Foto: Stadtverwaltung Beit Jala

Foto: Stadtverwaltung Beit Jala

Erneut traurige Nachrichten aus Beit Jala, Bergisch Gladbachs palästinensischer Partnerstadt im Westjordanland: Wie ARD-Tel Aviv Korrespondent Torsten Teichmann unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AFP über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilt, wird die israelische Trennungsmauer aktuell auf dem Stadtgebiet von Beit Jala weitergebaut.

Die Trennungsmauer ist äußerst problematisch im Friedensprozess zwischen Israel und Palästina, wenn nicht gar das Haupthindernis. Große Abschnitte verlaufen völkerrechtlich illegal auf palästinensischem Boden und schneiden somit zahlreiche Städte auseinander und berauben viele Familien und Bauern ihres Ackerlandes.

Reaktionen aus Beit Jala und Bergisch Gladbach

Beit Jalas Bürgermeister Nicola Khamis sagte, dadurch würden immer mehr Menschen, vor allem Christen, aus der Stadt fortgehen. Aktuelle Fotos vom heutigen Freitag aus Beit Jala zeigen das Ausmaß der fortgeschrittenen Bauarbeiten: Die Mauer wird unterhalb der nur für israelische Siedler benutzbaren Umgehungsstraße gebaut, mitten auf Beit Jalas Stadtgebiet und ohne erkennbaren geografischen Sinn, denn ihr Verlauf schneidet eine Straße und das Erholungsgebiet Cremisan von der Stadt ab.

Foto: Stadtverwaltung Beit Jala

Foto: Stadtverwaltung Beit Jala

Axel Becker, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Bergisch Gladbach – Beit Jala e.V. kommentiert die Vorgänge so: „Welche Verzweiflung  ergreift die Menschen in Bergisch Gladbachs Partnerstadt Beit Jala, wenn sie ohnmächtig zusehen müssen, wie noch am Montag sich die Bagger weiter den Hang hinauf durch die Olivenhaine arbeiten, und wie dann heute die meterhohen Mauerteile aufgestellt werden, wodurch das wunderschöne Cremisan-Tal Beit Jalas für immer verloren gehen wird?! Das macht mich ganz fertig.“

Eine Stellungnahme israelischer Behörden zum Thema war wie so oft nicht zu bekommen.

Revidiertes Gerichtsurteil ebnet Weg für Mauerbau

Beit Jalas stadtplanerische Entfaltungsmöglichkeiten sind ohnehin durch die bereits existierenden Sperranlagen sehr stark eingeschränkt bis unmöglich. Auf der unten stehenden Karte erkennt man gut, wie die Trennungsmauer den besiedelten Teil der Stadt abgrenzt und der Stadt im Grunde die letzten freien Landflächen abschneidet. Mittlerweile verlor Beit Jala mehr als 60% (!) des eigenen Stadtgebietes an die illegalen Landnahmen.

BJ Stadtgebiet

Seit vielen Jahren hat Beit Jala mit den Folgen und Auswirkungen der Mauer auf das Stadtgebiet zu kämpfen. Just vor wenigen Monaten erklärte das Oberste Gericht Israels die Mauer im Tal Cremisan für illegal. Kurz darauf revidierte das Gericht sein Urteil. Dies ebnete offenkundig den Weg für die erneuten illegalen Aktivitäten.

Beit Jala braucht jetzt mehr Unterstützung denn je

Die Gründe für den Mauerbau in Beit Jala liegen ebenfalls im Dunklen: Vor Terroristen aus Beit Jala muss man sich nicht fürchten, denn die Bevölkerung dort besteht überwiegend aus palästinensischen Christen, und der muslimische Bevölkerungsteil der Stadt lebt friedlich mit diesen beisammen.

Vielmehr liegen die Beweggründe der Behörden in strategischen Überlegungen, das Umland der Städte abzuschneiden und Umgehungsstraßen von und nach Jerusalem auszubauen, dessen Stadtgröße die israelische Regierung stets zu erhöhen versucht, indem sie die städtischen Außengrenzen erweitert.

Stadtgebietsverlust

Ein spürbarer Aufschrei der hiesigen, in Freundschaft mit Beit Jala verbundenen Bergisch Gladbacherinnen und Bergisch Gladbacher könnte den Menschen in der Partnerstadt zeigen, dass sie nicht allein sind. Und letztlich geht es darum, den Weiterbau der Mauer zu stoppen.

Im Oktober wird erneut eine Reisegruppe des Städtepartnerschaftsvereins Beit Jala besuchen. Es bleibt abzuwarten, welches Bild sich vor Ort bieten wird. Im Bürgerportal und auf Twitter (hashtag #BJ16) wird es eine Live-Berichterstattung während der Reise geben.

Proteste der Menschen in Beit Jala wird es sicherlich geben und auch unsere israelische Partnerstadt Ganey Tikva und deren Unterstützter sind in der Pflicht, in dieser Zeit der Beschädigung des friedlichen Zusammenlebens der israelischen Regierung Einhalt zu gebieten.

...ist freier Journalist, Medienmensch mit Berufserfahrung (u.a. phoenix/WDR/ZDF), Orientalist und Kaffeeliebhaber. Er ist verwurzelt in Bergisch Gladbach, aber leidenschaftlich verliebt in seine Wahlheimat Bonn.

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6 Kommentare

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  1. Einige Antworten an Heinz Haun:

    1. „Wenn die Trennanlage dem Schutz des Staates Israel und seiner Bürger dienen soll: Warum baute und baut man sie nicht auf der völkerrechtlich definierten Grenze, der sog. Green Line, die Israel seit 1967 vom Westjordanland trennt…“

    Ob die Trennanlage zum Schutz des Staates Israel und seiner Bürger da ist oder nicht, müsste doch daran gemessen werden, ob und ggf. wie stark der Rückgang der Selbstmordanschläge in Israel ausgefallen ist und nicht wo genau sie verläuft, meinen Sie nicht?

    Warum sollten die Israelis bei dem Mauerbau besonders auf Befindlichkeiten der Menschen achten, von denen sie gehasst werden und vor denen sie sich schützen wollen? Falls es noch nicht klar geworden ist – dort drüben ist Krieg. Und bevor die Mauer stand, haben hasserfüllte, fanatisierte Selbstmordattentärer, die sich aus genau jenen palästinensischen Bauern rekrutiert haben, in Israel Blutbäder angerichtet. Warum wird zwischen einem islamistischen Selbstmordattentäter in Israel und einem in z.B. Brüssel unterschieden? Das ist europäische Heuchelei.

    Übrigens verläuft auch in Bagdad eine Trennmauer zwischen den schiitischen und den sunnitischen Vierteln. Ob es wirklich an den israelischen Juden liegt, dass die Mauer in Israel notwendig geworden ist?

    2. Meiner Meinung nach der wichtigste Punkt bei dieser Debatte – Sie reden von einer sog. „green line“ von 1967.
    Wissen Sie eigentlich wie sie entstanden ist? Ägypten, Jordanien und Syrien haben Israel angegriffen (und das nicht zum 1. Mal) und diese Gebiete im Krieg verloren. Warum erwarten deutsche Intellektuelle von Israel, wie selbstverständlich, dass
    es im (Verteidigungs- !!)Krieg mit Blut eroberte Gebiete abgibt? Wofür? Sind etwa die Ursachen, die damals die Araber dazu bewegt haben Israel anzugreifen plötzlich weggefallen? Erwarten Sie auch von Russland die Rückgabe von Königsberg oder von Polen die von Ostpreußen? Natürlich nicht. Was soll in Israel anders sein?

    3. „Woher stammt die Aussage, dass “die Palästinenser ihre Kinder in Hass großziehen”? Und selbst wenn es so wäre: Könnte man Hass nicht als eine nachvollziehbare menschliche Reaktion auf Entrechtung nachvollziehen?“

    Mit dieser Frage offenbaren Sie, dass Sie sich entweder kaum mit dem Thema Nahostkonflikt beschäftigen
    oder dass Sie diese Tatsache bewusst oder unbewusst übersehen. Dazu rate ich Ihnen als Erstes nach palästinensischen
    Kindersendungen bei Memri suchen. Hier ist ein Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=57Q8K5TmivM

    Und nein, diesen Hass kann man nicht als menschliche Reaktion auf Entrechtung nachvollziehen.
    Dieser Hass reicht weit zurück, in die Zeiten vor der Gründung des Staates Israel und vor der „illegalen“
    Besetzung der Gebiete westlich des Flußes Jordan.

    War denn etwa der Hass des Mufti von Jerusalem (die palästinensische Identitätsfigur) auf Juden, der mit Hitler paktiert hat
    und mit ihm „Ideen“ ausgetauscht hat, vielleicht auch eine menschliche Reaktion auf Entrechtung?

    Es gibt einen Unterschied zwischen einer menschlichen Reaktion auf irgendwas und einer systematischen Vorgehensweise,
    wo Generationen von Kindern herangezogen werden, für die das Töten von Juden eine Tugend ist. Vielleicht erkennen
    auch Sie diesen.

    Fragen Sie sich auch bei den Israelis ob deren Handlungen als eine
    menschliche Reaktion auf den Hass, der Ihnen entgegenschlägt zu werten sind?

    Ja, meine Haltung ist bewusst proisraelisch, es gibt auch Recht auf der anderen Seite.
    Aber die Diskussion in Deutschland ist so überwiegend moralinsauer heuchlerisch propalästinensisch,
    dass ich bewusst ein Statement dagegen setzen möchte.

    Ich bin immer wieder erstaunt, was manche so übersehen können nur um das eigene Weltbild nicht zu zerstören.

    Einen schönen Tag noch,
    frager.

  2. Einige Fragen an „frager“:
    Wenn die Trennanlage dem Schutz des Staates Israel und seiner Bürger dienen soll: Warum baute und baut man sie nicht auf der völkerrechtlich definierten Grenze, der sog. Green Line, die Israel seit 1967 vom Westjordanland trennt, sondern ganz überwiegend und z.T. bis zu 20 km weit hinein auf besetztem palästinensischen Gebiet?
    Welcher produktiver Gedanke könnte sich damit verbinden, dass man durch den Bau der Trennanlage palästinensische Bauern nicht mehr auf ihre Felder und Äcker lässt (zumindest die Wege dorthin erheblich erschwert)?
    Welchen passenden Begriff könnte man noch verwenden, wenn man diese Vorgänge nicht „Landraub“ nennen wollte?
    Woher stammt die Aussage, dass „die Palästinenser ihre Kinder in Hass großziehen“? Und selbst wenn es so wäre: Könnte man Hass nicht als eine nachvollziehbare menschliche Reaktion auf Entrechtung nachvollziehen?
    HD Haun, Bergisch Gladbach

  3. Die Mauer ist also das Haupthindernis für den Frieden, Herr Faber? So so… Und was war das Haupthindernis zur Zeiten vor der Mauer, als israelische Busse, Restaurants und Discos von Bomben zerfetzt wurden? Wahrscheinlich auch von den Israelis zu verantworten?

    Ich bin mir sicher, auch von Bergisch Gladbach aus ist es möglich den Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Selbstmordanschläge in Israel und der Mauer zu erkennen (wie auch den Hass, in dem die Palästinenser ihre Kinder großziehen). Den Wunsch dazu vorausgesetzt, natürlich… Aber naja, vielleicht wird sich das im Laufe der intensiven deutsch-israelischen Freundschaft ändern..

  4. War im Herbst 2015 im Rahmen der Städtepartnerschaft GL-Beit Jala dort vor Ort. Es ist exakt so, wie es der professionell recherchierte Beitrag von Fabian Felder beschreibt. Man kann das Unrecht der Landnahme und Zerstörung, das im Westjordanland – weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit – Alltag ist, gar nicht klar genug beim Namen nennen. Weil es friedliche Menschen verarmen lässt, entwurzelt und jede Friedenshoffnung untergräbt. Diese Szene ist mir unvergesslich: Der Protest-Gottesdienst von palästinensischen Christen und Geistlichen an der Mauer-Baustelle wurde von schwerbewaffneten israelischen Soldaten „bewacht“, leergeschossene Tränengas-Patronen lagen noch im Straßenstaub. Es wäre toll, wenn aus der Partnerstadt Ganey Tikva ein Zeichen käme, aber nach meinem Eindruck schirmt die israelische Regierung die Öffentlichkeit gezielt vom Wahnsinn der Siedlerbewegung ab. Jörg Bärschneider, Rösrath