Bürgermeister Frank Stein. Foto (Archiv): Thomas Merkenich

In seiner Haushaltsrede konkretisiert Bürgermeister Frank Stein sein Regierungsprogramm für die gerade begonnene Amtszeit. Es geht ihm um die Schulen, das Stadthaus und Zanders, um die Digitalisierung, die Schwimmbäder und das Klimaschutzkonzept, um Corona, Wirtschaftsförderung und eine Steuersenkung. Vor allem aber um einen neuen Arbeitsmodus der ganzen Stadt.

Mit Blick auf Corona hat Frank Stein sein Rede nicht vor dem Stadtrat gehalten, dessen Sitzung am Dienstag möglichst kurz gehalten werden sollte. Statt dessen hat der Bürgermeister die Rede zwei Stunden vor der Sitzung im leeren Theatersaal des Bergischen Löwen gehalten und per Video aufgezeichnet.

Wir zeigen das Video, fassen die wichtigsten Punkte zusammen und dokumentieren weiter unten den gesamten Text. Außerdem die Tischvorlage mit einigen wichtigen Eckpunkten des Haushaltes 2021 – der ein Volumen von 335 Millionen Euro hat und mit einer schwarzen Null abschließen soll.

Stein sieht sich drei großen Herausforderungen gegenüber:

  • den Sanierungsstau in „praktisch allen Bereichen der städtischen Infrastruktur“ aufzulösen,
  • die Folgen von Corona zu bewältigen
  • die Stadt für eine „digitale, nicht-fossile Industrie-, Wissenschafts- und Dienstleistungsgesellschaft“ fit zu machen.

In diesen Punkten sollen bereits im ersten Quartal 2021, den ersten (etwas mehr als) 100 Tagen seiner Amtszeit, wichtige Weichen gestellt und Konzepte vorgelegt werden.

Der neue Bürgermeister legt den Finger in viele Wunden, zeigt erste Lösungen auf und spricht deutlich an, dass die Verwaltung viele Probleme nicht aus eigener Kraft heraus bewältigen könne. In der Regel fehle nicht das Geld, sondern das Personal.

Bei der Aufzählung der Probleme verwendet Stein viel Zeit auf die gewaltigen Probleme der Schulen: 19 der 20 Grundschulen müssten saniert, erweitert oder neu gebaut werden – und auch die weiterführenden Schulen seien zu klein. Selbst das gerade teuer sanierte OHG sei für die Rückkehr zu G 9 nicht gerüstet.

Mit dem Integrierten Schulentwicklungsplan seien ersten Schritte getan, und auch an Geld fehle es für diese Investitionen nicht. Aber „wir könnten jeden Tag mit der Schubkarre das Geld“ ins Hochbauamt fahren, ohne Effekt, sagt Stein. Denn im städtische Hochbau funktionierten die Strukturen nicht, fehle das Potential.

Als Lösung hatte Stein schon im Wahlkampf die Auslagerung der Aufgaben in eine Schulbaugesellschaft vorgeschlagen, darauf kommt er jetzt zurück.

Aber – und damit ist Stein immer noch beim Thema Schulen – über die Erneuerung der analogen Schule hinaus müsse jetzt sehr schnell auch die Digitalsierung der Schule bewältigt werden, wo es dramatische Defizite gebe. Nötig seien Netzanschlüsse mit mindestens 500 Mbit, leistungsfähige interne Netze, moderne Endgeräte und einen leistungsfähigen Support. Davon gebe es in Bergisch Gladbach „nichts in der erforderlichen Form“.

Um hier voran zu kommen, so Stein, dürfe sich die Stadt nicht weiter auf andere wie die Telekom verlassen. Sie müsse die Verantwortung in der Verwaltung klar festlegen, um sich dann Unterstützung von außen zu holen. Er könne sich vorstellen, die Digitalisierung der Schulen komplett an externe Dienstleister zu vergeben.

Ähnlich desolat wie die Schulen sind laut Stein die Straßen der Stadt. Hier habe die Verwaltung gerade ein ersten Straßenbauprogramm vorgelegt, das auch dazu beitragen soll, mehr Bürger:innen vom Auto aufs Fahrrad oder in den Bus zu bekommen.

25 Millionen Euro soll innerhalb von fünf Jahren in die Straßen fließen. Zuerst, da wird Stein konkret, komme die Achse Paffrather / Kempener / Altenberger Dom-Straße dran.

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Beim Projekt Stadthaus legt sich Stein nicht fest, hier werde im ersten Quartal ein neues Konzept vorgelegt. Auch hier, so Steins Kritik, hätten organisatorische Defizite das Projekt ins Schlingern gebracht.

Über die Sanierung der Stadt will Stein die Modernisierung in Angriff nehmen. Durch eine Digitaliserung der Verwaltung und der ganzen öffentlichen Infrastruktur. Das sei auch notwendig, um die Innenstädte zu retten.

Hoch oben auf Steins Prioritätenliste steht ein Klimaschutzkonzept, das rasch erstellt und dann umgesetzt werden müssen. Auch dafür werde die Verwaltung noch im ersten Quartal 2021 einen systematischen Vorschlag vorlegen.

Überlagert werden, so Stein, diese strategischen Aufgaben, von der Bewältigung der Folgen der Corona-Krise – die viele der strukturellen Schwächen offen gelegt hatte. Alle Ebene des Staates müssten alles tun, damit die Gesellschaft aus der Krise so schnell wieder herauskommen wie sie hineingefahren ist.

Viele konkrete Maßnahmen nennt der Bürgermeister hier nicht – bis auf die Wirtschaftsförderung, die schlagkräftiger werden müsse.

Erst an diesem Punkt kommt Stein, der bislang Kämmerer war, auf das Geld und den Haushalt zu sprechen. Und wiederholt seinen persönlichen Vorschlag, die Steuern nicht etwa zu erhöhen, sondern zu senken.

Der Hebesatz der Grundsteuer, der nach bisherigen Planung in 2021 eigentlich von 570 auf 670 Punkte erhöht werden sollte, solle statt dessen abgesenkt werden, auf 470 Punkte. Erst 2022 solle nach dieser Verschnaufpause für die Steuerzahler die Erhöhung auf 670 Punkte kommen. Das versteht Stein auch als „gutes Signal an die Stadtgesellschaft in einer ihrer schwersten Krisen“.

Stein räumt ein, dass er für diesen Vorschlag auch Widerspruch und Unverständnis geerntet hat. Eine Hauptkritikpunkt, dass eine solche Entlastung der Bürger:innen mit der Gießkanne keinen Effekt habe, den Stadtetat aber belaste. Stein kündigt an, dass er für besserer Vorschläge, die zu einer schnellen Entlastung führen, offen sei. Dazu gebe es schon interessante Vorschläge, wie etwa eine Senkung von Kita- und OGS-Gebühren.

Hinweis der Redaktion: Frank Stein hatte seine Einschätzung zu den Folgen von Corona und sein Programm bereits im Interview mit dem Bürgerportal dargelegt, und viele Fragen beantwortet:

Darüber hinaus spricht Stein einige weitere Sach-Themen an, ohne Neuigkeiten zu verkünden: bei der klaren Haltung gegenüber Zanders, bei der hohen Bedeutung der Regionale.

Und dann hat Stein noch ein längeres Kapitel angehängt, das angesichts des betont nüchternen Stils des Bürgermeisters fast einer Tirade gleichkommt. Es geht um die Kreisumlage, die der Kreiskämmerer im nächsten Jahr zu Lasten der Kommunen um rund sieben Prozent erhöhen will – womit alleine Bergisch Gladbach Jahr für Jahr drei Millionen Euro mehr überweisen müsste.

Diese Erhöhung sei völlig unnötig und unvernünftig, siebringe aber die Kommunen im Kreis in große Schwierigkeiten. Er sein „fassungslos“, dass der Kreiskämmerer das nicht sehen wolle.

Die Rede des Kämmeres

Konkreter wird Stein bei den Haushaltsdaten nicht – dafür ist jetzt Harald Schäfer zuständig, der als amtierender Kämmerer der Stadt seine Rede ebenfalls zu Protokoll gab. Auch diese per Video gehaltene Rede dokumentieren wir komplett.

Vorab sei nur soviel verraten: Schäfer legt trotz Corona für 2021 einen ausgeglichenen Haushalt vor. Aber nur deshalb, weil alle Corona-Lasten zunächst ausgeklammert und ab 2025 abgestottert werden und dank des ohnehin geplanten Rückgriffs in die Reserven (Schütt aus, hol zurück). Daher bleibe Sparsamkeit bei den konsumtiven Ausgaben die oberste Maxime, betont Schäfer.

Bei den Investitionen ist dagegen mit der Aufhebung des Kreditdeckels ab 2021 fast alles möglich: 77 Millionen Euro an Investitionen seien für die Jahre 2021 bis 2024 im Kernhaushalt eingestellt. Darüber hinaus hat der alte Stadtrat eine Liste von weiteren, großen Projekten hinterlassen, mit einem Volumen von 18,5 Millionen Euro.

Hier kommt Schäfer auf Steins Ausführungen zurück: Geld ist eigentlich kein Problem, wohl aber das Personal für die Planung und Umsetzung all dieser Vorhaben.

Hinweis der Redaktion: Die Listen mit den Investitionsmaßnahmen finden sich in den Eckpunkten zur Haushaltsplanung, die wir unten dokumentieren.

Dokumentation

der Haushaltsrede von Frank Stein zum Etatentwurf 2021

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 

wenn wir heute den Haushalt 2021 und die Finanzplanung 2022 – 2024 einbringen, dann geht es um mehr als nur um einen singulären Jahresetat 2021. Es geht darum, die Weichen für die kommenden fünf Jahre zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen, was die prioritären Aufgaben und Projekte der vor uns liegenden Zeit sein sollen.

Die finanzfachlichen Eckpunkte des Haushaltes wird im Anschluss Harald Schäfer als amtierender Stadtkämmerer erläutern. Lassen Sie mich dieser Rede einige grundsätzliche Ausführungen voranstellen.

Die kommenden Jahre werden von drei großen Rahmenbedingungen dominiert:

  1. Ein gewaltiger Modernisierung-, Sanierungs- und Investitionsstau in praktisch allen Bereichen der städtischen Infrastruktur
  2. Dies in einer Zeit des Übergangs von der alten, auf fossilen Brenn- und Grundstoffen basierenden, analogen Industriegesellschaft in eine digitale nicht-fossile  Industrie-, Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft, und zwar in allen Lebensbereichen
  3. Und all das massiv überschattet von den durch die Corona-Pandemie ausgelösten großen gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Belastungen.

Eine erschöpfende Beschreibung aller dieser Aspekte hier den Rahmen sprengen. Deshalb möchte ich mich auf die aus meiner Sicht besonders wichtigen Punkte konzentrieren.

1. Abbau des Modernisierung-, Sanierungs- und Investitionsstaus

Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, dass wir feststellen, dass sich die öffentliche Infrastruktur in Bergisch Gladbach in einem besorgniserregend schlechten Zustand befindet. 

  • Schulen
  • Straßen
  • Städtische Immobilien
  • Bäder

Schulen

Die Liste der Rückstände und Defizite ist groß:

  • Für die Primarstufe hat der IESP für die Grundschulen und OGS bereits im Sommer die Dimension der Herausforderung transparent gemacht: 19 von 20 Grundschulen müssen saniert und erweitert, zum Teil auch abgerissen und neugebaut werden. Mindestens eine Grundschule für die Stadtmitte, die es noch gar nicht gibt, muss noch dazu kommen. 
    All das, um schlicht allen Kindern einen Grundschulplatz sicher und wohnungsnah bereitstellen zu können.
  • Und Grundschulplatz heißt heute gleichzeitig OGS-Platz. Und da ist es völlig irrelevant, mit welchen Bedarfsquoten bundes- oder landesweit gerechnet wird. In Bergisch Gladbach liegt der Bedarf nach OGS-Plätzen praktisch bei mindestens 90 Prozent.
    Und schon wenige Tage nach meiner Wahl hatte ich die ersten Briefe in der Post, mit denen ich dringend und fast schon verzweifelt von Eltern, denen für das nächste Schuljahr kein OGS-Platz zugesagt werden konnte, um Hilfe gebeten wurde.
    Die Zeit der Improvisationen und der Notlösungen ist allerdings weitgehend vorbei. Es ist noch gar nicht so lange her, dass in Beratungsunterlagen für den JHA seitens der Verwaltung darauf hingewiesen wurde, dass es ja keinen Rechtsanspruch für OGS-Plätze gebe und daher nicht alle Bedarfe erfüllt werden können.
    Diese Position haben Politik und Verwaltung in den letzten drei Jahren richtigerweise aufgegeben. Aber wir haben den Rückstand aus den zurückliegenden Jahren nicht aufgeholt. Und unter den Restriktionen des Haushaltsicherungskonzeptes war es auch ehrlicherweise kaum möglich.
  • Der Rat hat im Zuge des ISEP am 01.09.2020 die Bedarfsplanung für die Primarstufe beschlossen. In einem ersten Schritt werden jetzt für die brisantesten Bezirke und Schulen (Refrath/Frankenforst; Gronau und Stadtmitte) den Bedarf auf der Basis eines Musterraumprogramms analysiert und parallel dazu der Instandhaltungsstau in den Bestandsgebäuden untersucht.

    Im ersten Quartal 2021 werden wir der Politik die Zwischenergebnisse aus diesem ersten Modul vorstellen und den möglichst schnellen Einstieg in die Umsetzung mit Ihnen diskutieren.
  • Und im nächsten Jahr kommt der ISEP für die Sekundarstufe. Auch wenn dieser noch nicht im Entwurf vorliegt, so kann man heute schon sagen: Auch der ISEP Sekundarstufe wird uns massive Rückstände und Handlungserfordernisse aufzeigen. Beispielsweise sind unserer Gymnasien nicht für G 9 bereit, es fehlt schlicht an Räumen. Auch im gerade sanierten OHG.

    Weitere erhebliche bauliche Notwendigkeiten gibt es an praktisch allen weiterführenden Schulen. Ich nenne nur die Stichworte Inklusion und Integration. Details im ISEP Sekundarstufe im nächsten Jahr. 
  • All das erfordert umfangreiche Hochbaumaßnahmen in den Schulen. Diese können und müssen wir finanzieren. Nur umsetzen können wir sie mit den aktuellen Strukturen und Ressourcen der Verwaltung definitiv nicht.

    Der Hochbau ist, und das hat mir Ruth Schlephack-Müller ausdrücklich bestätigt, in wichtigen Bereichen in einem Zustand der Dysfunktionalität. Mit anderen Worten: Wir können jeden Tag mit der Schubkarre das Geld ins Lübbe-Haus fahren, es hilft nichts: Ohne eine grundlegende Verbesserung unserer Strukturen werden wir nicht vorankommen. 

    Deshalb werden wir Ihnen im ersten Quartal 2021 einen Grundsatzbeschluss zur Gründung einer Schulbau-GmbH als hunderprozentige städtische Tochter unterbreiten. Die Erfahrung etlicher Städte zeigen, dass eine solche Gesellschaft schneller und wirtschaftlicher arbeiten kann. Dass sie ganz andere Möglichkeiten der Personalgewinnung hat. Dass sie im Unterschwellenbereich viel flexibler vergeben kann. Und dass ihre inneren Prozesse erheblich schneller sind als die einer Kernverwaltung.
  • Das sind also die sozusagen analogen Herausforderungen. Einfach ausreichend große, modern ausgestattete und in einer menschenfreundlichen Architektur realisierte Schulgebäude.

    In meiner Schulzeit, die ich 1982 mit dem Abitur beendet habe, wäre das eine völlig ausreichende Zielsetzung gewesen. Heute nicht mehr. Die analoge Schule ist Geschichte, das hat die Pandemie nicht bewirkt, aber das hat uns die Pandemie schmerzhaft transparent gemacht. Die Wahrheit ist, dass wir in allen Aspekte der Schuldigitalisierung dramatische Defizite haben.

    – Schuldigitalisierung erfordert schnelle Netzanschlüsse mit einer Übertragungsgeschwindigkeit up- und download von mindestens 500, besser aber 1000 Mbit.
    – Schuldigitalisierung erfordert ein leistungsfähiges LAN-Netz in den Schulen und eine flächige Ausleuchtung der Schulen mit W-LAN.
    – Schuldigitalisierung erfordert ausreichend viele moderne Endgeräte auf den Pulten, an den Wänden und in den Händen.
    – Schuldigitalisierung erfordert einen leistungsfähigen Support von Netzen und Endgeräten.

    Nichts von dem können wir in der erforderlichen Form vorweisen. Warum das im Einzelnen so ist und welche konkreten Maßnahmen zu treffen sind, um hier so schnell wie möglich besser zu werden, würde hier den Rahmen sprengen. Nur so viel: Wir dürfen uns nicht weiter auf andere verlassen, wie eine Telekom beim Breitbandausbau.

    Wir müssen die Verantwortlichkeiten in der Verwaltung bündeln und eine klare Projektverantwortung für die Schuldigitalisierung festlegen. Wir müssen externen Sachverstand einkaufen und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir die Digitalisierung der Schulen als großes Paket extern vergeben. Andere Städte haben uns das vorgemacht. Denn mit eigenen Kräften allein werden keinen Erfolg haben können. 

Straßen

In der ersten Sitzung des ASM hat der FB 7 ein Straßenbauprogramm vorgelegt, das Maßstäbe setzt. Es definiert, was im Straßenbau passieren muss. Schnell und konsequent.

Und im Sinne einer modernen Mobilität. Die Veränderung des Modalsplit, also weniger motorisierter Individualverkehr und mehr ÖPNV, Fahrrad und Fußgänger. Und natürlich die Umsetzung und wo nötig Fortschreibung und Optimierung des Mobilitätskonzepts von 2016. 

Wenn man alle Maßnahmen aus dem Straßenbauprogramm, also auch die, die noch beziffert etatisiert werden müssen, zusammenrechnet, kommt man auf 25 Millionen Euro in fünf Jahren. Viel Geld, aber es ist halt so: Wer lange wartet, zahlt mehr als der, der beizeiten die Dinge in Ordnung hält. Bei unseren Straßen verhält es sich so wie mit dem Autobesitzer, der, um Geld zu sparen, jahrelang nicht zu Inspektion fährt. Wir alle wissen: Dann wird es teuer.

Ich habe ich daher sehr gefreut, dass mir Martin Hardt mitgeteilt hat, dass wir in 2021 mit der Sanierung und Umgestaltung von Paffrather Straße und Kempener Straße starten. Auch die Planungen für die Altenberger-Dom-Straße werden im nächsten Jahr beauftragt werden.

Das sind wichtige Hauptachsen des innerstädtischen Verkehrs, die in ihrem jetzigen Zustand und ihrer jetzigen Ausgestaltung auch und gerade für den Radverkehr unzumutbar sind.

Das kann aber nur ein Anfang sein. Und natürlich, es wird darüber politische Diskussionen, es wird auch Streit geben. Aber das ist nun einmal das Kennzeichen von Politik. „Jedem wohl und keinem wehe“, so kann man keine zukunftsfähige Mobilität gestalten.

Das bedeutet nicht, dass es jetzt ideologisch gegen das Auto geht. Der PKW, mit einer immer besseren CO2-Bilanz, mit dem klaren Ziel der CO2-Neutralität, ist für unser Land unverzichtbar. Ohne den PKW kann ich Mobilität nicht gewährleisten. Der PKW ist – und hoffentlich bleibt das auch so – Ausweis der technologischen Kernkompetenz unseres Landes.

Aber der beste Antrieb ändert nichts daran, dass vor allem im Ballungsraum die Verkehrsprobleme nur durch einen veränderten Modalsplit zu lösen sind. Und deshalb brauchen wir bessere Radwege, brauchen wir eine Renaissance des ÖPNV nach Corona. 

Städtische Immobilien

Das sind aber nicht die einzigen ungelösten Probleme der Vergangenheit:

Das Projekt Neubau Stadthaus ist im letzten Jahr in eine gefährliche Schieflage geraten. Die Arbeitsaufträge des Rates sind weitgehend abgearbeitet. Wir werten die Ergebnisse derzeit aus und werden dem Stadthaus-Ausschuss und dem Rat dazu im ersten Quartal einen Vorschlag unterbreiten, an welchem Standort und in welchen Projektstrukturen es nach unserer Auffassung weitergehen sollte.

Dabei geht es auch um die Art und Weise der weiteren Projektarbeit. Denn es waren nicht nur inhaltliche, es waren auch in hohem Maße organisatorische und methodische Defizite, die das Projekt ins Schlingern gebracht haben.

Auf einem guten Weg sind die Vorarbeiten für den Neubau der Feuerwache Süd. Hier werden wir Ihnen in Kürze die Ergebnisse aller Arbeitsaufträge aus der Ratssitzung im Frühjahr vorstellen und einen konkreten Vorschlag zum weiteren Vorgehen machen.

Bäder

Die Botschaft des Haushalts und des mit ihm korrespondierenden Wirtschaftsplans der Bädergesellschaft ist eindeutig: Das Bäderkonzept wird umgesetzt. Auch das ein seit Jahrzehnten diskutiertes und bisher nicht gelöstes Problem.

Das erste Kapitel haben wir erfolgreich erledigt: Die aus meiner Sicht hervorragend gelungene Sanierung des Außenbereichs des Kombibads in Paffrath. Jetzt kommt als nächstes der Abriss und Neubau des Bades am Mohnweg und danach die Sanierung des reparierten, aber nicht sanierten Zandersbades. Wir müssen das jetzt konsequent umsetzen. Die Zeit der Grundsatzdebatten ist vorbei, jetzt muss gehandelt werden.

Eine Frage wird allerdings erkennbar im Rahmen der Haushaltsdebatten eine Rolle spielen, und zwar durchaus zu Recht: Wie groß soll das neue Bad am Mohnweg werden? Wirtschaftsplan und Haushalt sehen zunächst einen Neubau 1.1 vor. Es geht natürlich auch größer, aber das ist dann auch teurer. Und das ist letztlich eine politische Frage, die der Rat dann mit seinem Beschluss zum Haushalt beantworten wird. 

2. Übergang zur digitalen und nachfossilen Industrie- und Wissensgesellschaft 

All das vor dem Hintergrund, dass wir Abschied nehmen vom analogen fossilen Zeitalter. 

Was der Abschied vom analogen Zeitalter bedeutet, das hat uns das Beispiel Schuldigitalisierung eindrucksvoll vor Augen geführt.

Es geht aber um noch viel mehr: E-Gouvernement in der Stadtverwaltung und die Digitalisierung der öffentlichen Infrastruktur insgesamt. Auch der Erhalt und die Zukunftssicherung der Innenstädte sind rein analog nicht machbar. Verändertes Freizeit-und Einkaufsverhalten, darauf müssen wir reagieren. Damit uns nicht der überregionale Online-Handel unsere Innenstädte zerfrisst.

Und das wird von der zentralen globalen Bedrohung durch die menschengemachte Erderwärmung nicht nur begleitet, sondern letztlich dominiert. Und es hat auch eine ganz andere, noch existentiellere Qualität als die Pandemie. Heribert Prantl, einer der profiliertesten und angesehensten Journalisten der Republik, hat es vor kurze in der Süddeutschen Zeitung exakt auf den Punkt gebracht: 

„Die Rückkehr zur Normalität (gemeint ist die Normalität „vor Corona“) wird es nicht geben können, weil die Normalität die Ursache der Klimakrise ist. Es braucht die Transformation aller Lebensbereiche (…) um die Katastrophe abzuwenden.“

Das bedeutet für uns, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Weder mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen noch mit der Erstellung und Umsetzung des städtischen Klimaschutzkonzepts. Lange hat sich diese Stadt hinter dem Klimaschutzkonzept des RBK versteckt. Das geht so nicht mehr.

Wir werden Ihnen zum weiteren Vorgehen in Sachen Klimaschutzkonzept im ersten Quartal 2021 einen systematischen Handlungsvorschlag vorlegen. Und alles, was wir jetzt schon tun können, um unseren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten, das müssen wir natürlich schon jetzt angehen. Also sofort loslegen und möglichst schnell methodisch und strukturell nachlegen. Nur so kommen wir voran.

3. Corona überwinden

Die Pandemie hat tiefe Einschnitte im ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Leben auch unserer Stadt ausgelöst. Wir müssen auf allen staatlichen Ebenen alles daransetzen, dass die grafische Darstellung der Krise einem „V“ gleicht: Schnell hinein, aber auch schnell wieder heraus. So wie 2008/2009.

Alle Maßnahmen zur Überbrückung dieser Krise durch Bund, Länder und Kommunen haben das als Geschäftsgrundlage. Und das gilt auch für unsere bereits getroffenen und im Haushalt abgebildeten Maßnahmen bei Gebühren, Honoraren etc..

Das „V“ ist auch von existentieller Bedeutung für die öffentlichen Finanzen. Ich sage es ganz offen: Wenn sich die Steuereinnahmen nicht ab 2022 wieder auf das Niveau von Ende 2019 zubewegen, werden alle Kommunen, auch wir, vor neuen schmerzhaften Konsolidierungsdebatten stehen.

Und nicht nur wegen Corona, aber auch und gerade vor diesem Hintergrund sollten wir unsere Anstrengungen in der Wirtschaftsförderung intensivieren. Das Angebot zum verstärkten Dialog mit den Unternehmen und Betrieben steht.

Dienstleister und Einzelhandel brauchen nach der Pandemie wieder Luft unter die Flügel. Wir sollten uns sehr offen mit der Frage befassen, ob unser engagierter Wirtschaftsförderung, die mit ihren limitierten Ressourcen einen tollen Job macht, nicht deutlich mehr braucht, um die nach Corona dringend nötigen Impulse auch wirksam setzen zu können.

Nach meiner Meinung sollten in diesem Zusammenhang unsere bisherige Finanzplanung für 2021 an einem Punkt kritisch überdenken. Der vom Rat beschlossene und im Rahmen des bisherigen HSK verbindliche Finanzplan sieht vor, dass wir in 2021 den Hebesatz der Grundsteuer von 570 HSP auf 670 HSP erhöhen.

Das ist nach meiner Überzeugung für das kommende Jahr, in dem sich viele Bürgerinnen und Bürger zu Recht existentielle Sorgen machen müssen, nicht richtig. Deshalb sieht dieser Haushaltsentwurf für 2021 eine einmalige Hebesatzsenkung auf 470 HSP vor, um dann in 2022 auf das Niveau zu gehen, dass die geltende Finanzplanung schon für 2021 vorsah. Damit würden wir ein gutes Signal an die Stadtgesellschaft in einer ihrer schwersten Krisen geben. 

Das ist, um es klar zu sagen, der persönliche Vorschlag des Bürgermeisters und steht in keinem Parteiprogramm oder anderen Festlegungen. Ich weiß, dass dieser Vorschlag sehr unterschiedlich bewertet wird.

Wenn sich im Laufe der Haushaltsberatungen ein anderer Weg herauskristallisiert, der mehrheitsfähig ist und auf anderem Weg zu einer schnellen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in 2021 führt, dann sollten wir das in Ruhe besprechen.

Interessante Vorschläge wurden dazu bereits in die Diskussion gebracht, beispielsweise mit Blick auf die Kita- und OGS – Gebühren. Der leider viel zu früh verstorbene Peter Struck hat einmal gesagt: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wurde“. Wir alle wissen, das gilt mitunter auch für Kommunalhaushalte.

4. Zanders

Zwei große Fragestellungen verbinden sich mit der Überschrift „Zanders“

Zum einen die Frage der Sicherung der Sicherung der Arbeitsplätze in der Papierfabrikation. Zum anderen das wichtige Stadtumbau-Projekt im Rahmen der Regionale 2025.

Über der ersten Themenkomplex werden wir im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung noch ausführlich diskutieren. Deshalb dazu nur so viel: Der Erhalt der Arbeitsplätze ist unverändert unser prioritäres Ziel. Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet und wir werden das weiter tun.

Nur auch die anderen müssen das, und das adressiert sich sowohl an den Investor als auch an den Insolvenzverwalter. Es ist bekannt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit wir zu den notwendigen Vertragsschlüssen kommen.

Sie sind weder schikanös noch gar unerfüllbar. Sie entsprechen dem völlig normalen Verhalten unter Geschäftspartnern und ich kann nur an die Investorenseite appellieren, endlich mit belastbaren Antworten auf unsere seit Wochen bekannten Notwendigkeiten zu reagieren.

Das Regionale-Projekt ist unverändert als Teilkonversions-Projekt konzipiert. 

Bereits im Jahr 2018 hat sich die Stadt mit dem Projekt für das Strukturförderprogramm „Regionale 2025 Bergisches Rheinland“ des Landes NRW beworben und erste Beteiligungsformate zur Ideenfindung bereits durchgeführt.

Die Regionale unterstützt im Rahmen der Städtebauförderung innovative nachhaltige Entwicklungsprojekte und fördert hier insbesondere die Investitionen im öffentlichen Raum und öffentlicher Infrastruktur. Dabei stehen Nachhaltigkeit und Gestaltqualität sowie ein vorbildlicher Planungs- und Beteiligungsprozess im Vordergrund.

Das Land hat der Stadt – in Anerkennung der bisherigen Planungsvorleistungen – bereits eine Zuwendung für Planungskosten in Höhe von 1,16 Millionen Euro (für die nächsten vier Jahre) zukommen lassen.

Im weiteren Verlauf der Qualifizierung des Regionale 2025-Projektes sind Entwicklungsperspektiven zu erarbeiten, zu präzisieren und in einem Strukturplan und Rahmenkonzept als Grundlage für die Umsetzung einzelner Projektbausteine abzubilden. Erste Pilot- oder Leuchtturmprojekte sollen bereits im Projektjahr 2025 sichtbar werden. 

Wir kommen gut voran und werden einen weit über die Stadtgrenzen hinaus beachteten Leuchtturm der Stadtentwicklung schaffen. Eine wirklich tolle Perspektive.

Kreisumlage

Eine Haushaltsrede ohne kritische Hinweise zur Kreisumlage, die werden wir alle in unserem politischen Leben nicht erleben. So auch in diesem Jahr.

Der Kreishaushalt ist noch nicht eingebracht. Die Eckpunkte der Kreisverwaltung sehen eine Erhöhung der Kreisumlage um 2,5 Hebesatzpunkte auf 38 HSP vor. Das sind für uns im Vergleich zur bisherigen  Finanzplanung über drei Millionen Euro Mehrbelastung, und zwar strukturell Jahr für Jahr.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben dies jetzt mehrfach mit dem Landrat diskutiert. Gemeinsam mit unseren Kämmerinnen und Kämmerern sind wir zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass diese Umlageerhöhung nicht notwendig ist.

Wenn der RBK das tut, was fast alle Landkreise tun, nämlich die Erhöhung des Bundesanteils an der KdU nicht bei der Berechnung der Corona-bedingten Haushaltsverschlechterungen vollumfänglich gegenzurechnen und wenn er auch den Bestand der Ausgleichsrücklage so abschmilzt, wie es alle Städte und Gemeinden nicht nur tun, sondern tun müssen: Dann weist der Kreishaushalt in 2021 überhaupt kein Defizit aus, das zu einer Umlageerhöhung führt.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin fassungslos, dass das bei Kreiskämmerer auf taube Ohren stößt. Wenn das so kommt, dann werden einige Städte und Gemeinden kurzfristig ins Haushaltssicherungkonzept zurückgedrängt und eine verbreitete Ausgabenkürzungs- und Steuererhöhungsspirale ist vorprogrammiert.

Ich will es ausdrücklich sagen: Ohne dass es irgendein Projekt der Kreispolitik beschränkt, kann eine Umlageerhöhung vermieden werden. Deshalb haben wir unseren Haushalt – wie im Übrigen alle Städte und Gemeinden des RBK – ohne diese Umlageerhöhung aufgestellt.

Kommt sie gegen alle Vernunft, dann müssen wir ab 2021 und dann dauerhaft für jedes Folgejahr entweder die Inanspruchnahme des endlichen Ausschüttungspotentials ab 2021 um mehr als drei Millionen Euro erhöhen bzw. die Grundsteuer über die bisherige Planung hinaus um knapp 100 Hebesatzpunkte anheben.

Damit wäre, auch das zu sagen ist ein Gebot der Ehrlichkeit, der finanzielle Spielraum für eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in 2021 verbraucht. Ich kann nur an den Landrat und alle Mitglieder des Kreistages appellieren: Handeln Sie zum Wohl der Städte und Gemeinden des RBK und vermeiden Sie diese problemlos vermeidbare Erhöhung der Kreisumlage! 

Schluss

Meine Damen und Herren, wir stehen vor wichtigen, anstrengenden und herausfordernden Jahren. Wir werden sehr viel zu diskutieren und zu entscheiden haben. Wir werden – davon bin ich überzeugt – vieles gut und richtig machen. Und wir werden hoffentlich die Fehler, die wir machen, frühzeitig erkennen und korrigieren.

Damit das gelingt, brauchen wir eine offene, faire und kollegiale politische Kultur. Keine Harmonie um der Harmonie willen, aber einen fairen Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte. Wo immer ich dazu beitragen kann, werde ich das tun. Und ich werbe dafür, dass wir das gemeinsam so gestalten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Dokumentation

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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2 Kommentare

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  1. Gerne darf im Zusammenhang mit maroden Schulgebäuden auch das Thema „Sporthallen in Bergisch Gladbach“ erwähnt werden. Defekte Lüftungsanlagen, die seit über 15 Jahre nicht repariert werden, funktionslose Duschen und Geräteräume, in die es hineinregnet, sind nur einige Beispiele für den schlechten Zustand.

  2. Ich bin sehr begeistert, wenn Bürgermeister Stein bei der Investitionspolitik den Fokus auf die Erneuerung der Infrastruktur legt. Wenn ich über die Kempener Straße fahre, fühle ich mich in die Zeit von 1989/1990 zurückversetzt als ich das erste Mal nach dem Mauerfall aus beruflichen Gründen in die damalige DDR gefahren bin. An vielen Stellen ist der Straßenzustand in der Stadt erbärmlich und beschämend. Und vor diesem Hintergrund will ich erst gar nicht meinen Blick in die Schulen und Ausbildungseinrichtungen lenken, weil mir das nicht bekannt ist. Aber ich ahne Böses. In unserem Lande – also auch in BGL – ist Aus- und Weiterbildung der wichtigste Rohstoff. Unsere Schulen müssen endlich das Equipment erhalten, um im Internalen Vergleich Schritt halten zu können. Nur ein erschreckendes Beispiel aus der „Nachbargemeinde Köln“. Ich war letztes Jahr zu einem Vortrag in einem Uni-Hörsaal und musste entsetzt feststellen, dass die Sitze der ersten fünf Reihen eines Blockes mit rot-weißem Band gesperrt waren, weil die Sitze und Bestuhlungen schlicht „kaputt“ waren. Ganz zu schweigen vom Allgemeinzustand des Gebäudes. Das ist einer Universität nicht würdig. Ich fürchte, an den Schulen in BGL sieht es nicht ganz anders aus, wenn ich die Äußerungen mancher Schulleiter richtig deute. Verehrter Herr Bürgermeister Stein, die Bürger werden es Ihnen danken, wenn Sie Ihre politischen Ankündigungen auch in Taten umsetzen. Ich wünsche viel Erfolg dabei. Herbert Putzmann, BGL-Schildgen