Monika Hiller. Fotos: Thomas Merkenich

Unsere Kolumnistin Monika Hiller war im Urlaub auf Helgoland. Ohne Begleitung – was sich ausgerechnet in der frisch modernisierten Touristen-Info der Insel als Problem für „Versehrte“ herausstellt.

Wer schon mal auf Helgoland war, weiß, dass dort ein Oberland und ein Unterland gibt. Neben den Treppen oder langen Wegen kann man diesen Höhenunterschied zwischen den beiden „Stadtteilen“ auch mit einem Aufzug überwinden. Dieser kostet je Fahrt ein geringes Entgelt.

So bei meinem letzten Urlaub auf der Insel. Ich stehe vor der Tafel des Aufzuges und studiere die Fahrpreise. Einzelfahrt, Hin- und Rückfahrt, Mehrfachkarte und Einzelfahrt, das übliche … dann … „Versehrte mit Ausweis“. 

Ich stutze und schaue im Duden nach: „Personen, die (durch Unfall, Verletzung) körperbehindert sind“. Weiter unten sind die Synonyme aufgeführt: Verletzte, Verwundete, Lädierte, Körper-behinderte, Schwerbehinderte, Schwerbeschädigte.

Ok, irgendwie scheint damit so ein Fall, wie ich es bin, gemeint zu sein. Ich habe sogar, wie gefordert, einen Ausweis!

Die Versehrte bzw. die Schwerbeschädigte macht sich also auf dem Weg zum Aufzug, 0,30 Euro für eine Einzelfahrt nach oben zu entrichten, um ins Oberland zu gelangen. 

Zur Autorin: Monika Hiller ist kleinwüchsig und gehbehindert. Sie ist als Inklusionsbeauftragte der Stadtverwaltung Bergisch Gladbach für Inklusion und Abbau von Barrieren zuständig. Die Texte dieser Serie sind reale Geschichten und sollen für das Thema „Barrieren“ sensibilisieren.

Nach einigen Stunden im Oberland wieder unten angekommen, ließen mir die „Versehrten“ keine Ruhe mehr. Sagt man heutzutage noch „Versehrte“? Ist das nicht eher ein Begriff aus der Nachkriegszeit? Als Bezeichnung für Kriegsverletzte?

Ich möchte das mit dem Betreiber des Aufzuges diskutieren, finde aber keine Angaben an der Aufzugsanlage. Also ab in die Touristeninformation, um Näheres zu erfahren.

Im Rathaus, wo die Touristeninfo bisher angesiedelt war, wurde ich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie neue Räumlichkeiten in einem anderen Gebäude bezogen hat. Man habe alles modernisiert und neu ausgestattet. Super!

Dort angekommen, betrete ich die neu ausgestattete Touristeninformation. Alles sehr chic, neu und modern möbliert und gestaltet! Die üblichen Prospektständer, Souvenirs, die man käuflich erwerben kann. Ich blicke auf eine holzvertäfelte Wand. Was ich nicht finde, ist ein Mitarbeiter, weit und breit niemand.

Ich rufe in den Raum. Auf einmal lugt ein Kopf hinter der holzvertäfelten Wand hervor, die dann, wie sich herausstellte, scheinbar doch keine Wand war. Es handelte ich um den Auskunftstresen.

Mit meiner Körpergröße von 1,25 m waren Tresen und ich auf Augenhöhe! Grundsätzlich eine gute Ausgangslage und hilfreich. Nicht aber, wenn das Gegenüber eine Holzwand ist.

Wir führen das Gespräch, in dem ich mich nach oben recke. Ich werfe ein, dass dies ja nicht besonders barrierefrei sei. Bedauerlicherweise, da es doch gerade erst neu gestaltet wurde. Ein Rollstuhlfahrer würde auch so seine Schwierigkeiten haben. 

Ich bin froh, dass ich aufgeklärt und darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass Behinderte ja sowieso immer in Begleitung kämen und deshalb hier in die dieser Touristeninfo die Barrierefreiheit keine Rolle spiele. 

Schwerbeschädigt, versehrt und mit der Erkenntnis, einen neben mir stehen zu haben, verlasse ich die Touristeninformation.

Schönen Urlaub zu zweit!

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ist selbst kleinwüchsig und gehbehindert. Sie ist Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Bergisch Gladbach und als Inklusionsbeauftragte für Inklusion und Abbau von Barrieren im Stadtgebiet zuständig. Die Texte dieser Serie sind reale Geschichten und sollen auf humoristische Weise für das Thema „Barrieren“...

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2 Kommentare

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  1. Tja, mit betroffenen Personen an den richtigen Stellen (Entscheidungsträger), wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Das Problem liegt also schon woanders, nämlich bei der mangelnden Inklusion auf dem breiten Arbeitsmarkt – und wenn, dann nicht nur vordergründig, um Auflagen zu erfüllen, sondern bitte auch auf Augenhöhe und mit offenen Ohren für Schwierigkeiten, die man vielleicht selbst (noch) nicht hat.

  2. Danke für diesen humorigen Beitrag. Ich habe wieder ein Grinsen im Gesicht und Kopfkino. Aber es ist schon traurig dass auch heute bei Renovierungen immer noch nicht mit echtem Interesse an „Versehrte“gedacht wird. Zumindest werden die Probleme nicht zu Ende gedacht. Lassen Sie sich nicht unterkriegen. :)