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„Kosmos an Farben“: Villa Zanders zeigt Duochrome von Christoph Gesing

221 Bilder im DIN A4 Hochformat. Zwei Farben pro Blatt, genannt Duochrome. Aufgeteilt auf acht Räume. Das sind die nackten Zahlen zur neuen Ausstellung im Kunstmuseum Villa Zanders, mit Werken von Christoph Gesing. Was zunächst etwas spröde klingt, entpuppt sich als meditatives Erlebnis – das dank einer sorgfältigen Hängung Momente von ungeheurer Spannung erzeugt. Und in dem einer Mittellinie eine entscheidende Bedeutung zukommt.

Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich

Christoph Gesing schiebt seinen Stuhl zurück: „Wir haben Glück mit dem Licht!“ Der Kölner Maler marschiert ins Treppenhaus der Villa Zanders. Hier liegt für ihn der Ausgangspunkt beim Gang durch seine aktuelle Ausstellung „Duochrome“. Gesing hat den Ort „Morgen-Raum“ getauft.

Die Sonne strahlt an diesem Vormittag durch die unverhüllten Fenster. Und bescheint zweifarbige Bilder in Weiß, Gelb, Rosa oder Orange. Der Kontrast zur Wand ist zuweilen schwach, aber genau so gewollt. Mit Abstand lassen sich manche Blätter nur erahnen.

Hier geht die Reise durch die neue Ausstellung des Kunstmuseums los. Durch einen „Kosmos an Farben“, so die Direktorin des Kunstmuseums, Petra Oelschlägel.

Foto: Thomas Merkenich

Komposition auf dem Blatt

Ab Sonntag zeigt das Kunstmuseum Villa Zanders einen Auszug aus Gesings Werkgruppe der Duochrome. Gesing malt sie seit 2009, als unverändertes Konzept. Auf DIN A4 Blättern, 190 Gramm schwer, im Hochformat. Radikal reduziert auf zwei Farben, in der Mitte geteilt.

Duochrom von Christoph Gesing, Foto: Michael Wittassek

Der Maler geht bei der „Produktion“ (bei dem Begriff gerät er selbst ins Stocken) in zwei Schritten vor: Die erste Farbe – stets Acryl – wird vollformatig aufgetragen. Nach Trocknung und Pressung folgt die zweite Farbe, exakt auf der Hälfte des Blattes, entlang einer gedachten Mittellinie. Aufgetragen mit Pinsel oder als Schüttung.

„Malerei mit zwei Farben kann so vielfältig sein!“

Christoph Gesing

Christoph Gesing, Foto: Thomas Merkenich

Das ist die erste Ebene der Ausstellung: Das Bild, die Komposition auf dem Blatt. Es lohnt sich, darin einzutauchen.

Die Arbeiten weisen hier und da Pinselstriche auf, erzählen mit verdichteten Pigmenten vom Trocknungsprozess. Die Farbe zieht sich zuweilen an den Rändern zusammen. Es lassen sich Arbeitsschritte entlang der Kante an der Mittellinie der Blätter erahnen.

Christoph Gesing – Duochrome
Kunstmuseum Villa Zanders
Dauer: 5. März bis 6. August 2023
Vernissage: Sonntag, 5. März, 11.30 Uhr, mit Musik von Pi-hsien Chen (Piano)

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit einem Text von Petra Oelschlägel (20 Euro) sowie eine Edition in einer Auflage von vier Blättern (Acryl auf Papier, DIN A4, je 700 Euro)

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So gleichförmig die Bilder auch scheinen mögen: Es sind allesamt Unikate, die für sich alleine bestehen könnten. Sie leben zuweilen vom strengem Kontrast. Es sind aber auch Arbeiten zu sehen , die fast eine einzelne Farbe vermuten lassen, die mit dem Hintergrund verschmelzen.

Was ist oben und unten, was geschieht beim Aufeinanderstoßen der Farben entlang der Mittellinie? Und welche Farbe wurde zuerst aufgetragen? Das macht sehr wohl einen Unterschied, wie ein Blick in die Vitrine mit der vierteiligen Edition in Rot-Blau verdeutlicht.

Komposition im Raum

Gesing ist an diesem Morgen in seinem Element und führt launisch durch die Räume. Die Farben entwickeln sich weiter. Es geht hinein in den roten Raum, „mit einem kleinen pinken Impuls“. Weiter zu einer Serie in Blau und weiß. „Blue Velvet“ – Gesing nennt einen Filmtitel als Inspirationsquelle. Schmunzelt, wenn er den „Darkroom“ vor der Artothek betritt.

Zwischendurch erzählt er von der Komposition der Ausstellung im Raum. Der Abstand der Blätter sei exakt bemessen – doppelte DIN A4-Breite. So könne der Betrachter nah am Bild sein, es einzeln betrachten. Mit mehr Abstand aber zugleich mehrere Bilder erfassen, einen sanften Rhythmus wahrnehmen.

Und Bezüge herstellen: Zwischen den Bildern an der Wand, im Raum, zwischen den Ausstellungsräumen. Es ist eine strenge Hängung, keine Frage. Aber sie ebnet den Weg, zum Parcours durch die Farbwelten. Fast wie eine Fuge von Bach – formal streng im Aufbau, dennoch frei und emotional im musikalischen Ergebnis.

„Besucher sollten sich treiben lassen, es gibt keinen festen Weg
durch die Ausstellung. Entwickeln Sie Ihren eigenen Betrachtungsrhythmus!“

Christoph Gesing

Bei der Gesamtbetrachtung kommt die Mittellinie der Werke ins Spiel. Sie teilt jedes Blatt in der Mitte, dank der exakten Hängung zieht sie sich – fein austariert – als gedachte Linie durch alle Räume.

Diese Achse hält das Ganze zusammen. Es entsteht Spannung, Stimmung, ein Dialog zwischen den Werken.

Die Skizzen der Hängung vermitteln einen Eindruck vom durchkomponierten Farbverlauf der Duochrome in den Ausstellungsräumen (Quelle: Katalog zur Ausstellung)

Dieses markante Detail der Linie wird übrigens auch im wundervoll gestaltenen Katalog aufgegriffen. Ein Blick hinein lohnt sich!

Die Gesamtkomposition der 221 Blätter gibt es in dieser Form nur in der Villa Zanders zu sehen. Er habe sie, so Gesing, eigens für diese Ausstellung aus der riesigen Sammlung seiner Duochrome entwickelt. Die bewahre er übrigens in Schachteln in seinem Atelier in Köln-Ehrenfeld auf.

Erst malen, dann abstrahieren

Die Duochrome bilden nur eine Werkgattung im vielfältigen Oeuvre von Christoph Gesing. Der Künstler malt zudem auf Leinwand, Holz und Glas. Interessant ist ein Blick zurück, zu seinem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Bei Gerhard Richter und Erwin Heerich. Dort wurde die Basis für den Spannungsbereich seiner Malerei gelegt:

Richter habe ihm den Weg vom Gegenständlichen zum Abstrakten gezeigt. Heerich lehrte ihn die Arbeit mit dem Raum. Darauf aufbauend entwickelte Gesing dann seine immer stärkere Reduktion der Malerei.

„Bei Richter malte ich zunächst Stilleben, dann Fotos. Erst dann konnte ich machen
was ich wollte und abstrakt werden. Das war wichtig, um den Aspekt der farblichen Richtigkeit zu erlernen.

Christoph Gesing

„Ein toller Kontrapunkt zur parallel stattfindenden Ausstellung von Carola Willbrand hier im Haus“, so Petra Oelschlägel zu den Duochromen von Christoph Gesing. Es sei ein Fest für die Sinne – wenn auch ein leises.

Und in der Tat: Hat man als Besucher den formalen Aufbau durchdrungen, kann es mit dem meditativen Vergnügen losgehen.

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