Videoüberwachung im Rathaus Bergisch Gladbach

Videoüberwachung im Rathaus Bergisch Gladbach

In der Sitzung des Stadtrats vom 6. Oktober 2016 wurde der Rat ganz nebenbei und rein zufällig beim Thema „Gerichtskosten“ darüber informiert, dass am Rathaus Stadtmitte Bergisch Gladbach der Parkplatz von städtischen Kameras überwacht wurde oder wird.

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Freiheit statt Angst!

Eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum in Bergisch Gladbach ist grundsätzlich nicht erforderlich. Sinnvoll scheint dies nur in sehr engen Grenzen und bei akuten Bedrohungen, z.B. an bestimmten besonders gefährdeten Orten (wie etwa Synagogen, gefährdete Moscheen oder Flüchtlingsunterkünften). Bisher gibt es keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse, die belegen, dass die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume durch Kameras zu einer Kriminalitätssenkung führt.

In Großbritannien, wo an vielen Orten die öffentlichen Straßen fast flächendeckend überwacht werden, sind die Kriminalitätszahlen teilweise sogar gestiegen. Kamerabilder können vielleicht zur Verfolgung erfolgter Straftaten hilfreich sein, ohne diese aber zu verhindern. Nach aktuellem wissenschaftlichem Stand ist es vielmehr die Anwesenheit und Ansprechbarkeit von Menschen (Polizei, Ordnungsdienste, Stadtwächter, etc.), die einen Ort objektiv und subjektiv sicherer machen.

Bereits jetzt haben wir eine bedenkliche Maß hinausgehende Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen, insbesondere in den Bahnhöfen und Fahrzeugen der WUPSI, RVK, KVB und S-Bahn. So werden seit Jahren die Busse in Bergisch Gladbach und sie S-Bahnlinie durch Kameras überwacht. Bislang wissen wir wenig darüber, welche Auswirkungen das hat. Eine Evaluation dazu gibt es nicht. Eine ernsthafte Diskussion über den Sinn und Unsinn von Videoüberwachung in Bussen und im öffentlichen Raum wird konsequent verweigert. Notwendig ist eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Untersuchung der Überwachung bei der WUPSI, RVK und im öffentlichen Raum. Grundsätzlich sollte jede Überwachungsmaßnahme fortlaufend daraufhin überprüft werden, ob sie geeignet, erforderlich und angemessen ist.

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Tomás M. Santillán, Mitglied des Stadtrats (DIE LINKE.) kritisiert die Videoüberwachumg am Rathaus scharf.

Keine Sicherheitspolitik auf dem Rücken der Bürgerrechte.

Tatsächlich ist der Nutzen von Videokameras gering, denn sie verhindern keine Straftaten und helfen Opfern nicht. Am Hauptbahnhof Köln waren Silvester achtzig Videokameras installiert, dennoch konnte es zu den bekannten Vorfällen gekommen. Und nur wenige Täter konnten bisher ermittelt werden, und auch das offenbar nicht anhand der Kameraaufzeichnungen.

Videoüberwachung an Plätzen und in allen öffentlichen Verkehrsmitteln schafft daher ein trügerisches Sicherheitsgefühl zum Preis der Totalüberwachung aller. Die Überwachung verletzt die Privatsphäre, wenn das Verhalten beobachtet und aufgezeichnet wird, ohne dass Personen dazu eine Veranlassung gegeben haben. Der Kuss auf dem Parkplatz darf nicht gefilmt, eine SMS nicht per Kamera-Zoom mitgelesen werden.

Welche Alternativen gibt es?

Wo Straftaten verhindert werden sollen, können mehr Personal und Mitarbeiter, mehr Präsenz und eine verbesserte Erreichbarkeit hilfreich sein. Eine britische Studie zeigt, dass eine verbesserte Beleuchtung  – im Gegensatz zu Videoüberwachung – die Zahl der begangenen Straftaten um durchschnittlich 20% reduziert. Oft wird bei einer Kameraüberwachung auch die Beleuchtung verbessert. Die durch die bessere Beleuchtung entstandene Sicherheit wird aber fälschlicherweise der Kameraüberwachung zugeschrieben.

Wo eine “Szene” unerwünschter Personen verdrängt werden soll, wie es im Fall der Kamera im Bergischer Gladbacher Rathaus wohl der Fall war und ist, sind alternative Freizeitangebote für Jugendliche sowie Hilfsangebote für Drogenabhängige sinnvoll. Ebenso benötigen wir Maßnahmen zur Revitalisierung der Stadtmitte und bestimmter Stadtteile. Hier hat die Stadt Bergisch Gladbach aber genau das Gegenteil getan und die Angebote für Jugendliche finanziell ausgetrocknet.

Rechte Bürgerpartei GL will Arbeit der Kommune lahmlegen

Es ist ärgerlich, dass der Rat erst durch eine Schmerzensgeldklage eines Ratsmitglieds auf die Überwachung am Rathaus aufmerksam wird, denn der rechtspopulistische Klägers scheint dabei nur seinen finanziellen Vorteil im Auge zu haben und zielt wohl auf das Schmerzensgeld. Mit der undurchsichtigen und verfehlten Informationsstrategie der der Stadtverwaltung spielt diese genau der rechten Bürgerpartei GL und deren Vertretern in die Hände, denn durch die Klage entstehen unnötige Kosten.

Dieses hätte man vermeiden können, wenn man eine politische Lösung gesucht hätte und den Rat vor einer Klageerhebung informiert hätte. Es ist allerdings auch offenkundig, dass der Kläger, der ja als Prozesshansel und Abmahner bekannt ist, seine Prozessfreudigkeit ausspielt und es ihm nicht um das Gemeinwohl geht, sonst hätte er auf eine Schmerzensgeldklage verzichtet und nur auf Unterlassung geklagt. Auch hat der Kläger den Vorgang dem Stadtrat verschwiegen und er hat keine politische Lösungen oder inhaltliche Diskurs gesucht, sondern vorher erstmal geklagt und damit Kosten erzeugt.

Dieses ist die altbekannte Methode von rechten Parteien wie der NPD und ProNRW, die landauf und landab mit einer Klageflut versuchen die Arbeit der Kommunen lahmzulegen und sich in inhaltlosen Sachfragen und unpolitischen Aktionen erschöpfen.

Offene Fragen an den Bürgermeister

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Die Verwaltung hat mitgeteilt, dass der Einsatz der Kamera erlaubt sei, jedoch die vorhandenen Kameras schon seit mehreren Jahren ausgeschaltet sei. Hierzu sind einige Fragen offen:

  • Wer hat die Installation am Rathaus veranlasst? Mit welcher Begründung wurde oder wird das Rathaus mit einer Kamera überwacht? Wann sind zuletzt Straftaten gemeldet wurden? Gibt es aktuell eine akute Gefährdungslage am Rathaus?
  • Wurden alternative Möglichkeiten, wie eine bessere Beleuchtung des Platzes oder erhöhte Präsenz der Stadtwache und Polizei, in die Überlegungen einbezogen oder realisiert?
  • Wann wurde die Überwachungsanlage das erste Mal installiert und wann und warum wurde diese erst kürzlich modernisiert, wenn sie doch abgeschaltet ist? Seit wann ist die Anlage nicht mehr in Betrieb?
  • Welche Anschaffungs- und Installationskosten sind durch die Systeme entstanden und welche laufenden Kosten hat das System? Welche Personalkosten entstehen dadurch?
  • Welcher Schaden und welche Kosten konnte durch den Einsatz von Kameras vermieden werden? Sind Straftaten verhindert oder aufgedeckt worden?
  • Wurden Personalkosten eingespart oder sind diese gestiegen?
  • Nach den Vorschriften zur Überwachung des öffentlichen Raums müssen diese beschildert sein, dass diese Räume überwacht werden. Wo ist diese Beschilderung angebracht worden und warum ist dies heute nicht mehr zu sehen?
  • Warum wurde die Überwachungsanlage im letzten Jahr modernisiert, wenn sie doch seit Jahren abgeschaltet sein soll?
  • Im Rathaus werden mind. zwei Kameras, ein Recorder und Flachbildschirm zur Auswertung des aufgezeichneten Bildmaterials eingesetzt. Wie soll diese Anlage eingesetzt werden?
  • Das Aufzeichnungssystem kann mit dem Netzwerk verbunden werden und damit wäre der Zugriff theoretisch und möglicherweise von bis zu 1.200 Mitarbeitern möglich. Auch die Aufzeichnungsanlage in der Poststelle ist vor unbefugten Zugriff nicht ausreichend geschützt, da viele Mitarbeiter und alle Fraktionen im Rathaus Zugang dazu habe. Wurde der Recorder mit dem Netzwerk verbunden? Wie werden die Datensicherheit und der Datenschutz der Daten gewährleistet, wenn der Zugang zu dem System für viele Mitarbeiter des Hauses möglich ist? Gab es technische Sicherheitssysteme gegen unbefugten Zugriff und haben diese zuverlässig funktioniert?
  • Wurden die Mitarbeiter, die die Anlage bedienen in datenschutzrechtlichen Fragen unterwiesen? Wie und wann ist das geschehen?
  • In welchen Zeitraum werden die gespeicherten Daten gelöscht (Speicherfrist) und welche Software wird dafür eingesetzt? Welche rechtliche Grundlage liegt dem zu Grunde?
  • Wurde der zuständige Datenschutzbeauftragte vor dem Kauf der Kameras einbezogen? Werden die Kameras und die ordnungsgemäße Verwendung durch den zuständigen Datenschutz-beauftragten überwacht? Welche dienstlichen Unterlagen wurde dazu erstellt und wann?
  • Der Parkplatz, der von den Kameras überwacht wird, ist auch ein Dienstparkplatz. Somit wurden auch städtische Mitarbeiter von den Kameras überwacht. Welche Dienstvereinbarung und/oder Rechtsgrundlage liegt dem zu Grunde? Wurde der Personalrat über die Überwachung des Dienstparkplatzes informiert, wann und in welcher Form?
  • Der Parkplatz wird von den politischen Vertretern im Stadtrat benutzt und auch diese wurde von der Kamera überwacht. Welche Vorschriften liegen für eine solche Überwachung zugrunde? Wurde der Stadtrat über die Überwachung des Parkplatzes informiert und wann?
  • In der Öffentlichkeit wird verbreitet, dass auch die inneren Räume und die Fraktionen durch eine Kamera überwacht wurden, um die Mitglieder des Rats zu „bespitzeln“. Wurde und werden Räume im und am Rathaus überwacht? Gibt es andere Kameras an oder in städtischen Gebäuden (inkl. Schulen, Museen, städtische Beteiligungsgesellschaft wie Bäder, BELKAW, etc.), die Räume oder den Außenbereich überwachen? Auf welcher rechtlichen Basis stehen diese?

Unverzüglicher Abbau der Kameraüberwachung am Rathaus.

Der Bürgermeister und den Rat der Stadt Bergisch Gladbach sind aufgefordert für einen unverzüglichen und kompletten Abbau der Anlagen zu sorgen.

Tomás M. Santillán lebt seit seinem ersten Lebensjahr in Bergisch Gladbach Refrath. Bekannt wurde Tomás M. Santillán als Antragsteller des Bürgerentscheid gegen des Cross-Border-Leasing 2003 und seine Kandidaturen als Bürgermeister und Landrat. Heute engagiert er sich in unabhängigen Initiativen...

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3 Kommentare

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  1. Lieber Markus,

    nur weil die Linksfraktion ein Bündnis mit einer Rechtspolulistischen Partei eingegangen ist, ist das noch lange kein indiz dafür, dass diese Partei nicht rechts ist. Immerhin gibt es im Ortsverband der Linken Bergisch Gladbach auch einen Beschluss, der diese Fraktionsbildung missbilligt.

  2. Wenn man diesen Artikel liest, könnte man glauben, dass die Behauptung, die Bürgerpartei sei eine rechtspopulistische Partei, eine Tatsache ist, was jedoch keineswegs der Wahrheit entspricht! Wäre dies so, wäre die Linksfraktion bestimmt keine Koalition mit dieser Partei eingegangen.

  3. An anderer Stelle wurde übrigens behauptet, dass es sich bei der abgebildeten Kamera um eine IP-Kamera handeln würde. Dies ist nicht der Fall. Die oben abgebildete Kamera ist lediglich mit einem Recorder verbunden, der wiederrum mit dem Netzwerk verbunden werden kann, aber es zumindest vor wenigen Tagen nicht war. Die Kamera ist angsschlossen und unter Strom, während der Recorder ausgeschaltet war. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz BDSG muss die Kamera ausgeschildert sein. Nach eindeutiger Rechtsprechung gilt dies auch dann, wenn die Kamera nicht funktionsfähig geschaltet ist und nicht aufzeichnet, da der Benutzer dies nicht erkennen kann. Diese eindeutige Rechtslage scheint man im Rathaus aber zu ignorieren.