Valentina und Toni Wesseling
Foto: Lara Dziendziol

Valentina Wesseling ist 40 Jahre alt und lebt in Hebborn. Gemeinsam mit ihrem Sohn Toni Rio. Für Toni sucht die alleinerziehende Mutter und Freiberuflerin dringend einen Betreuungsplatz, damit sie wieder arbeiten kann. Die Aussichten sind schlecht, sie sieht ihre berufliche Existenz gefährdet. Hier berichtet sie, wie schwierig die Suche nach einer Betreuung ist.

Aufgezeichnet von Holger Crump

Wer sind wir

Toni Rio und ich leben seit Herbst 2020 hier in Bergisch Gladbach Hebborn. Geboren bin ich in Köln-Dellbrück. Ich bin freiberufliche Projektleiterin für Mode-Marketing und Event-Management.

Ich kümmere mich alleine um meinen zweijährigen Sohn, lebe getrennt. Tonis Vater lebt und arbeitet auf einer Nordsee-Insel, er scheidet aufgrund der Distanz bei der Betreuung aus. Hilfe habe ich lediglich durch meine Eltern und meine Schwester, die in Köln leben.

Toni sollte eigentlich seit 1. August für 30 bis 40 Stunden die Woche in die Betreuung gehen. Damit ich mich wieder um meine Existenz kümmern kann. Ich suche jetzt seit über einem Jahr nach einem Platz.

Was hätten wir gerne

Für die Betreuung meines Sohnes wünsche ich mir – wie wohl alle Eltern – einen liebevollen Umgang, Regeln und Strukturen, aber auch Freiraum zum lernen. Viel Zeit an der frischen Luft, klar, schön wäre ein Outdoor-Konzept.

Und eine abwechslungsreiche Ernährung. Kein Null-Acht-Fünfzehn-Catering mit fünfmal Nudeln in der Woche.

Was haben wir schon gemacht

Meine Wunschvorstellung wäre Kita statt Tagesmutter. Ich finde in der Kita ist mehr Sozialkontrolle gegeben, und man bekommt als Eltern mehr Einblick. Zudem würden wir mit dem Kitaplatz nur einmal die Eingewöhnung durchlaufen. In die Tagespflege ergäbe sich unter Umständen nach einem Jahr erneut die Situation, Toni an neue Erzieher und Kinder zu gewöhnen.

In der Tagespflege sehe ich ein Personalproblem – ist die Pflegerin mal ausgefallen, dann ist man aufgeschmissen und muss improvisieren. In einer Kita scheint mir das leichter koordinierbar zu sein. Wohnortnah wäre natürlich auch schön!

Ich habe über das Little Bird-Portal diverse Anfragen gestellt. Zudem viel persönlich recherchiert und bei Kitas direkt angerufen. Für 2022 haben alle abgewunken und auf 2023 verwiesen.

Zwar gab es zwei Treffen und auch eine Videokonferenz über mehrere Stunden, aber wir haben leider immer wieder Absagen erhalten. Weitere Rückmeldugen von Kitas, die ich angeschrieben habe, gibt es nicht.

Persönliche Kontakte haben bislang ebenfalls nicht geholfen, zum Beispiel beim Gespräch mit Tagesmüttern. Die haben vor allem Kinder aus ihrem Stadtteil im Fokus.

Und ich habe nicht das Gefühl, dass meine Situation als alleinerziehende, selbstständige Mutter auch nur annähernd ein Vorteil war. In dem Sinne, dass wir dadurch bei der Auswahl etwas nach oben rutschen auf den Wartelisten.

Das Jugendamt, bei dem ich mich gemeldet habe, hat uns auch auf eine Warteliste gesetzt. Beim Amt macht man uns für dieses Jahr ebenfalls keine großen Hoffnungen.

Was sind die Konsequenzen

Foto: V. Wesseling

Stand heute haben wir noch keinen dauerhaften Platz gefunden.

Zwar hatten wir Anfang August kurz einen Platz bei einer Tagesmutter. Nach gut einer Woche habe ich aber die Eingewöhnung abgebrochen. Aus Sicherheits- und Hygienegründen kam die Pflegestelle für uns nicht infrage. Die Infrastrukturen hätten optimiert werden müssen.

Hier hätte meiner Meinung nach das Jugendamt genauer hinschauen müssen. Die besagte Tagesmutter und die Umgebung hätten so nicht frei gegeben werden dürfen. Auch eine andere Familie hat die Betreuung nach knapp einer Woche dort abgebrochen.

Ich weiß noch nicht wie es weitergehen soll. Meine Existenz als Freelancerin ist gefährdet, da ich dringend arbeiten muss und auf das Einkommen angewiesen bin.

Wie geht es weiter?

Angesichts des Betreuungsplatzes bei der Tagesmutter hatte ich für freiberufliche Projekte zugesagt und stehe bei den Auftraggebern im Wort. Nun ist die Situation seit Wochen ungeklärt!

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Natürlich schaue ich mich nach weiteren Alternativen um. Klar, den Rechtsanspruch kann man einklagen. Aber dafür fehlen mir Zeit und Nerven, und ich wäre froh wenn es einen einfacheren Weg geben würde.

Generell fühle ich mich derzeit – nach über einjähriger und erfolgloser Suche – von den Institutionen und Playern der Kinderbetreuung alleine gelassen.

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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3 Kommentare

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  1. Die Situation ist wirklich extrem belastend. Ich selbst bin auch alleinerziehend und finanziell auch einfach darauf angewiesen arbeiten gehen zu können. Als Grundschullehrerin habe ich dabei leider 2 feste Tage, die ich bis 14 bzw. 15 Uhr arbeiten muss, selbst wenn ich auf eine halbe Stelle runtergehen würde. Dadurch gehen leider 25h/35h-Plätze für uns nicht, es müssten 45h sein.

    Seit September 2020 (noch im Mutterschutz) bemühe ich mich um einen KITA-Platz, bisher erfolglos. Wir haben 2021 eine wirklich tolle Tagesmutter gefunden, aber die möchte die Kinder über 3 nicht mehr weiterbetreuen, was ja auch so eigentlich nicht vorgesehen ist. Mich ärgert es unheimlich, dass ich jetzt schon wieder so viel Energie aufwenden muss und so viele Klinken putzen muss und überall nur höre, dass es kaum Plätze gibt und 45h für 3Jährige schon gar nicht.

    Hier würde ich mir wirklich mehr Initiative der Stadt wünschen und vielleicht sogar ein Stadtteilauswahlverfahren, wo ermittelt wird, welche Familien die Plätze am dringendsten brauchen und diese bei der Verteilung der Plätze zu bevorzugen. So kenne ich das aus unserer OGS. Abhilfe schaffen würden genug KITA-Plätze in jedem Stadtteil. Dass dies seit Jahren nicht möglich ist, ist ein Unding.

  2. Mein Mitgefühl für Frau Wesseling und ihren Sohn. Die derzeitige Kita-Situation ist wirklich sehr herausfordernd, für alle Beteiligten. Ich habe auch großes Verständnis dafür, dass sie den Platz bei der Tagesmutter trotz ihrer dringenden Lage gekündigt hat, wenn sie dort ein schlechtes Gefühl hatte. Was ich aber nicht verstehe ist, warum sie nicht von ihrem Recht Gebrauch macht den Kitaplatz einzuklagen und sich zeitgleich von den Kitas alleine gelassen fühlt.

    Seit Jahren besteht nun schon der Fachkräftemangel in den Kitas. Während dies in den vergangenen Jahren vor allem zu Lasten der Kinder und Erzieherinnen ging merken jetzt leider endlich auch viele Eltern das es so nicht weiter gehen kann. Anstatt sich nun aber mit den Erzieherinnen zu solidarisieren und dem Staat Feuer unterm Hintern zu machen, den Kitas die Schuld für die Misere zu geben, empfinde ich als unfair und zudem sehr unkonstruktiv.

    Wir Erzieher bitten und betteln seit Jahren um bessere Arbeitsbedingungen, auf das es weniger Burnout und Berufsaussteiger und mehr interessierte Berufsanfänger gebe. Auf uns hört aber keiner! Vielleicht würde man ja mal reagieren, wenn tausende Eltern einen Kitaplatz einklagen? Aber wenn sogar Eltern die am meisten unter fehlenden Kitaplätzen leiden zu bequem dafür sind für sich und ihre Kinder einzustehen….Wie soll sich denn dan etwas ändern?

    1. Klagen scheint mir nur im Einzelfall der richtige Weg zu sein. Davon bekommen wir kurzfristig auch nicht mehr Fachkräfte. Im Zweifel werden die Städte in ihrer Not einen Betreuungsplatz anbieten, den man dann doch nicht nutzen kann. Soweit ich weiß, gelten einfache Wege mit einer PKW-Fahrtzeit von 30 Minuten zwischen Wohnort und Betreuungsplatz vor dem Gesetz als zumutbare Entfernung. Meiner Meinung nach wäre eine solche Entfernung aber unzumutbar.

      Auf jeden Fall zeigt der geschilderte Fall aber meiner Meinung nach sehr gut, dass die populistische Forderung (von Politikern diverser Cou­leur geäußert) nach beitragsfreier Tagesbetreuung die eigentlichen Probleme verkennt.