Mit Carola Willbrand ist eine wichtige Vertreterin der Fluxus-Bewegung in der Villa Zanders zu sehen. Die neue Ausstellung zeigt die ungemein große Bandbreite dieser außergewöhnlichen und produktiven Künstlerin – mit Nähzeichnungen, Rauminstallationen und einer überraschend vielfältigen Interpretation der Gattung „Künstlerbücher“. Lässig, und zuweilen mit einem Augenzwinkern.

Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich

„Der Künstlerinnen-Komplex“ lautet der Titel dieser Ausstellung. Er lässt sich zweifach lesen: Natürlich als Frage nach der Position von Künstlerinnen innerhalb der Kunst. „Der Weg ist noch lange nicht zu Ende gegangen, sagt die Direktorin des Kunstmuseums Villa Zanders, Petra Oelschlägel.

Zugleich verweist der Titel auf den stark autobiografischen Bezug in Carola Willbrands Werk und in den ausgestellten Arbeiten. Dreh- und Angelpunkt sind Frauen und Künstlerinnen, denen sie auf ihrem Lebensweg begegnet ist, die sie geprägt haben. Die ihr Impulse für die künstlerische Arbeit oder auch die eingesetzten Techniken gegeben haben. Mit denen sie sich intensiv auseinandergesetzt hat.

Sie können jedes Foto mit einem Klick groß stellen. Fotos: Thomas Merkenich

Tante Käthe

So wie Anni Albers, eine deutsch-amerikanische Textilkünstlerin. Oder Lousie Bourgeois, die Weltenbummlerin Willbrand in New York getroffen hat und der sie vor allem Impulse in punkto Kunst und Feminismus zu verdanken hat.

Und natürlich Tante Käthe, genauer Käthe Schmitz-Imhoff. Die ältere Schwester ihres Vaters, die erste Frau, die bei Heinrich Nauen in Düsseldorf Kunst studiert hat. Über sie findet Willbrand zu weiteren Künstlerinnen ihrer Generation. Und letztlich zum Ausbruch aus und dem Aufbruch in ein neues, selbstbestimmtes Leben als Frau und Künstlerin.

„KSI“, das Kürzel ziert einige der ausgestellten Werke in der Villa Zanders, so wie die Namen vieler weiterer Künstlerinnen.

„Meine Generation hatte unter den Künstlern keine weiblichen Vorbilder“ – der Satz aus Willbrands Buch „Alle meine Künstlerinnen sind Superheldinnen“ bringt es auf den Punkt: Was heute selbstverständlich ist, mussten sie und ihre Vorläuferinnen bzw. Wegbleiterinnen sich mühsam erarbeiten.

Foto: Thomas Merkenich

Ungeheure Schaffenskraft

Davon erzählt die Ausstellung. Zugleich ist eine Künstleirn zu sehen, die sich mit ungeheurer Schaffenskraft ein bemerkenswertes Werk erarbeitet hat. Mit Performances, die in der Ausstellung im Video zu sehen sind. Live zu erleben zur Vernissage und während der Ausstellung.

Carola Willbrand. Der Künstlerinnen-Komplex
Kunstmuseum Villa Zanders
29. Januar bis 21. Mai 2023
Dienstag und Freitag 14 bis 18 Uhr, Mittwoch und Samstag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 14 bis 20 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 bis 18 Uhr
Zur Ausstellung ist eine Edition (vier Unikate) mit Nähzeichnungen erschienen
Infos zum umfassenden Begleitprogramm auf den Webseiten des Kunstmuseums

Oder mit Künstlerbüchern. Den Gattungsbegriff fasst Carola Willbrand enorm weit. So sind gebundene Arbeiten auf geflochtenem Papier zu entdecken. Fotoabzüge der Werke befreundeter Künstlerinnen mit aufgenähten Portraits. Oder Installationen wie das überdimensionale, dreiteilige Rollbild „Quellenwerk“ sowie der „Künstlerinnen-Schutzmantel“.

„Wenig abstrakt sind ihre Zeichnungen, sie bleiben am Körper. Sitzen, stellen, legen, halten wird immer wieder thematisiert“, schildert Petra Oelschlägel, die die Ausstellung kuratiert hat.

Und die vielen Nähzeichnungen. Auf Tapete, auf selbst geschöpftem Papier, als ironische Portraits.

Aber auch als raumfüllende Installationen, wie die Arbeit „HimmelHölleKleid“. Mit akribischer Nähkunst – anders kann man die filigranen und auf hohem zeichnerischen Niveau umgesetzten Fadenstiche nicht bezeichnen – werden Motive eines Totentanz ausgebreitet.

Wo keiner ist muss man sich auch nicht fürchten!

aus dem Künstlerbuch zum Pilgerinnen-Codex von Carola Willbrand

Vom Segel zur Kunst

„Handarbeit fand ich das Allerletzte“, schmunzelt Carola Willbrand gleichwohl, wenn man sie nach den Ursprüngen ihrer Arbeit mit Faden und Nähmaschine befragt.

Eigentlich – bis sie eine wunderschöne Schweizer Nähmaschine findet und ein Freund sie bittet, das Segel für sein Boot zu nähen. Für eine Weltumrundung. „Wenn ich ein Segel nähen kann, dann kann ich auch anderes tun“, meint sie daraufhin lapidar. Mit bekanntem Ergebnis.

Upcycling, das betreibe sie bereits seit 40 Jahren, erzählt Willbrand dann. Wobei sie das Material stets verändere, etwas Neues daraus entstehen lasse. Wie bei ihren Skulpturen, wo sie alte Kleidung zu amorphen Gebilden formt. Oder dem Papier ihrer Installationen, das sie ebenfalls aus Kleidung gewinnt.

All das ist Ausgangspunkt ihrer künstlerisch-autobiografischen Erkundungen.

Der Faden

Lochkarten eines alten Webstuhls hat sie zu einem Leporello verarbeitet – einer weiteren Interpretation der Gattung „Künstlerbücher“. Zeichnungen und Text, ausgebreitet zu einem Wandteppich. „Der Faden hält die Welt zusammen“, lautet der Titel.

Das Kunstmuseum hat die Arbeit im vergangenen Jahr mit Mitteln des städtischen Ankaufetats erworben, so Oelschlägel. Sie ergänzt nun die Sammlung aus Papier um ein weiteres Meisterstück – und ist in der Ausstellung erstmals vor Ort zu sehen.

Überhaupt – der Faden: „Er hängt mit dem Leben zusammen“, so Carola Willbrand. Sie präsentiert handschriftliche Notizen auf den Wänden der Ausstellung. Mit Gedanken der Theoretikerin Hannah Ahrendt, wonach sich die Erlebnisse der Menschen wie Fäden verknüpfen, die Geschichte des Individuums in der Gesellschaft formen.

Insofern passt der Faden dann auch ungemein zum autobiografischen Ansatz von Willbrand.

Pracht- und humorvoll

Es ist eine barocke Pracht, welche das Kunstmuseum mit den Arbeiten von Carola Willbrand entfaltet. Eine Pracht, auf die der Besucher gleich im ersten Raum trifft, wenn sich Willbrands Wegbegleiterinnen auf Stelen fast zu einer Art Empfangskomitee aufrichten. Schräg und geheimnisvoll, zuweilen auch skurill, mit Namen auf alten Karnevalsorden.

Als Künstler kann man machen was man will, das muss ja garnicht alles stimmen.

Caroloa wilbrand

Kunst, erfrischend leicht mit einem Augenzwinkern präsentiert. „Man muss doch nicht an alles so bierernst rangehen“, meint die Künstlerin dann auch. Und erzählt von einer Performance in einer Straßenbahn, die mit der Befragung nach ihrem Geisteszustandes und einer ordentlichen Portion Heiterkeit endet.

Carola Willbrand, das macht die Begegnung mit ihr deutlich, muss man einfach über ihr Werk sprechen hören. Und sie weiß viel zu berichten!

Daher die dringende Empfehlung: Studieren Sie das umfangreiche Rahmenprogramm, und nutzen Sie die Gelegenheit die Künstlerin inmitten ihrer Ausstellung zu erleben!

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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1 Kommentar

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  1. Merci Carola, bravo pour cette très belle exposition. En attendant de nous y rendre et te rencontrer en action sur le site. Bien amicalement à vous deux,
    Jacqueline et Gilles