Seit Sonntag zeigt die Villa Zanders eine einzigartige Auswahl von Druckgrafiken aus der Privatsammlung von Wolfgang Vomm, dem früheren Leiter des Museums. Er präsentiert Reproduktionen nach Vorbildern von Peter Paul Rubens – und ermöglicht eine Reise in einen ganz besonderen Kosmos. 

Wolfgang Vomm gilt als geistiger Vater vieler inzwischen fest etablierter Ausstellungsformate der Villa Zanders. Bis 2011 hat er das Kunstmuseum geleitet – und tiefe Spuren hinterlassen. Seinem Engagement ist es zu großen Teilen zu verdanken, dass das Kunstmuseum ein Renommee über die Stadtgrenzen hinaus genießt.

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Auch im Ruhestand scheinen Vomm die Ideen nicht auszugehen. Im Rahmen des Schwerpunktes „Kunst aus Papier“ präsentiert die Villa Zanders nun 150 Exemplare aus der privaten Sammlung der „Rubensgrafiken“ von Wolfgang Vomm. Bei einem Presserundgang stellten Vomm und seine Nachfolgerin als Museumsleiterin, Petra Oelschlägel, die Ausstellung jetzt vor.

Petra Oelschlägel und Wolfgang Vomm philosophieren über den Schaukasten mit zeitgenössischen, teils kuriosen Exponaten; vom Comic bis zur Serviette

Glückliche Fügung

Mit analytischer Auf- und Weitsicht und mit viel Pioniergeist hatte Vomm die Sammlung, das Profil und das Programm der Villa Zanders an die 400-jährige Tradition der Papierherstellung in Bergisch Gladbach geknüpft, mit größeren Graphikausstellungen, mit besagten Konzept  „Kunst aus Papier“ und mit dem Aufbau der Artothek.

„Soviel Expertise soll nicht ungenutzt bleiben,“ konstatiert Oelschlägel. Sichtlich hingerissen erzählt sie über die Idee zu dieser Ausstellung – und überlässt beim Pressegespräch gern Wolfgang Vomm das Wort.

Der Initalfunke für seine Sammlung sei die lieblos gelagerte Kopie eines Antiquars gewesen, berichtet Vomm. Es handelte sich um die Arbeit Triumph der Eucharisie über den Götzendienst“, von Schelte à Bolswert, um 1630, das Rubensmotiv ist bekannt aus der „Gobelin Serie im Kölner Dom“ und aus dem Kupferstichkabinett des Wallraf-Richartz-Museum.

Druckgrafiken haben im Vergleich zur Malerei einen geringen Sammlerwert, schon weil sie immer Teil einer Auflage sind, die mehrere hundert Exemplare umfassen kann. Eine Druckgrafik ist kein Original wie ein Gemälde, schon gar nicht eine Kunstkopie von unbekannten Künstlern.

Aber diese Geringschätzung des Kunstmarkts, die sich eben auch im Preis niederschlägt, ermöglichte es Vomm, „dieses wertvolle Blatt durch den Erwerb zu retten“. Seit mehr als 20 Jahre sammelt Vomm diese Rubensgrafiken nun, 1200 Exemplare hat er erworben.

Rubensgrafiken sind einerseits Reproduktionsgrafiken von Rubensgemälden, die einst im Auftrag von Rubens von professionellen Kupferstechern gefertigt wurden. Andererseits umfasst Vomms Begriff der Rubensgrafiken aber auch grafische Reproduktionen seiner Gemälde über dessen Ableben im Jahr 1640 hinaus, also ganz im doppelten Sinne des Titels „Nach Rubens”.

Echte Farblithografien dienten lange als Schulwandbilder, eine Rubensgrafik von Edmund van Offel von 1920

Lernen durch Vergleichen

Bald erwachte bei Vomm neben der Sammlerleidenschaft auch ein Forscherdrang nach medialen Aspekten. Er fragte sich „wie unterschiedlich können Kopien aussehen? Wie wirken sie auf den Betrachter? Wie lange hallt eine Rezeption, eine öffentliche Diskussion und Wertschätzung nach?”.

Daher bietet die aktuelle Ausstellung auch für den Sammler einen neuen Blick auf die eigenen Schätze. Denn die Betrachtung der Ausstellung sei „etwas anderes, als diese Arbeiten Blatt auf Blatt zu sehen. Hier kann ich sie ausbreiten und sie vergleichend nebeneinander stellen.“

In dieser Ausstellung trifft sich das Präsentationsbedürfnis des Kunstliebhabers und Sammlers mit der Profession des Vermittlers. Die verschiedenen Interpretationen miteinander zu vergleichen bietet sich an für eine niedrigschwellige Kunstvermittlung und gehört zum hauseigenen Program beispielsweise in den Druckkursen mit Schülern.

Am Beispiel der Kopien des Rubensgemäldes, „die Kreuzabnahme“, werden verschiedene Interpretationen von unbekannten Grafikern gezeigt, die sich jeweils in interessanten Details unterscheiden. Erst wenn man vor den Originalgrafiken steht, stellt sich das besondere Erlebnis ein, die Transformation, Stilistik und Handwerk der einzelnen Künstler spielerisch zu erforschen.

„Die Kreuzabnahme” nach einem Gemälde von Rubens, jeweils anders interpretiert von drei Graphikern.

Der wissende Betrachter

Über den spielerisch-vergleichenden Blick hinaus verlangt der kunstwissenschaftlich-geschichtliche Hintergrund aus heutiger Sicht viel Vorwissen und teils auch Insiderwissen vom Betrachter. Warum also soll man sich schwer zugängliche Kopien ansehen?

Weil gerade die offensichtlich unterschätzte Geschichte der Rubensgrafiken lehreich ist und durchaus zeitgenössische Themen wie beispielsweise kulturelle Identität oder auch Selbstvermarktung und Urheberschaft streift.

Laut Ankündigung der Villa Zanders bildet die Ausstellung „außerdem die Weiterentwicklung der Rubensgraphik im 19. Jahrhundert bis hin zur Buchillustration und Zeitungsgraphik ab”. Sie richte das Augenmerk auch „auf den Künstlerkult, der sich zu dieser Zeit um Rubens entfaltete und mit der Setzung von Monumenten und aufwändigen Rubens-Festen einen Höhepunkt erreichte.”

Wir lernen also, warum der Künstler Rubens zu Lebzeiten unternehmerisch, avantgardistisch, erfolgreich war und warum er deswegen möglicherweise sogar Mediengeschichte geschrieben hat.

Anhand des „Der Triumphwagen für Ferdinand” lässt sich der Künstlerkult mit aufwändigen Rubens-Festen belegen.

Unser heutiges Bild von Rubens ist ein Experten-Kosmos für sich. Dementsprechend erklärungsbedürftig ist Rubens Werk und der Wert, der ihm heute beigemessen wird. Im Netz finden sich viele interessante Links zur aktuellen Rubens-Rezeption, wie beispielseweise ein Vortrag von Nils Büttner,  Kunsthistoriker an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.

Das Wissen um die Symbolik griechisch römischer Mythologie, wie beispielsweise über die sogenannten Allegorien in der Rubensmalerei, ist damals wie heute nicht jedem geläufig. Rubens, der ein Universalgelehrter war, hat ganz im positiven Sinne von Lernen durch Kopieren und Neuerfinden durch Interpretieren, fleißig abgekupfert, so wie seine Kollegen auch.

Er nahm Skulpturen der römisch-griechischen Mythologie und Symbole des Christentums zum Vorbild und erfand sie in seiner Malerei völlig neu. Schon deshalb gilt Rubens wohl als großer Europäer, den man sich zum Vorbild nehmen kann, ganz unabhängig davon, wem er noch als Vorbild diente.

Diese Rubensdamen sind Allegorien von Göttinnen, eine Reproduktion aus dem 17. Jh. von Pieter de Jode d.J. nach den Rubensgemälde der drei Grazien.

Visitenkarten für elitären Mäzenkreis

Mit Kopien erfolgreich zu sein, scheint hinsichtlich heutiger Kunstmarkt-Gier nach Originalen undenkbar. Jedoch, nach den Einschätzungen von Vomm, waren Rubens Reproduktionen „Visitenkarten für einen elitären Mäzen- und Sammlerkreis”, nicht mehr und nicht weniger.

Im Auftrag gegeben, vor- und nachbearbeitet und kontrolliert von Rubens selbst, sind die Druckgrafiken zuallererst Repliken seiner Gemälde. Denn, „einmal gemalt und verkauft, verschwanden seine aufwändigen Malereien zumeist in privaten Sammlungen und waren nahezu unsichtbar für die Öffentlichkeit”, erklärt Vomm.

Für Vomm sind die Reproduktionen nach Rubens individuelle Werke unbekannter Künstler, die ja nur durch die Drucktechnik und seine mediale Verbreitung erhalten sind.

Wolfgang Vomm selbst betont vor allem den künstlerischen Charackter dieser Sammlung. Dass Rubens die künstlerischen Möglichkeiten der Druckgrafik mitgestaltet hat, weiß man durch die Erhaltung seiner Skizzen und Vorlagen.

Ein künstlerischer Geniestreich?

Aus heutiger Sicht könnte man aber auch schlussfolgern, dass Rubens einfach frühzeitig erkannt hat, welche unternehmerischen Möglichkeiten in der Reproduktion liegen. Vielleicht war es ein Geniestreich, die elegante Marketingmaßnahme eines Malers, mit Reproduktionen seiner Werke eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

So oder so war Rubens sicherlich ein Wegbereiter, weit vor dem Siegeszug der Druckgrafik als eigenständiges künstlerisches Medium.

Anonym, Peter Paul Rubens mit Hut. Titelblatt aus The Saturday Magazine 1842, Holzstich (Katalog )

Der Katalog

Auch der Ausstellungskatalog kann für ein tieferes Verständnis der Ausstellungsintention sehr lehrreich sein. Ganz im Sinne „Von der Lust und dem Sinn des Sammelns“, ist der Katalog  angereichert mit Anekdoten und Insiderwissen von Vomms Sammlertätigkeit.

Es finden sich viele aufschlussreiche Erläuterungen des Kunstwissenschaftlers Vomm zum Sujet, Drucktechnik und historischen Zusammenhang. Informationen die professionell vermittelnd, unterhaltsam und vor allem angenehm leserfreundlich und zugänglich aufbereitet sind.

Die Abbildungen der Ausstellungsstücke sind selbst hochwertige digitale Reproduktionen mit potentiellen Sammlerwert.

Eine Zeitreise am Beispiel Rubens

In Themenräumen zeigt uns die Ausstellung am Beispiel verschiedener Rubensgrafiken und auch anhand von Buch- und Zeitungsillustrationen, welch großen Einfluss die Illustrierten mit ihrer massenmedialen Verbreitung damals schon auf die Kultur ausübten.

Damals war es üblich, die Zeitungsgrafiken zu sammeln und in privaten Sammelbänden zu verwahren. Heute, im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit und der einhergehenden Flüchtigkeit von Informationen scheint hingegen jedes weitere gedruckte Blatt überflüssig, denkt man beispielsweise an das sogenannte Zeitungssterben.

Druckgrafik erlangte erst nach Rubens den Status einer eigenen Kunstform. In den Zeitungen, Büchern und Illustrierten wurden sie gern gesammelt

Am Beispiel Peter Paul Rubens werden exemplarisch kulturhistorische Akteure und drucktechnische Entwicklungen vorgestellt. Die Themenräume von Barock bis in die Gegenwart führen durch die kulturellen Einflüsse der Druckgrafik als Vorhut des Reproduktionszeitalters. Wolfgang Vomm gestaltet die Reproduktionen zu Vehikeln einer spannenden Zeitreise zu den Ursprüngen der Medien und zu den Anfängen künstlerischer Emanzipation.

Ein innovatives Format und schon deswegen unbedingt sehenswert. Es empfiehlt sich eine Führung durch die Ausstellung und ein Blick in die Sonderveranstaltungen s.u.).

Ausstellung
Nach Rubens – Druckgraphik aus drei Jahrhunderten
Ausstellungsdauer: 26. 5. 2019
Kunstmuseum Villa Zanders
Konrad-Adenauer-Platz 8, 51465 Bergisch Gladbach
Telefon: 02202 14 23 34
WebsiteFacebookMail

Eintritt:
4 Euro/ermäßigt 2 Euro
1. Donnerstag im Monat frei für Besucher mit Wohnsitz in Bergisch Gladbach

Öffnungszeiten:
Di – Sa 14:00 – 18:00 Uhr
Do 14:00 – 20:00 Uhr,
So 11:00 – 18:00 Uhr

Begleitende Veranstaltungen

Gespräche im Roten Salon
Peter Paul Rubens und Köln
Referent: Dr. Wolfgang Vomm, Kunsthistoriker und Sammler
Di 02.04. 2019, 19:30 Uhr

Unternehmer – Diplomat – Humanist.
Rubens im Spiegel seiner Druckgraphik
Referent: Prof. Dr. Ulrich Heinen, Berg. Universität Wuppertal
Di 14. 05. 2019, 19:30 Uhr

Öffentliche Führungen
So 17. 03. 2019 11:00 Uhr mit Dr. Wolfgang Vomm
Do 04.04. 2019 18:00 Uhr
So 28.04. 2019 11:00 Uhr mit Dr. Wolfgang Vomm
So 12. 05. 2019 11:00 Uhr
Weitere Führungen auf Anfrage

Sonntags-Atelier für alle Altersgruppen
Künstlerisches Arbeiten im Atelier für Besucher jeden Alters.
Jeden 1. Sonntag im Monat, 11:00 – 13:00 Uhr. Anmeldung nicht erforderlich (max. 25 Personen).
So 07.04. 2019 / So 05. 05. 2019

Kunstlabor
Inklusiver Workshop für junge Menschen ab 13 Jahren unter Anleitung eines jungen Teams. Jeden 2. Samstag im Monat
14:00 – 17:30 Uhr. Anmeldung nicht erforderlich. Teilnahme
kostenlos. Sa 13.04. 2019 / Sa 11. 05. 2019

Kunstgenuss (Kunst, Kaffee und Kuchen)
Führungen mit anschließendem Gespräch bei Kaffee und Kuchen. Leitung: Sigrid Ernst-Fuchs M.A.. Jeweils donnerstags, 15:00 – 17:00 Uhr. Anmeldung erforderlich.
Do 18.04. 2019 / Do 25.04. 2019 / Do 16. 05. 2019

Mit Baby ins Museum
Führungen für Mütter und Väter mit ihren Babys bis 1 Jahr (in Kooperation mit der kath. Familienbildungsstätte).
Jeden 1. Mittwoch im Monat, 10:30 – 12:00 Uhr.
Anmeldung erwünscht.
Mi 03.04. 2019 / Mi 01. 05. 2019 (Feiertag)

dementia+art
Begegnung mit Kunst für Menschen mit Demenz und deren Angehörige mit anschließendem kreativen Arbeiten im Atelier. Für Gruppen und Einzelpersonen.
Jeden 2. Mittwoch im Monat, 14:30 – 16:30 Uhr.
Anmeldung erforderlich, Sondertermine auf Anfrage.

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