Ausgaben für Flüchtlinge steigen um 50 Prozent
Bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs für das laufende Jahr hatte die Stadtverwaltung im Herbst mutige Annahmen treffen müssen – denn niemand wusste, wieviele Flüchtlinge nach Bergisch Gladbach kommen und wie sich die Kosten entwickeln. Inzwischen ist die Stadt ein Stück klüger.
Einerseits geht die Verwaltung jetzt davon aus, im Jahresschnitt „nur” 1950 Personen unterbringen zu müssen – und nicht 2200, wie prognostiziert. Bleibt es dabei, dann spart die Stadt gegenüber dem Haushaltsplan zwei Millionen Euro an Leistungen für die Flüchtlinge ein. Das geht aus einem Papier hervor, dass die Verwaltung für die Sitzung des Sozialausschusses am Donnerstag vorbereitet hat (Details & Dokumentation s.u.).
Andererseits ist die Unterbringung der Menschen in Wohnungen und Großeinrichtungen um 7,5 Millionen teurer als angenommen.
Damit erhöhen sich die direkten Ausgaben der Stadt, die im Bereich „Asyl und Integration” ausgewiesen werden, unter dem Strich um 5,5 auf 33,7 Millionen Euro.
Gleichzeitig bleibt die Kostenerstattung des Landes mit nur 12,6 Millionen um fast zehn Millionen Euro hinter den Erwartungen zurück.
Damit fehlen der Stadt im Kernhaushalt gegenüber dem verabschiedeten Etat weitere 15,3 Millionen Euro.
Zur Erinnerung: Im Haushaltsplan steht bei Gesamtausgaben von 289 Millionen ein Minus von 15,2 Millionen. Damit würde sich das Defizit auf 30,5 Millionen gegenüber den im Dezember verabschiedeten Zahl glatt verdoppeln:
Eckdaten: GrundSt B steigt auf 545 PP. Bei Ausgaben von 289 Mio bleibt eine Neuverschuldung von 15,2 (2017: 14) Mio Euro. #gl1
— Bürgerportal (@i_GL) December 15, 2015
Ob dafür im Rahmen des Haushaltssicherungskonzeptes noch genügend Spielraum besteht oder ob die Stadt in der Konsequenz an anderer Stelle sparen bzw. die Gewerbesteuern erhöhen muss, bleibt vorerst offen.
Zu entsprechenden Fragen des Bürgerportals will sich Kämmerer Jürgen Mumdey am Mittwoch öffentlich äußern. Allerdings gibt es unter Umständen Möglichkeiten, wenigstens einen Teil der Mehrausgaben abzufangen, heißt es im Rathaus.
Weniger Flüchtlinge, weniger direkte Leistungen
Die Hauptursache für die Kostenexplosion liegt demnach nicht in der Zahl der Flüchtlinge begründet. Denn die ist im ersten Quartal sogar gesunken, im Moment bekommt die Stadt keine neuen Zuweisungen. Selbst wenn ab Mai wieder jeden Monat 100 Menschen hinzukommen wären es am Jahresende nur 2400 Menschen. Bislang war die Stadt von 2800 ausgegangen. Ende 2015 waren es 1600 Menschen.
Weniger Flüchtlinge heißt, dass die Stadt weniger für direkte Zahlungen und Krankenhilfe aufbringen muss. Der Etatansatz dafür sinkt also von 20 auf 18 Millionen Euro.
Kosten für Großunterkünfte explodieren
Allerdings sind die tatsächlichen Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge weitaus höher, als die Stadtverwaltung zuvor angenommen hatte. Inzwischen bringt die Stadt die Menschen in 17 verschiedenen Einrichtungen unter, die größer als 25 Betten sind. Darunter zählt vor allem die Zeltstadt in Katterbach, aber auch die Turnhallen bzw. Container in Refrath und Frankenforst, Haus Pohle in Schildgen und das Lübbe-Haus in Heidkamp – sowie die geplanten Containeranlagen in Paffrath und Lückerath.
Lesen Sie mehr zum Haushalt 2016
Ein Haushalt mit begrenzter Gültigkeit
Was Sie über den Doppeltat 2016/2017 wissen müssen
Alle Beiträge zum Etat 2016
Nur die Erstaufnahmen in Sand und in der Feldstraße werden direkt vom Land finanziert. Hier kalkuliert die Stadt mit Kosten und Einnahmen von 2,4 Millionen Euro. Sand soll im Sommer geschlossen werden; die Feldstraße soll in die Verantwortung der Stadt wechseln und muss damit auch von ihr finanziert werden.
Offenbar sind es vor allem die externen Dienstleistungen, die alle Kalkulationen über den Haufen geworfen haben und die nicht direkt von der Zahl der Flüchtlinge abhängig sind. In der Vorlage heißt es:
„Aus heutiger Sicht – nachdem nun mehrmonatige Erfahrungen mit dem Betrieb von Großstandorten bestehen – sind die Haushaltsansätze zu aktualisieren. An externen Dienstleistungen für Großstandorte fallen insbesondere an: Catering, Wäscherei, Wachdienste, Unterhaltsreinigungen, DRK-Personal, Miete Sanitäreinrichtungen, Miete Stromaggregate, Miete Leichtbauhallen usw.”
Angesetzt worden waren für diese Ausgaben im Oktober 2015 8,14 Millionen Euro, jetzt rechnet die Verwaltung mit 15,64 Millionen Euro. Ein Kostenanstieg um 7,5 Millionen oder 92 Prozent. Im Klartext: Die Stadt muss fast doppelt soviel für die Unterbringung ausgeben als erwartet. Eine Entwicklung, die im vergangenen Herbst nicht abzusehen gewesen sei.
Erstattung durch das Land bleibt weit hinter Plan zurück
Gleichzeitig hat sich die Verwaltung bei den Erwartungen, wieviel der Ausgaben durch das Land NRW erstattet werden, gründlich verkalkuliert. Politisch hatte Bürgermeister Lutz Urbach immer wieder gefordert, dass Düsseldorf (wie es einige andere Bundesländer machen) die kompletten Kosten ersetzt, doch ohne Aussicht auf Erfolg.
Auf Druck der Kommunen hat das Land zwar die Höhe des eigenen Beitrags deutlich nach oben gesetzt, von einer Vollkostenerstattung ist man noch immer weit entfernt.
Hintergrund: Nach wie vor wird die Erstattung auf der Basis einer Quote verteilt: Bergisch Gladbach erhält aufgrund von Einwohnerzahl und Fläche exakt 0,5887819910 Prozent der NRW-Mittel für diesen Zweck. Der Stadt wurden zum Stichtag 1.1.2015 genau 1261 Flüchtlinge angerechnet (tatsächlich waren es 1600), für die pro Kopf 10.000 Euro gezahlt werden. Damit erhält Bergisch Gladbach für das Gesamtjahr 12,6 Millionen Euro Landeszuweisungen. Die Berechnung ist Folge eines Kompromisses, auf den sich der Städte- und Gemeindebund NRW (in dem Bürgermeister Urbach Präsidiumsmitglied ist) und die Landesregierung geeignet hatten. Erst 2017 soll das Land einen festen Betrag für jeden Asylbewerber erstatten, der tatsächlich in einer Kommune untergebracht sind.
Im Ergebnis rechnet die Stadtverwaltung also damit, in diesem Jahr 33,7 Millionen Euro direkt für Flüchtlinge ausgeben zu müssen. Dazu steuert das Land 12,7 Millionen bei, was einer Erstattungquote von 38 Prozent entspricht. Hinzu kommen allerdings noch 5,7 Millionen sonstiger Entgelte und Erstattung (vor allem des Bundes). Damit steigt die Erstattung auf 55 Prozent.
15,3 Millionen: Stadt bleibt auf Hälfte der direkten Kosten sitzen
Anders ausgedrückt: knapp die Hälfte der direkten Flüchtlingskosten, nämlich 15,3 Millionen Euro, trägt die Stadt selbst. Das sind umgerechnet pro Einwohner und Jahr 140 Euro.
Hinzu kommen die indirekten Kosten – wie für den Personalaufwand an Hausmeistern, Sozialarbeitern oder Erziehern, die im Haushalt nicht gesondert ausgewiesen werden. Und auch die Kosten für den Ankauf der Container und die Erschließungskosten in Paffrath und Lückerath sind nicht enthalten, diese werden über den Investitionshaushalt gebucht. Bei den indirekten Kosten, so die Stadtverwaltung, seien jedoch derzeit keine Ausgabensteigerungen gegenüber dem Haushaltsplan absehbar.
Weitere Informationen:
Alle Beiträge zum Thema Flüchtlinge in Bergisch Gladbach
So können Sie helfen: alle Ansprechpartner
Zunächst stehen Stadtverwaltung und Stadtrat jetzt vor der Frage, wie die Mehrkosten von 15,27 Millionen Euro im aktuellen Haushalt dargestellt werden sollen. Die Stadt befindet sich im Haushaltssicherungsverfahren, da kann sie das Defizit nicht ohne Genehmigung der Kommunalaufsicht erhöhen.
Nachtragshaushalt, Ausgabenkürzung, Steuererhöhung?
Landesinnenminister Ralf Jäger hatte den Landräten in ihrer Eigenschaft als Kommunalaufseher zwar aufgetragen, nach individuellen Lösungen zu suchen – aber das geht nur in einem engen Rahmen.
Zur Frage des Bürgerportals, ob damit ein Nachtragshaushalt, womöglich Ausgabenkürzungen an anderer Stelle oder weitere Steuererhöhungen auf der Agenda stehen, will sich Kämmerer Jürgen Mumdey am Mittwoch öffentlich äußern. Allerdings gibt es noch Spielraum, wenigstens einen Teil der Mehrausgaben abzufangen, heißt es im Rathaus. Am Donnerstag steht das Thema im Sozialausschuss auf der Tagesordnung.
Dokumentation: Die Verwaltungsvorlage für den Ausschuss