Benedikt Bräunlich, sachkundiger Bürger und Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes vor dem historischen Rathaus in Bergisch Gladbach

Benedikt Bräunlich ist als sachkundiger Bürger und Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes häufig im Rathaus. Was er dabei an Geld mitnimmt? Nichts. Details siehe unten

Grundsätzlich arbeiten Bergisch Gladbachs Kommunalpolitiker ehrenamtlich. Mit Ausnahme des hauptamtlichen Bürgermeisters sitzen im Stadtrat nur Feierabendpolitiker. Als Ausgleich für ihre Mühe erhalten Ratsmitglieder und sachkundige Bürger allerdings eine Aufwandsentschädigung, Sitzungsgelder und Erstattungen. Dabei kommt ein Betrag von mehr als 400.000 Euro pro Jahr zusammen.

Diese Zahlungen sind durch die Debatte, wie viele sachkundige Bürger der Stadtrat der neuen Fraktion „Die Linke mit Bürgerpartei GL” zubilligt, in die Aufmerksamkeit gerückt. Ratsmitglieder aus den Reihen von CDU, SPD und Grünen hatten vor allem der Bürgerpartei von Frank Samirae vorgeworfen, eigene Unterstützer auf Kosten der Stadtkasse zu alimentieren. „Abzocker” lautetet ein Zwischenruf in der Sitzung.

Das wirft Fragen auf:

  1. Um wieviel Geld geht es insgesamt?
  2. Wieviel Geld nimmt der einzelne Lokalpolitiker mit nach Hause?
  3. Welche Summe hat der Stadtrat durch diese Entscheidung eingespart?

Soviel vorab: Auf den Euro genau lassen sich nur pauschale Summen nennen, konkrete personenbezogene Angaben verhindert der Datenschutz. Daher muss man mit Durchschnittswerten und freiwilligen Aussagen einzelner Ratsmitglieder auskommen.

Dabei wird klar: Die Durchschnittssummen sind eher knapp bemessen, zudem bleibt oft nur ein kleiner Teil im Portemonaie der Ratsmitglieder. Viele von ihnen verzichten zudem auf einen Teil der Ansprüche. Das heißt aber auch, dass einige Ratsmitglieder und sachkundigen Bürger offenbar herausholen, was herauszuholen ist. Dabei können im Einzelfall dann doch erkleckliche Summen zusammen kommen.

418.366 Euro für das gesamte Stadtparlament und die Beiräte

An alle Mitglieder des Stadtrates, die sachkundigen Bürger sowie an die Mitglieder des Senioren-, Inklusions- und Integrationsbeirates  wurden nach Angaben der Stadtverwaltung im vergangenen Jahr 418.366 Euro ausgezahlt. In Form von Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgeldern, Fahrtkosten und Verdienstausfall. Im Vorjahr war die Summe minimal höher.

Auf die Höhe der individuellen Zahlungen haben die ehrenamtlichen Lokalpolitiker keinen Einfluss, das wird in der NRW-Gemeindeordnung festgeschrieben, Details dokumentieren wir unten.

Die Stellschraube für den Rat: Zahl der sachkundigen Bürger

Wer von den Zahlungen profitiert, entscheidet zunächst der Wähler. Der Stadtrat kann nur an einer Stelle mehr oder weniger großzügig sein: in der Entscheidung, wieviele sachkundige Bürger jeder Fraktion zugestanden werden. Die bekommen zwar keine pauschale Aufwandsentschädigung, können aber Sitzungsgelder und Verdienstausfall geltend machen.

Hintergrund: Sachkundige Bürger werden von den Fraktionen vorgeschlagen und können … laut § 58 Abs. 3 der Gemeindeordnung vom Rat gewählt und in die Ausschüsse entsandt werden. Damit sollen die Ausschüsse die Möglichkeit bekommen, zusätzlichen Sachverstand dazu zu holen. Sie werden von Fraktionen auch genutzt, um Nachwuchskräfte auf die Arbeit im Rat vorzubereiten. Ein Sachkundenachweis wird nicht verlangt.

Bislang hatte die Linke sieben sachkundige Bürger entsandt, weitere drei waren von der inzwischen aufgelösten BfBB nominiert worden, die mit der Linken kooperiert hatten. Die Bürgerpartei GL durfte keine sachkundigen Bürger stellen, weil sie nur mit dem Einzelratsmitglied Samirae im Rat vertreten war.

Nun, nachdem Samirae der Linken-Fraktion beigetreten war, wollte diese Gruppierung 22 sachkundige Bürger entsenden, 120 Prozent mehr als zuvor. Dem schob der Stadtrat auch aus Kostengründen einen Riegel vor und begrenzte die Zahl der Sachkundigen für kleine Fraktionen auf neun Personen.

Damit verhinderte der Stadtrat die Zahlungen für 13 sachkundige Bürger aus den Reihen von „Linke mit Bürgerpartei GL”. Wie hoch die entsprechende Summe ist lässt sich nur näherungsweise kalkulieren. Aber versuchen wir es.

46.584 Euro für 44 Sachkundige

2015 gab es 44 sachkundige Bürger. Dabei nominierte die CDU 4, die SPD 8, die Grünen 0,  die FDP 9, die Linke 11 und die AfD (später Alfa) 12. Insgesamt wurden 2015 an die sachkundigen Bürger 46.584 Euro ausgeschüttet.

Damit ergibt sich ein Pro-Kopf-Salär im Jahr von 1060 Euro. Im Schnitt eine bescheidene Summe für den Aufwand, den diese Bürger, die in bis zu drei Ausschüssen mitarbeiten und in der Regel auch an den Fraktionssitzungen teilnehmen, betreiben.

Die Einsparung, die der Rat mit der Begrenzung der Zahl der sachkundigen Bürger erreicht hat, beläuft sich damit  bei Durchschnittsannahmen auf rund 13 x 1060 = 13.780 Euro.

Allerdings, die 1060 Euro pro Kopf sind ein Durchschnittswert. Ein sachkundiger Bürger könnte auch deutlich mehr herausholen, 4600 Euro sind locker drin (s.u. Idealtypus 2), im Extremfall auch noch etwas mehr. Angenommen, dass alle jetzt verhinderten 13 Sachkundigen zu diesem Extremabrechnern gehört hätten, dann würde das Einsparvolumen schon fast 60.000 Euro betragen.

Womit auch Frage Nummer 3 beantwortet wäre.

20 Euro pro Sitzung können Ratsmitglieder zusätzlich abrechnen.

20 Euro pro Sitzung können Ratsmitglieder zusätzlich abrechnen.

Der Löwenanteil geht an Ratsmitglieder

Bleibt Frage 2: Was nimmt ein Lokalpolitiker mit nach Hause? Immerhin 413.787 Euro und damit 99 Prozent der Gesamtausgaben gingen an den Stadtrat, nur 4569 Euro flossen an die Mitglieder der drei Beiräte (Integration, Inklusion, Senioren).

Innerhalb des Stadtrates wiederum ging der Löwenanteil von 365.936 Euro an die 62 Ratsmitglieder. Das sind pro Kopf und Jahr 5.902 Euro.

Schauen wir uns die Zahlungen an den Stadtrat genauer an, dann fällt auf, dass hier knapp die Hälfte auf die pauschalen Aufwandsentschädigungen entfallen, die jedem Mitglied automatisch zustehen. Ein Viertel des Geldes wurden in Form von Sitzungsgeldern ausgezahlt. Nur knapp sechs Prozent sind dem Verdienstausfall zuzurechnen.

20 Prozent der Gesamtsumme für die Führungskräfte

Ein weiteres Fünftel der Gesamtsumme ging in Form zusätzlicher Aufwandsentschädigungen an die Führungskräfte im Rat: die drei stellvertretenden Bürgermeister sowie die (stellvertretenden) Fraktionsvorsitzenden. Das waren immerhin fast 70.000 Euro für eine überschaubare Personengruppe.

Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD erhalten dadurch viermal soviel wie normale Ratsmitglieder. Bei Fraktionen mit mehr als zehn Mitgliedern erhält zudem ein stellvertretender Vorsitzender den doppelten Satz (das ist bei der SPD der Fall), bei mehr als 20 Mitgliedern (wie bei der CDU) können zwei stellvertretende Vorsitzende den doppelten Satz abrechnen.

Alle Zahlungen jenseits eines Freibetrages von 177 Euro im Monat (bei Fraktionschefs ein mehrfaches davon) müssen versteuert werden, nur die Auslagen für Fahrkosten sind steuerfrei.

Datenschutz: Keine Angaben über einzelne Personen

Wie hoch die Zahlungen an einzelne Ratsmitglieder oder sachkundige Bürger waren, teilt die Stadtverwaltung aus Datenschutzgründen nicht mit.

Aufgrund der allgemeinen Angaben lässt sich nur idealtypisch nachvollziehen, welche Ansprüche bestimmte Lokalpolitiker haben. Ob und in welchem Umfang sie Kann-Leistungen wie den Verdienstausfall oder die Erstattung von Fahrtkosten überhaupt beantragt haben, bleibt ebenfalls offen. Viele Ratsmitglieder sagen von sich, dass sie noch nie einen Verdienstausfall berechnet hätten.

Der neu gewählte Stadtrat im Herbst 2014

Der neu gewählte Stadtrat im Herbst 2014 (Ausschnitt)

Soviel könnten einzelne Lokalpolitiker beziehen

Bei den folgenden Beispielen gelten diese Annahmen: 5 Ratssitzungen, 18 Ausschusssitzungen (bei Mitgliedschaft in 3 Ausschüssen), 40 Fraktionssitzungen. Auch Arbeitskreise der Fraktionen können abgerechnet werden, die lassen wir hier aber außen vor; maximal wären für Ratsmitglieder 80 (!) Fraktionssitzungen drin.

Bei den Summen handelt es sich um Jahresangaben. Bitte klicken Sie auf die jeweilige Zeile, dann öffnen sich die Detailangaben.

Idealtypus 1: das einfache Ratsmitglied – 4662 Euro
Pauschale Aufwandsentschädigung: 12 x 285,60 = 3427,2 Euro
Sitzungsgeld: 63 x 19,60 = 1234,80
Gesamt: 4662 Euro (388 Euro/Monat)
Idealtypus 2: der maximierende sachkundige Bürger – 4600 Euro
Sitzungsgeld: 63 x 30 = 1890 Euro
Fahrkosten bei 10 km pro Sitzung: 190 Euro
Verdienstausfall für im Schnitt 2-stündige Sitzungen: 63 x 40 = 2520 Euro
Gesamt: 4600 Euro (383 Euro/Monat)
Idealtypus 3: Das durchschnittliche Ratsmitglied – 5902 Euro
Berechnung s.o.
Gesamt: 5902 Euro (492 Euro/Monat)
Idealtypus 4: das maximierende einfache Ratsmitglied – 7372 Euro
Pauschale Aufwandsentschädigung: 12 x 285,60 = 3427,2 Euro
Sitzungsgeld: 63 x 19,60 = 1234,80
Fahrkosten bei 10 km pro Sitzung: 190 Euro
Verdienstausfall für im Schnitt 2-stündige Sitzungen: 63 x 40 = 2520 Euro
Gesamt: 7372 Euro (614 Euro/Monat)
Idealtypus 5: der Chef einer großen Fraktion – 14.943 Euro
Pauschale Aufwandsentschädigung: 12 x 285,60 x 4 = 13708,8 Euro
Sitzungsgeld: 63 x 19,60 = 1234,80
Gesamt: 14.943,6 Euro (1245 Euro/Monat)
Idealtypus 6: der maximierende Chef einer großen Fraktion – 17.653 Euro
Pauschale Aufwandsentschädigung: 12 x 285,60 x 4 = 13708,8 Euro
Sitzungsgeld: 63 x 19,60 = 1234,80
Fahrkosten bei 10 km pro Sitzung: 190 Euro
Verdienstausfall für im Schnitt 2-stündige Sitzungen: 63 x 40 = 2520 Euro
Gesamt: 17.653 Euro (1471 Euro/Monat)

Zur Erinnerung und zur Sicherheit: bei diesen Beispielen handelt es sich NICHT um reale Personen, sondern um hypothetische Idealtypen.

Weitere Bezüge für Sonderaufgaben und Doppelmandate

Hinzu kommen, gerade für die Führungskräfte, noch einige Bezüge aus Aufsichtsräten. So bezieht zum Beispiel Klaus Orth (SPD) für sein Mandat als Aufsichtsratschef der Belkaw 5800 Euro im Jahr, die anderen sieben Ratsmitglieder (darunter auch SPD-Fraktionschef Klaus Waldschmidt) und der Bürgermeister jeweils 2600 bzw. 2800 Euro.

Andere Ratsmitglieder sind als Geschäftsführer oder Pressesprecher für ihre Fraktionen tätig und beziehen dafür ein Gehalt, das aus den Leistungen der Stadt an die Fraktionen (Basisbetrag plus Pauschale pro Mitglied) gezahlt werden.

Weitere Ratsmitglieder haben weitere Mandate, sitzen zum Beispiel als sachkundige Bürger in der Versammlung des Landschaftsverbandes Rheinland. Einige Personen sind (vor allem bei Linke und Alfa) sowohl im Stadtrat wie im Kreistag als Mitglieder bzw. sachkundige Bürger tätig.

Was am Ende übrig bleibt

Die Frage, wie viel Geld die Kommunalpolitiker mit nach Hause nehmen, ist damit allerdings immer noch nicht beantwortet. Denn von den ausgezahlten Mittel geben sie einen Teil gleich wieder für Benzin oder für Blumensträuße und andere Ausgaben im Rahmen ihrer Tätigkeit aus. Ein weiterer Teil fließt mehr oder weniger freiwillig an die eigene Fraktion oder Partei.  Einige Lokalpolitiker spenden die Zahlungen zum Teil oder komplett.

Wir haben daher alle Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat um eine Stellungnahme zu den finanziellen Vergütungen gebeten.

Aus den Antworten wird klar, dass es erstens am einzelnen Lokalpolitiker liegt, wieviel Geld er beansprucht. Und zweitens, wieviel er von dem Geld für sich behält. Wir dokumentieren die Stellungnahmen in Auszügen.

Das sagen die Politiker selbst

Lennart Höring, Ratsmitglied der CDU und Fraktionsgeschäftsführer
Ob ein Ratsmitglied Verdienstausfall geltend machen kann, hängt davon ab, ob er/sie Verdienstausfall hat. So hat unser Fraktionsvorsitzender (einer großen Fraktion) nie Verdienstausfall geltend machen können, da er als Lehrer keinen solchen hatte. Angestellte müssen den Ausfall individuell nachweisen.

Ich zum Beispiel habe keinen Verdienstausfall, da ich mein Ratsmandat in meiner freien Zeit wahrnehme. Das Thema Verdienstausfall sprich daher eigentlich nur die Selbständigen unter den Ratsmitgliedern an. Zudem sind Teile der Aufwandsentschädigungen steuerpflichtig sind. Zudem geben in den meisten Parteien die Ratsmitglieder eine freiwillige Spende ab. Bei uns sind dies 20 Prozent. Damit beteiligen sich die Ratsmitglied z.B. an den Kosten für den Wahlkampf.

Im Endeffekt wird man damit weder reich, noch kann ernsthaft seinen Lebensunterhalt bestreiten. Wenn man die Stunden dagegen rechnet (63 Sitzungen, die im Schnitt sicher eher 2 Stunden plus dauern zzgl. der An- und Abfahrtszeit zzgl. Vorbereitung), ist das sicherlich deutlich über dem Mindestlohn, aber es ist halt keine Arbeit.

Klaus Waldschmidt, Fraktionschef der SPD
Die Ansprüche von kommunalen Mandatsträgern sind durch Verordnung des Landes NRW geregelt. Die Kommune hat hierzu keine Regelungsbefugnis. Der Verdienstausfall soll finanzielle Nachteile durch die Ausübung des Ehrenamtes ausgleichen. Unsere Ratsmitglieder führen 40 Prozent der Aufwandsentschädigungen an die Partei ab. 
Jörg Krell, Fraktionschef der FDP
Es ist üblich, dass von den Aufwandsentschädigungen ein erheblicher Teil an die Parteien abgeführt wird. Die Mandatsträger leisten damit einen signifikanten Beitrag zur Finanzierung der politischen Arbeit der Parteien. Ferner müssen Teile der Aufwandsentschädigungen versteuert werden. Mit den Bruttozahlungen entsteht ein schiefes Bild.

Ich persönlich habe noch nie Verdienstausfall oder Fahrtkosten geltend gemacht und werde das auch in Zukunft nicht tun.

Torsten Jungbluth, Fraktionschef Alfa

Die Ratsmitglieder und sachkundigen Bürger der ALFA-Fraktion machen grundsätzlich im Rahmen der Verordnung des Landes NRW ihre Aufwandsentschädigung geltend. Manche beantragen zusätzlich zum Sitzungsgeld mal mehr, mal weniger regelmäßig Fahrtkostenerstattung.

Dabei haben wir das Wirtschaftlichkeitsprinzip stets im Blick. Das bedeutet, dass wir erstens bei den Arbeitskreisen mit einer personell „schlanken“ Besetzung arbeiten, woraus sich eine geringe Zahl von „Abrechnern“ ergibt. Außerdem legen wir, wann immer möglich (also praktisch immer), mehrere Sitzungen (insbesondere Arbeitskreissitzungen) zu einem Gesamttermin zusammen und rechnen dann auch nur diesen einen Termin ab, obwohl pro Arbeitskreissitzung eine separate Abrechnung mit entsprechendem zusätzlichen Sitzungsgeld möglich wäre.

Innerhalb der ALFA-Fraktion bin ich der einzige Selbstständige. Die Sitzungszeiten kollidieren in meinem Fall mit den „Premiumzeiten“ für Kundentermine, weshalb zwangsläufig Verdienstausfall entsteht. Diesen habe ich bisher in zwei oder drei von vierundzwanzig Monaten in der durch die Verordnung des Landes begrenzten Höhe geltend gemacht.

Detaillierte Hinweise darauf, wie viel jedes Fraktionsmitglied durch Abführung von Geldern oder durch unentgeltliche Arbeit zur Finanzierung der Partei beiträgt, kann ich nicht liefern, weil mir die Zahlen nicht im Detail vorliegen. Es ist immer signifikant und teilweise erheblich, aber wohl eher für die Parteimitglieder als für die Leser von Interesse.

Da unsere Sitzungen überdurchschnittlich spät enden, würde ein noch größerer Teil der Sitzungsgelder für die Belebung der Bergisch Gladbacher Gastronomie verwendet werden als bisher, wenn die meisten Küchen nicht schon so früh schließen würden. So wie die Dinge in der Bergisch Gladbacher Innenstadt liegen, muss es nach den Sitzungen meist bei einem „Absacker“ bleiben, der mit Blick auf die Verkehrssicherheit auch noch durch alkoholfreie Getränke dominiert wird. Ich denke, dass den Lesern hierdurch das harte Los der Kommunalpolitiker (zumindest derer, die erst spät tagen können) besonders drastisch vor Augen geführt wird.

Frank Samirae, stellvertretender Fraktionsvorsitzende „Die Linke mit Bürgerpartei GL
Sitzungsgeld, Fahrtkosten, Verdienstausfall und pauschale Aufwandsentschädigung von mir als Ratsmitglied werden durch Verordnung des Landes NRW geregelt. Von dem, was am Monatsende herauskommt, geht ein guter Teil als Spende in die Parteikasse, um zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit finanzieren zu können.

Für mich als ehemaliges Einzelratsmitglied oder jetzt als Fraktionsmitglied einer kleinen Fraktion müssen viele Aufgaben von mir selbst erledigt werden. Da kann der Arbeitsaufwand schnell 20 – 30 Stunden pro Woche betragen. Aber nur für die offiziellen Treffen wie zum Beispiel Rats-, Fraktions- und Ausschusssitzungen sowie die vorbereitenden Arbeitskreise können Aufwände abgerechnet werden.

Was am Monatsende übrig bleibt, ist eine kleine Anerkennung für die geleistete Arbeit. Zum Vergleich: Ein Tagessatz in der IT-Branche liegt deutlich darüber.

Tomas M. Santillan, fraktionsloses Ratsmitglied der Linken
Als Fraktionsloser zähle ich zu den unterdurchschnittlichen Ratsmitgliedern, denn wir können nur zwölf Sitzungen abrechnen (6x HFA und 6x Rat). Ich habe meine Arbeitszeiten als Selbstständiger so gelegt, dass ich zu den wenigen Sitzungen auch Zeit habe und keinen Verdienstausfall und keine Fahrtkosten abrechne. Die wöchentlichen Bürgersprechstunden und Treffen der Linken-Basisgruppe kann ich nicht abrechnen und fallen in meine Freizeit. Wir reden bei mir also von 305,60 Euro.

Von der Aufwandsentschädigung gehen 30 Prozent an die Linke, damit bleiben 219,92 Euro übrig, um meinen Aufwand und Fahrtkosten zu decken. Da ich ja Sprechstunden und Treffen mit Bürgern zu Sachthemen habe, mich sehr intensiv vorbereitet und recherchiere, komme ich auf deutlich mehr als 30 Stunden Aufwand im Monat. Ich liege also deutlich unter dem Mindestlohn. Da ich das ehrenamtlich tue werde ich auch nicht meckern.

Ich bin übrigens noch sachkundiger Bürger im LVR und habe da im Durchschnitt eine oder zwei Sitzung im Monat. Dort bekomme ich keine Aufwandsentschädigung und gebe die Hälfte der Sitzungsgelder an den Landesverband ab.

Benedikt Bräunlich: Sachkundiger Bürger der SPD
Ich bekomme 30 Euro pro Sitzung, maximal 1200 Euro im Jahr. Durch meine Mitgliedschaft in zwei Ausschüssen und im Fraktionsvorstand ist es mehr als wahrscheinlich, dass ich auch dieses Jahr über 40 Sitzungen kommen werde. Ein Drittel der Sitzungegelder werden an die Partei abgeführt. Was übrig bleibt, spende ich. Fahrtkosten und Parkscheine lasse ich nicht erstatten. Verdienstausfall mache ich nicht gelten.

Allgemein finde ich die Aufwandsentschädigungen in derzeitiger Höhe völlig ok. Auch Sachkundige Bürger, besonders aber Ratsmitglieder, investieren außerhalb der vergüteten Sitzungen eine Menge Zeit und Herzblut. Dafür, dass man dann als „böser Politiker” von den meisten angesehen wird, kann man die Aufwandsentschädigungen wirklich nur als eine kleine Anerkennung sehen.

Sachkundige Bürger werden so in die Kommunalpolitik langsam rangeführt. Dies ist bei den größeren Parteien auch ein Mittel der Jugendförderung. Aber auch kleine Fraktionen/Parteien profitieren , da wenige Ratsmitglieder sonst die gleiche Arbeit leisten müsste, wie größere Fraktionen. Dies darf man dann nur nicht ausnutzen.

Hinweis der Redaktion: Weitere Selbstauskünfte nehmen wir gerne auf. Bitte per Mail an info@in-gl.de

Dokumentation: Die Ansprüche der Lokalpolitiker

Entschädigungsanspruch der Ratsmitglieder

Quelle: Hauptsatzung der Stadt Bergisch Gladbach

  • Sitzungsgeld
    • 19,60 € je Sitzung (§ 1 Abs. 2 Ziffer 1b EntschVO NRW)
    • bei einer Sitzung über 6 Stunden, wird ein weiteres Sitzungsgeld ausgezahlt (§ 9 Abs. 3 Satz 4 Hauptsatzung)
    • pro Tag dürfen maximal 2 Sitzungsgelder ausgezahlt werden (§ 9 Abs. 3 Satz 5 Hauptsatzung)
    • es werden maximal 80 Fraktionssitzungen im Jahr ausgezahlt (§ 9 Abs. 1 Hauptsatzung)
  • Fahrtkosten
    • B. 0,30 € je mit PKW gefahrener Kilometer (§ 6 Abs. 1 Landesreisekostengesetz NRW)
    • es wird maximal die Strecke von der Wohnanschrift bis zum Sitzungsort und zurück bezahlt (§ 5 Abs. 1 EntschVO NRW)
  • Verdienstausfall
    • Voraussetzung: vollständig ausgefüllte und unterschriebene Erklärung eines Verdienstausfalles
    • Regelstundensatz 10,00 €, höchstens jedoch 20,00 € (§ 9 Abs. 4 Hauptsatzung)
    • täglicher Höchstbetrag beträgt 80,00 €
    • Fraktionssitzungen können maximal 80 pro Jahr abgerechnet werden.
    • Gruppierung:
      • Unselbstständige
      • Selbstständige
      • Personen mit Haushalt
      • Kosten für Kinderbetreuung
  • pauschale Aufwandsentschädigung
    • 285,60 € pro Monat
  • zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten stellvertretende Bürgermeister, Fraktionsvorsitzende und in Abhängigkeit von der Fraktionsgröße stellvertretende Fraktionsvorsitzende
    Berechnung nach § 3 Abs. 1 EntschVO NRW in Verbindung mit §1 Abs. 2c EnschVO NRW: stellvertretende Bürgermeister erhalten den 1,5 Satz,  Fraktionsvorsitzende den 2-fachen, Fraktionsvorsitzende einer Fraktion mit mehr als zehn Mitglieder den 3-fachen und stellvertretende Fraktionsvorsitzende den 1-fachen Satz zusätzlich)

Entschädigungsanspruch der sachkundigen Bürger/Einwohner

  • Sitzungsgeld
    • 30,00 € je Sitzung (§ 2 Abs. 1 EntschVO NRW)
    • bei einer Sitzung über 6 Stunden, wird ein weiteres Sitzungsgeld ausgezahlt (§ 9 Abs. 3 Satz 4 Hauptsatzung)
    • pro Tag dürfen maximal 2 Sitzungsgelder ausgezahlt werden (§ 9 Abs. 3 Satz 5 Hauptsatzung)
    • es werden maximal 40 Fraktionssitzungen im Jahr ausgezahlt (§ 9 Abs. 2 Hauptsatzung)
  • Fahrtkosten
    • B. 0,30 € je mit PKW gefahrener Kilometer (§ 6 Abs. 1 Landesreisekostengesetz NRW)
    • es wird maximal die Strecke von der Wohnanschrift bis zum Sitzungsort und zurück bezahlt (§ 5 Abs. 1 EntschVO NRW)
  • Verdienstausfall
    • Voraussetzung: vollständig ausgefüllte und unterschriebene Erklärung eines Verdienstausfalles
    • Regelstundensatz 10,00 €, höchstens jedoch 20,00 € (§ 9 Abs. 4 Hauptsatzung)
    • täglicher Höchstbetrag beträgt 80,00 €
    • Gruppierung:
      • Unselbstständige
      • Selbstständige
      • Personen mit Haushalt
      • Kosten für Kinderbetreuung
  • Keine zusätzliche pauschale Aufwandsentschädigung (dafür höheres Sitzungsgeld)

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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4 Kommentare

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  1. Hallo Herr Watzlawek,
    tolle Recherche, gut dargestellt, hervorragendes Beispiel für aufklärenden Journalismus.
    Beste Grüße und weiterhin viel Erfolg!

  2. Super!
    Aufwändig und umfangreich recherchierter und dokumentierter Artikel!
    Tolle Arbeit! Danke.

  3. Danke für den Hinweis. Den Passus, der von der Regelung auf Landesebene abweicht, haben wir tatsächlich übersehen. Der Text wurde angepasst, der Idealtypus „kleiner Fraktionschef“ gestrichen.

  4. Guten Morgen Herr Watzlawek,

    eine kleine Korrektur zum Absatz „20 Prozent der Gesamtsumme für die Führungskräfte“ und dem Idealtypus 5.

    Stellv. FV erhalten erst ab 10 Mitgliedern eine zusätzliche Entschädigung.

    Siehe hierzu Hauptsatzung §9 Abs. 5
    (5) Die stellvertretenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nach § 67 Abs. 1 GO NRW
    und die Fraktionsvorsitzenden – bei Fraktionen mit mindestens 10 Mitgliedern auch eine
    stellvertretende Fraktionsvorsitzende oder ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender, mit
    mindestens 20 Mitgliedern auch zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende und mit mindestens
    30 Mitgliedern auch drei stellvertretende Fraktionsvorsitzende – erhalten neben
    den Entschädigungen, die ihnen als Ratsmitgliedern nach § 45 GO NRW zustehen, eine
    Aufwandsentschädigung nach Maßgabe der jeweils geltenden Entschädigungsverordnung.
    Eine Aufwandsentschädigung wird nicht gewährt, wenn das Ratsmitglied hauptberuflich
    tätige Mitarbeiterin oder Mitarbeiter einer Fraktion ist.