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J.L. Carr, Ein Monat auf dem Land
DuMont Buchverlag 2016, €18,00

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„Ach nun kommen Sie schon“, sagte ich ein wenig gereizt. „Wir waren in der Hölle und sind wieder herausgekommen. Das ist, finde ich, gut genug. Wir sind nur für begrenzte Zeit auf Erden, und ich habe beschlossen, es zu nehmen, wie es kommt.“

Tom Birkin, ein traumatisierter junger Mann, Veteran des Ersten Weltkriegs, kommt 1920 nach Oxgodby, ein kleines Dorf in Yorkshire. Hier soll er nach dem Willen einer begüterten, inzwischen verstorbenen Dame ein Wandgemälde in der Kirche freilegen und restaurieren. Miss Hebrons Vermächtnis stellt der Kirchenstiftung eine großzügige Summe in Aussicht, aber (sehr zum Ärger von Reverend Keach) erst nach vollendeter Freilegung des übertünchten Wandgemäldes.

Birkin ist ein Fachmann mit enormen ikonographischen Kenntnissen und geht vollkommen in seiner Arbeit auf. Nach und nach zeigt sich, völlig unerwartet, ein atemberaubendes mittelalterliches Meisterwerk unter dem Putz der letzten Jahrhunderte.

Doch nicht nur dieses Wandgemälde mit Szenen aus dem Jüngsten Gericht wird freigelegt, sondern auch das Trauma des jungen Restaurators. Der Hölle des Granatenhagels bei Passendale (einer entsetzlichen Schlacht mit vielen Toten) konnte er zwar körperlich unversehrt entkommen, wurde aber seelisch und nervlich beschädigt. Seine linke Gesichtshälfte zuckt unter Stress unkontrolliert, er stottert.

Pia Patt und Birgit Jongebloed führen die Buchhandlung Funk in Bensberg

Pia Patt und Birgit Jongebloed führen die Buchhandlung Funk in Bensberg

In Oxgodby trifft er einen weiteren Überlebenden. Auch er wurde von Miss Hebrons Testamentsvollstreckern engagiert. Auch er soll Verschüttetes und Vergessenes ans Licht fördern, in diesem Fall die sterblichen Überreste eines Vorfahren der Verstorbenen.

„Das Wunderbare war indes, dass ich in dieser Oase des Friedens gelandet war und mir einen Sommer lang über nichts anderes den Kopf zerbrechen müsste, als dieses Wandgemälde freizulegen.”

Das einfache ländliche Leben entspannt Birkin, der stete Rhythmus von Leben und Arbeit nimmt ihn ein. Das Wetter ist grandios, die Landschaft ein Genuss. Doch erst die erfüllende Beschäftigung mit dem Wandgemälde und die fürsorglichen Dorfbewohner heilen nach und nach seine seelischen Wunden.

Da ist die schöne Frau des ruppigen Reverends, die ihn oft besucht, da sind die Kinder des Bahnhofvorstehers, durch deren Initiative er ein gern gesehener Gast in ihrer Familie wird. Er wird Schiedsrichter beim Kricket, er besucht die Kapelle der Methodisten und hilft in der Sonntagsschule. So findet er langsam zurück ins Leben.

Die Idylle in Oxgodby ist wie eine aus der Zeit gefallene Welt, in die auch der Leser wunderbar abtauchen kann. Das könnte alles furchtbar kitschig sein, ist es aber nicht. Dafür sorgt ein feiner Sarkasmus. Ein kluges, ruhiges Buch, das in England schon 1980 erschien und nun endlich auch ins Deutsche übersetzt wurde.

Viel Spaß beim Lesen, Ihre Birgit Jongebloed

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Die Buchhandlung Funk existiert seit vielen Jahrzehnten in Bensberg und ist seitdem Bestandteil des kulturellen Lebens von Bergisch Gladbach. Mehr als zehn Jahre waren Pia Patt und Birgit Jongebloed bereits in der Buchhandlung Funk beschäftigt, als sie im Oktober 2015 das Geschäft von Almut Al-Yaqout übernahmen.

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Pia Patt, geboren 1974 in Köln, verheiratet, 2 Katzen, wohnt in Lindlar. Sie wurde in der Buchhandlung Funk zur Buchhändlerin ausgebildet und interessiert sich besonders für Kinderbücher, Krimis, und Belletristik. Wenn sie nicht gerade liest, kümmert sie sich um ihren Garten oder feilt an ihren...

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