhergehende Abstimmung zu werten sei. Und siehe da: Sieben Mitglieder des Integrationsrats wollen die verkürzte Resolution, fünf plädieren für weitere Absätze, drei enthalten sich.

Damit steht die Mini-Resolution. Von einem breiten Konsens kann aber keine Rede sein.

Die gestrichenen Absätze der Resolution: Auch das Recht auf Asyl gehört zu den zentralen Grundrechten unserer Gesellschaft. Wir wenden uns entschieden gegen die pauschale Stigmatisierung von Menschen ausländischer Herkunft.
Wir stehen für eine vorurteilsfreie Herangehensweise.
Alle Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und Flüchtlinge, egal aus welcher Ecke dieser Welt sie kommen, unter Generalverdacht zu stellen, spaltet und polarisiert die Gesellschaft noch mehr als sie es ohnehin schon ist.
Gewalttätige “besorgte Bürger”, die jetzt die Gunst der Stunde nutzen und Flüchtlinge oder Menschen aus anderen Kulturkreisen verfolgen und massiv bedrohen und einschüchtern, müssen genauso strafrechtlich verfolgt werden.
Die Politik und die Berichterstattung der Medien stehen nun in der Verantwortung, gewissen Aussagen und Aktionen entgegenzutreten, um deutlich zu machen, dass Einzelfälle keine Rückschlüsse auf ganze Bevölkerungsgruppen erlauben.

„Armutszeugnis” für den Integrationsrat

Im Gegenteil. Bei der folgenden Aussprache brechen die alten Fronten voll auf. Ausgelöst hatte sie Cromme, der sich erkundigte, ob der Ende 2015 noch nicht ausgegebene Etat von 2600 Euro noch zur Verfügung stehe. Tut er natürlich nicht – alle Etatmittel verfallen am Ende eines Haushaltsjahres.

Über 7500 Euro verfügt der Integrationsrat pro Jahr, davon 2600 Euro ungenutzt verfallen zu lassen sei ein „Armutszeugnis” für den Integrationsrat, kritisiert Cromme.

Adnan Ljura, noch relativ neu im Integrationsrat, bekräftigt. Erst habe man 40 Minuten für eine völlig nutzlose Resolution vertan, jetzt das. Er sei vor der Wahl, so Ljura, vor dem Integrationsrat gewarnt worden: „Leider waren alle Warnungen richtig.”

„Wir reden viel, tun nichts”

Tollih, der schon länger dabei ist, bestätigt: „Wir reden viel, tun nichts.” Zehn Prozent des Etats strichen Mitglieder des Integrationsrats ein und reduzierten so die Mittel, die für Migrantenprojekte zur Verfügung stehen.

Der neue Vize-Vorsitzende Basyigit und Frank Samirae (Bürgerpartei GL) nehmen die Gegenposition ein. Die Kritik sei heuchlerisch, Projekte wie die Schwimmkurse für Flüchtlinge, vorgeschlagen von Samirae, seien doch abgelehnt worden. Viele Ratsmitglieder, so Samirae, würden nach Parteibuch entscheiden und im Stadtrat dem Integrationsrat in den Rücken fallen. Wogegen sich diese vehement verwehren. Und so weiter, und so fort.

Münzer verabschiedet sich. Sie habe gedacht, es ging ausnahmsweise mal schneller – und hat nach 150 Minuten einen Anschlusstermin.

Das Ego zurückstellen

Es folgen noch ein paar Tagesordnungspunkte (Anträge? Kein. Anfragen? Ja, eine von Samirae, die Verwaltung reicht die Antwort nach. Verschiedenes.)

Zeit für ein Schlusswort des Vorsitzenden Iyilik. Er würdigt den ausgeschiedenen Bartoszewicz, der seine Aufgaben gut gemacht habe. Die Tatsache, dass dieser Mann soweit gebracht wurde, alle Ämter nieder zu legen sei schon „harter Tobak”. Daher sei es jetzt an der Zeit, „das Ego zurückzustellen und gemeinsame Projekte zu machen.”

Damit ist die Sitzung beendet. Nach nur zwei Stunden. Und immerhin: Es gibt einen neuen ersten stellvertretenden Vorsitzenden. Und eine Mini-Resolution. Im April geht es weiter, mit einer Klausurtagung des Integrationsrats.

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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1 Kommentar

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  1. „only bad news are good news.“ Lautet so oder so ähnlich das Credo der Journaille?