Hey, Erwachsene, jetzt reden WIR!

Politik und Medien sprechen zu wenig über die Kinder und Jugendlichen? Stimmt. Noch viel weniger sprechen sie MIT ihnen. Hier kommen sie jetzt selbst zu Wort und erzählen, wie es ihnen auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie so geht.

Protokolliert von Laura Geyer

Clara, 8. Klasse, Nicolaus-Cusanus-Gymnasium:
„Man hat das Gefühl, dass man auch bald dran ist.“

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„Ich hab nie gedacht, dass die Schulen daran schuld sind, wenn die Zahlen hoch waren. Jetzt denkt man sich: Es war noch nie so schlimm, und die Schulen sind trotzdem offen. Das ist ein seltsames Gefühl, dass man so lange zu Hause saß bei Zahlen, die im Vergleich so niedrig waren. Und jetzt sagen alle, dass die Schulen offen bleiben müssen. Hä?

Manchmal denke ich mir, ich will doch zurück in den Lockdown. Wenn ich auf die Zeit zu Hause zurückblicke, denke ich daran, dass ich viel mit Freunden telefoniert habe. Aber wenn ich tiefer nachdenke, erinnere ich mich, dass es eigentlich eine total doofe Zeit war. Es ging mir nicht gut, weil ich ein sehr sozialer Mensch bin. Ich brauche Leute um mich.

Jetzt fühl ich mich zwar wohl, wenn ich wieder mit all den Menschen zusammen bin, aber ich hab auch ein komisches Gefühl. Man fühlt sich irgendwie schlecht, mit Leuten zusammen zu sein, weil man denkt, dass man das nicht machen sollte.

Ich merke auch in meinem Umfeld, dass immer mehr Corona bekommen. Und dann frag ich mich immer: Warum hab ich das jetzt nicht? Man hat irgendwie das Gefühl, dass es so eine Liste ist, die abgehakt werden muss, und dass man auch bald dran ist.

Ich denke aber trotzdem, dass es besser ist, wenn die Schulen offen bleiben. Manchmal, wenn es kalt ist und alle Fenster auf sind, ist es sehr unangenehm. Aber ich sitze jetzt weiter hinten als früher, da ist es nicht so kalt. Was ich unfair finde: Die Lehrer sagen, dass wir unsere Mützen ausziehen sollen, aus Respekt. Aber wenn die Fenster auf sind, ist es halt schon so kalt wie draußen.“

Justus, 9. Klasse, Hauptschule Im Kleefeld:
„Irgendwie ist alles kacke.“

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„Meine Noten sind durch den Distanzunterricht rapide runtergegangen. Man bekommt einfach nicht so viel mit. Man sagt immer, ok, ich streng mich jetzt an. Dann erklären die das per Video und geben uns haufenweise Aufgaben auf, aber man versteht‘s nicht und kann sich einfach nicht konzentrieren, weil man dieses Schulfeeling nicht hat. Man sitzt halt zu Hause im Zimmer mit 1000 Ablenkungsfaktoren, kann währenddessen Netflix gucken oder keine Ahnung was.

Jetzt wieder in der Schule hab ich den Stand vom ganzen letzten Jahr nicht im Kopf, weil ich einfach nichts verstanden habe. Schrecklich. Die Lehrer meinen, wir hätten halt besser zuhören müssen. Haben wir ja. Nur nicht wirklich verstanden.

Meine Familie hatte in der Zeit selber viel zu tun. Theoretisch hätte ich meine Schwester fragen können, aber die hat in der Zeit ihr Fachabi gemacht. Mein Vater versteht davon nichts, meine Mom wohnt nicht bei mir.

In der 8, wo wir Distanzunterricht hatten, war das letzte Jahr, wo wir in E- und G-Kurse gehen konnten. Jetzt in der 9 können wir nur noch runter in die G-Kurse. Ich bin auf der Hauptschule. Wenn wir es nicht in E-Kurse geschafft haben letztes Jahr, können wir keinen Realschulabschluss machen. Das ist halt blöd.

Irgendwie ist alles kacke. Mit den Masken und so, es stört, überall. In der Schule testen wir alle zwei Tage. Bei jedem Test ist Aufregung dabei. Schrecklich. Immer Angst. Es ist nervig, richtig nervig. Ich hab keine Lust mehr. Ich wünsche mir, dass es einfach vorbei ist, einfach vorbei mit dem Ganzen.“

Alexa, 12. Klasse, Berufskolleg Bergisch Gladbach:
„Die Politiker:innen merken gar nicht, dass so ein Jugendzentrum für viele ein Rückzugsort ist.“

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„Der Lockdown war für mich richtig scheiße. Weil ich nur zu Hause saß. Online-Unterricht von 8 bis 16.30 Uhr, dann Zoom-Meetings vom Fresch (Jugendzentrum in Schildgen, Anm. d. Red.). Die waren jeden Tag von 16 bis 19 Uhr. Oder von einem anderem Jugendzentrum, die waren meistens erst später, gegen 18 Uhr. So hatte man wenigstens ein paar soziale Kontakte.

Aber ich saß nur am PC und dann am Handy, bis ich schlafen gegangen bin. Teilweise bin ich sogar am Handy eingeschlafen. Das war echt scheiße. Und nervig.

Außerdem hab ich einen Zwillingsbruder, der hat nebenan sein Zimmer, und der ist teilweise echt laut und nervig. Also kann ich zu Hause nicht mal in Ruhe reden, weil ich keinen Bock hab, dass mein Bruder mithört.

Die Politiker:innen merken gar nicht, dass so ein Jugendzentrum für viele ein Rückzugsort ist. Wenn man Stress zu Hause hat, freut man sich, in ein Jugendzentrum zu gehen. Weil man einfach mal abschalten kann. Und seine Freunde sehen kann.

Das Fresch ist mein zweites Zuhause geworden. Ich bin hier jeden Tag. Mittlerweile gehe ich noch in ein anderes Jugendzentrum, montags, das anyway. Das ist ein queeres Jugendzentrum in Köln. Das ist auch so ein Rückzugsort geworden, und ich kann mit den Leute da über alles reden.“

Titus, 8. Klasse, Integrierte Gesamtschule Paffrath:
„Wir Kinder werden ja kaum gefragt, wie es uns geht.“

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„Ich hatte letzte Woche einen positiven Test in der Schule. Da fällt einem erstmal das Herz in die Hose. Du denkst dir, scheiße, ich hab jetzt diesen Virus. Der PCR-Test war zum Glück negativ. Aber man hatte die ganze Zeit diese Angst, wird der jetzt positiv oder nicht. Das Ergebnis ist ja nicht sofort war. Ich musste zum Glück nur 24 Stunden warten und konnte am nächsten Tag schon wieder zur Schule.

Man konnte es überleben. Aber man hat sich irgendwie trotzdem eingeschränkt gefühlt. Ich dachte zum Beispiel, ich würde jetzt schon gerne mal raus, die Beine vertreten oder so, was man vorher nicht so gefühlt hat. Sobald man diesen Virus hat oder es vermutet, merkt man erst, was einem entgehen wird.

Ansonsten ist es in der Schulzeit recht normal. Die Masken im Unterricht machen es schwer, es ist einfach anstrengend, sie lange zu tragen. Aber ich finde es trotzdem momentan ganz ok in der Schule.

Ich bin deshalb, glaube ich, einer der wenigen, der auch in diesen Zeiten noch findet, dass Schule wichtig ist. Ich steuere auf das Ende der Schulzeit zu und möchte so viel wie möglich mitnehmen. Deswegen bin ich ein Freund davon, dass der Präsenzunterricht weitergeführt wird. Aber wir Kinder werden ja kaum gefragt, wie es uns geht.“

Lotte, 10. Klasse, Nicolaus-Cusanus-Gymnasium:
„Ich hab ein oder zwei Jahre einfach verloren. Die sind in meinem Kopf einfach weg.“

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„Ich glaube, die Politiker beschäftigen sich schon mit den Kindern und Jugendlichen, aber die können sich nicht in unsere Lage hineinversetzen. Zum Beispiel wenn sie sagen, die Schulen können wieder aufgemacht werden, aber man muss lüften. Diese Menschen sitzen nicht in den Klassenzimmern in der Kälte.

Ich trage in der Schule durchgehend meine Jacke. In manchen Kursen kann man Glück haben und an der Heizung sitzen. Aber sonst ist es kalt. In der Pause sitzen wir in der Cafeteria auf dem Boden, da muss auch immer die Tür aufstehen. Wenn wir Langtage haben, dürfen wir nicht drinnen essen. Das heißt, wir müssen uns raus setzen, auch wenn‘s regnet oder schneit. Es ist einfach überall kalt.

Die Politiker können das alles nicht nachvollziehen. Aber sie sagen, so ist das jetzt, und da müsst ihr mit leben.

Wenn es sehr hohe Zahlen gibt, wünsche ich mir, dass man doch über einen Lockdown nachdenkt. Oder Wechselunterricht, also dass man einen Tag in die Schule geht und einen Tag zu Hause bleibt. Man muss halt auf sehr viel achten in der Schule. Man denkt einfach die ganze Zeit drüber nach. Wenn ich an Langtagen doch irgendwo hingehe und drinnen esse, ist da immer die Frage: Kann ich das jetzt hier machen, oder steck ich mich dann irgendwo an? Ich hab manchmal sogar Angst, beim Essen zu atmen.

Gut finde ich, dass die Menschen jetzt mehr Abstand halten. Ich war vor Corona schon nicht so gerne in Gruppen mit vielen Leuten. Und für die Umwelt waren die Lockdowns auch gut.

Aber insgesamt muss ich sagen: Ich hab ein oder zwei Jahre einfach verloren. Die sind in meinem Kopf einfach weg. Es ist so, als wär das letzte Jahr 2019 gewesen. Das verblasst so ineinander. Alles war eintönig und monoton und gleich, ich hab da keine Struktur drin. Alles war Corona.“

Anna, 4. Klasse, Gemeinschaftsgrundschule Paffrath:
„Ich hab immer ein bisschen Angst, dass ich positiv bin“

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„Wir testen uns meistens dienstags und donnerstags. Der Lolli-Test schmeckt niemandem so richtig. Und ich hab immer ein bisschen Angst, dass ich positiv bin.Aber es hat ja auch Vorteile, wenn man es bekommt, dann ist man danach genesen.

Manche Kinder in meiner Klasse sind schon geimpft. Ich hab meine Mama gefragt, wann sie mich impfen lässt. Sie hat gesagt, dass sie damit lieber noch ein bisschen warten möchte, das war für mich ok.

Ich finde es nicht so toll, das wir am Platz die Maske tragen müssen, aber in der Frühstückspause und draußen dürfen wir die abziehen. Ich hab eigentlich gehofft, dass das letztes Jahr schon weggeht und dass wir keine Masken mehr tragen müssen, aber das hat ja leider nicht geklappt.

Die Schule macht mir trotzdem Spaß. Es ist auf jeden Fall besser, als zu Hause zu sein! Ich fand‘s total doof, als wir zu Hause gelernt haben. Ich komme nicht ganz so gut klar damit, und irgendwie vermisse ich dann auch immer meine Mitschüler. Und ich finde, mit Lehrerin geht’s einfach besser, und der Unterricht macht mehr Spaß.“

Izan, 10. Klasse, und Zeidi, 12. Klasse, Berufskolleg Bergisch Gladbach:
„Das Blöde finde ich, dass jetzt fast überall 2G ist.“

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Zeidi: „Corona ist sehr schwierig. Das Blöde finde ich, dass jetzt fast überall 2G ist. Ich war lange nicht geimpft. Das war ein bisschen blöd, man vermisst halt in Läden reinzugehen, oder auch mit Freunden einfach im Restaurant zu essen.“

Izan: „Wir hatten einen Laden, da sind wir immer hingegangen, da konnte man das Handy aufladen, hatte Internet, wie so ein Jugendzentrum. Da gab‘s auch Leute, die einem helfen, Schulaufgaben zu erledigen. Da kann man nicht mehr rein, ohne dass man geimpft oder genesen ist. So was nervt auch, wenn man für die Schule ein bisschen Unterstützung braucht.“

Ilva, 12. Klasse, Berufskolleg Bergisch Gladbach:
„Ich hab gelernt, die Momente zu genießen, die man kriegt.“

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„Wir haben immer mehr positive Fälle in der Schule. Im September hab ich auch dazu gehört. Da geht jetzt wirklich so langsam einer nach dem anderen. Deswegen würde ich mir im Moment nochmal einen Lockdown wünschen.

Nicht weil ich gerne zu Hause wäre. Aber ich denke, gerade für die älteren Schüler ist das was mögliches. Über Grundschulen lässt sich diskutieren. Aber ich finde einfach, dass wir alle ja auch für die Menschen in unserem Umfeld mit Verantwortung tragen. Und ich finde das super schwer, wenn man mit 20 Leuten in einem Klassenraum sitzt.

Ich war ganz lange gegen die Impfung. Aus Halbwissen, würde ich jetzt sagen. Weil ich häufig gehört hab, das kann unfruchtbar machen. Als dann der, ich nenn es mal, indirekte Impfzwang anfing, also dass Ungeimpfte nirgendwo mehr rein dürfen, da hab ich für mich gesagt: Jetzt erst recht nicht. Also so ein bisschen als Trotzreaktion.

Ich hab mich dann aber trotzdem dafür entschieden. Ich arbeite in einem sozialen Beruf, im Jugendzentrum Fresch und auch noch an einer weiterführenden Schule in der Ganztagsbetreuung. Da hab ich Verantwortung für jüngere Kinder, die sich noch nicht entscheiden können, ob sie sich impfen lassen oder nicht.

Außerdem will ich nächstes Jahr studieren und möchte mir einfach meine Möglichkeiten offen lassen. Und nur weil ich mich aus Trotz wie ein kleines Kind nicht impfen lassen will, möchte ich nicht auf meinen Arbeitsplatz oder ein Studium verzichten müssen.

Ich hab dann viel mit verschiedenen Leuten geredet, die sich mehr damit auseinander gesetzt haben, und ich hab mit meiner Ärztin einen Gesprächstermin vereinbart. Weil ich da einfach für mich mit meiner Gesundheit auf der sicheren Seite sein wollte.

Corona hat für mich aber auch was Gutes: Ich hab mehr gelernt, die Momente zu genießen, die man kriegt. Gerade durch den ersten Lockdown, in dem ich fast zwei Monate gar nicht rausgegangen bin, weil ich Asthmatikerin bin. Klar, man ist digital, man kann facetimen, zoomen und so weiter. Aber dadurch hab ich gelernt, die richtige Zeit mit den Leuten mehr zu nutzen, nicht dauernd am Handy zu sein, wie man das vorher gemacht hat.“

Hinter der Geschichte

Ich habe mit Kindern und Jugendlichen aus meiner Nachbarschaft und im Schildgener Jugendzentrum Fresch gesprochen. Als ich ihnen erzählte, dass ich gerne einmal von jungen Menschen selbst hören wollte, wie es ihnen geht, wollten alle sofort mit mir reden. Ich habe jeweils ein paar Fragen gestellt, sie vor allem aber einfach erzählen lassen. Wie man sieht, hatten sie einiges zu sagen.

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