Fauler Kompromiss oder Chance? Umbau der Laurentiusstraße stößt auf geteiltes Echo

Mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer, weniger Parkplätze, Beibehaltung der Verkehrsführung: Die neuen Pläne der Stadt für die Laurentiusstraße produzieren Debatten. Immobilienmakler Felix Nagelschmidt behauptet, nur ein einziger Geschäftsinhaber wolle den Umbau. Stimmt das?

Nur noch zehn Parkplätze, ein paar Be- und Entladezonen. Dafür mehr Platz für Fußgänger durch breitere Bürgersteige und mehr Sicherheit für Radfahrer: Vor wenigen Tagen hat die Stadt ihre Pläne für die Sanierung und Umgestaltung der Laurentiusstraße präsentiert und bittet nun auf ihrer Webseite um Anregungen.

Ähnlich wie das an dieser Stelle gescheiterte Projekt „Fahrradstraße“ löst auch der neue Vorschlag intensive Debatten aus. Immobilienmakler Felix Nagelschmidt erklärt sich zum Sprachrohr der Gewerbetreibenden in der Laurentiusstraße und schreibt in den Kommentaren zu unserem Beitrag: „Außer dem Radfahrladen will diese Aufwertung KEIN Geschäftsinhaber“ (Hervorhebung wie im Original). Ist das wirklich so?

Wir haben uns in den Geschäften der Straße umgehört. Das Ergebnis der Umfrage finden Sie hier in einer Zusammenfassung. Weiter unten die Aussagen von Gewerbetreibenden im Detail.

Das „Haus Liederkranz“ ganz rechts hatte zuletzt das Café Tilda beherbergt, steht seit dem Frühjahr aber leer. Foto: Thomas Merkenich

Kurz & knapp: Geteiltes Echo

Ja, es gibt unter den Geschäftsleuten der Straße einige Befürworter für einen Beibehalt der Parkflächen, weil sie für den Kundenverkehr unabdingbar seien. Aber nicht jeder Gewerbetreibende mit Publikumsverkehr beharrt darauf, da die Geschäfte mittlerweile auch mit dem Rad angefahren werden. Oder die Kunden das naheliegende Parkhaus im Marienkrankenhaus, den Buchmühlenparkplatz, die Parkpalette oder das Parkhaus Bergischer Löwe nutzen.

Problematisch bleibt für viele die Be- und Entladezone. Wer darauf angewiesen ist, zum Beispiel wegen großen und schweren Lieferungen, wünscht solch eine Fläche vor dem Geschäft. Und nimmt mangels vorhandener Möglichkeiten im Zweifel ein Knöllchen in Kauf.

Auch in punkto Bürgersteig und Sitzgelegenheiten gehen die Meinungen im Gewerbe auseinander. Klar, ein Gastro-Betrieb freut sich wenn er Tische und Stühle auf dem Trottoir platzieren kann. Andere betonen die Chance auf eine ruhigere Straße, die damit einhergeht.

Viele äußern die Hoffnung, dass sich nach der Schließung des Café Tilda wieder ein Café in der Straße ansiedelt, mit Innen- aber eben auch Außengastronomie. Sie setzen die Hoffnung auf Flaneure, die sich dadurch angezogen fühlen.

Diese Visualisierung gibt den aktuelle Planungsstand der Stadt für die Laurentiusstraße wieder. Foto: Stadt GL

Hinweis der Redaktion: Die Skizzen des ersten Entwurfs für die Neuestaltung dokumentieren wir in diesem Beitrag ganz unten. Die Stadt argumentiert, dass die Geschäfte dank der Parkmöglichkeiten auf der Buchmühle, im Parkhaus Marienberg, im Parkhaus Bergischen Löwen und in der Parkpalette Buchmühle weiterhin gut sei. Von einer neuen Aufenthaltsqualität würden daher „nicht nur die Anwohnenden, sondern auch der Einzelhandel profitieren.“

Andere bezweifeln, dass die Umgestaltung zum Bummeln einladen werde, so die Skeptiker des Konzepts. Die Passanten blieben so oder so aus, weil die Straße schon halb ausgestorben sei, lautet das Argument. Die Rede ist von einem faulen Kompromiss, der keine Seite wirklich zufrieden stelle.

Zudem machen sich einige Geschäfttreibende generell Sorgen über die Baumaßnahmen. Eine Sperrung der Straße würde den Publikumsverkehr behindern, so der Tenor. Dies sei bei früheren Baumaßnahmen in ähnlicher Weise der Fall gewesen.

Meinungs-Check des Bürgerportals: Die Bewertung der Pläne durch die Geschäftsleute der Laurentiusstraße ist keineswegs so eindeutig wie von Felix Nagelschmidt dargestellt. Einige Einschätzungen ergeben sich durch Bedarfe, welche die Kundschaft des jeweiligen Geschäfts hat. Es gibt durchaus Stimmen, die eine Beruhigung und Begrünung über den Parkplatz-Komfort stellen und sich durch eine Erhöhung der Aufenthaltsattraktivität einen Impuls für die Laurentiusstraße erhoffen.

Die Stimmen im Einzelnen

Desinteresse

„Ich kenne die neuen Pläne nicht“, sagt Maruja Garcia y Prieto, Inhaberin des Bekleidungsgeschäfts Dario Donna & Uomo in der Laurentiusstraße 5. Ihr sind die Pläne zur Umgestaltung der Laurentiusstraße aber auch egal.

Sie habe überregionale Kunden. Ob die Sitzplätze im Außenbereich genutzt würden, da habe sie ihre Zweifel.

Foto: Thomas Merkenich

Pluspunkt Außengastronomie

Die Familie Badran betreibt den Pizza-Lieferservice La Milano in Hausnummer 25. Für den Senior-Chef sind die Pläne der Stadt neu, aber kommen seinen Wünschen entgegen, speziell was die Verbreitung des Bürgersteigs betrifft. „Ich will ohnehin Tische auf den Bürgersteig stellen. Ich weiß nur nicht, wen ich bei der Stadt ansprechen soll.“ Mehr Fußgänger, das sei für das Geschäft gut, da es auch auf Laufkundschaft angewiesen sei.

Senior-Chef Badran vor dem Pizza-Lieferservice, Foto: Holger Crump

Die bisherigen Parkplätze seien ohnehin ständig belegt, berichtet Badran. Seine Kunden hätten sie daher gar nicht nutzen können, insofern sei die geplante Reduzierung nicht dramatisch. Aber eine Entladezone vor dem Geschäft wäre wichtig. Hier zeige sich das Ordnungsamt unnachgiebig und habe ihm schonmal ein Knöllchen von 50 Euro aufgebrummt, weil er vor dem Pizza-Geschäft seinen Wagen geparkt und entladen habe.

Endlich die Straße reparieren

Auch im Änderungsatelier von Ioan Oprean in Hausnummer 29 sind die Pläne der Stadt zur Laurentiusstraße nicht bekannt. „Die Straße flicken, das wäre wichtig“, meint der Inhaber spontan und deutet auf den Teer vor dem Geschäft.

Breitere Bürgersteige und mehr Parkplätze brauche man nicht. „Unsere Kunden parken an der Buchmühle.“ Dieser Parkplatz liegt in Sichtweite – man sieht in quasi durch das Schaufenster der Schneiderei, die Buchmühlenstraße hinab.

Für den Radverkehr gibt es keine Änderungen, er kann in beide Richtungen rollen. Foto: Thomas Merkenich

Parkplätze werden fehlen

Eine Be- und Entladezone weiter unten, vor dem Laurentiushaus – dem kann Baran Yildirim nichts abgewinnen. Er betreibt die Shisha Baba GmbH in der Laurentiusstraße 24. „Ich bekomme pro Woche unter anderem zwei Tonnen Kohle angeliefert. Es ist umständlich, die Ware von den Entladezonen hier ins Geschäft zu tragen.“

Baran Yildirim, Inhaber der Shisha Baba GmbH, Foto: Holger Crump

Kurzzeit-Parkplätze vor dem Geschäft seien zudem für seine Kunden wichtig. Sie würden gerne davor halten, rasch eine Besorgung machen und dann auch gleich wieder fahren. Mangels Alternativen würde leider auch mal verbotener Weise der Behinderten-Parkplatz genutzt.

Außensitzplätze seien ihm egal, da er keine Sisha Bar betreibe, sondern nur Zubehör verkaufe, sagt Yildirim.

Bummeln funktioniert nicht

„Die Passanten halten sich hier nicht auf, die kommen nicht zum Bummeln in die Laurentiusstraße“, sagt Ingrid Barth-Kroll vom Atelier für Selbermacher, Foto: Holger Crump

Ingrid Barth-Kroll fand im Briefkasten ihres Ateliers für Selbermacher in der Laurentiusstraße 16 einen „Zettel von der Stadt“ über das geplante Vorhaben. Das Vorhaben werde die Lage in der Straße aus ihrer Sicht nicht unbedingt verbessern. „Meine Kunden fahren mit dem Auto an, die wenigsten per Rad.“ Der Wegfall der Parkmöglichkeiten sieht sie daher durchwachsen.

„Ein Ausbau der Gehwege bringt nichts“, so ihre Überzeugung. „Die Passanten halten sich hier nicht auf, die kommen nicht zum Bummeln in die Laurentiusstraße.“ Wer in diese Straße komme, der komme gezielt.

Foto: Thomas Merkenich

Fahrrad-Stellplätze wichtig

„Ich finde den Plan sehr gut“ sagt Michaela Müller vom Müllerin Art Studio, schräg gegenüber des Ateliers für Selbermacher gelegen. Sie hatte ebenfalls eine Vorstellung des Plans im Briefkasten vorgefunden. Besonders die Fahrrad-Abstellmöglichkeiten hält sie für dringend nötig. Sie komme meist mit dem Rad ins Studio und trage es ins Treppenhaus, da es in direkter Nähe keine Möglichkeit zum Anschließen gebe.

Ihre Kursteilnehmer:innen oder Kund:innen kämen oft mit der Bahn oder würden im Parkhaus oder auf der Buchmühle parken, da sie meist mehrere Stunden blieben. „Da sind die wenigen Parkplätze direkt vorm Haus nicht so relevant.“ Für sie persönlich sei es wichtig, ab und zu mit dem Auto vor der Tür anzuhalten um auszuladen.

„Es wäre schön, wenn die geplanten Sitzgelegenheiten dann auch wirklich genutzt werden und vielleicht sich auch wieder ein neues Café ansiedelt“, meint sie abschließend zu den Plänen für Aufenthaltsflächen.

Beruhigung sinnvoll

Simone Lückger betreibt ein Goldschmiedeatelier in der Laurentiusstraße, Foto: Holger Crump

Nebenan betreibt Simone Lückger ihr Goldschmiedeatelier. Ihre Haltung ist klar: „Je mehr Fußgänger und Radfahrer, desto besser.“ Wichtig sei ihr zudem die Einhaltung von Tempo 30 in der Laurentiusstraße, was man zum Beispiel mit Fahrbahnschwellen umsetzen sollte. Denn die Schilder würden von den Verkehrsteilnehmern nicht beachtet.

Eine Aufwertung des Außenbereichs findet sie durchweg gut. „Je attraktiver dies zum flanieren wird, desto sinnvoller ist es.“

Weniger Parkplätze gleich weniger Kunden

„Es heißt die Anwohner müssten sich an den Kosten beteiligen“, das habe Cathrin Höpfner vom Blumengeschäft Urban Jungle Love gehört. Den Wegfall der Parkplätze bezeichnet sie als Katastrophe. Die aktuellen Parkflächen seien schon jetzt zu knapp bemessen. Nach dem Aus im Café Tilda sei die Straße mittlerweile halb ausgestorben.

Zur Sache: Grundsätzlich können Eigentümer:innen der anliegenden Gebäude nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) an den Kosten der Straßensanierung beteiligt werden. Diese Straßenausbaubeiträge sollen jedoch abgeschafft werden, zur Zeit übernimmt das Land NRW diese Abgaben.

Der Wegfall an Parkfläche würde diesen Trend nur befeuern. „Dann schließen noch mehr Geschäfte, und die Laurentiusstraße ist endgültig gestorben.“ Eineinhalb Meter mehr Bürgersteig bringe da nichts. „Die Tische und Stühle stellt der Caritaspoint auf.“ Ob sich wieder ein neues Cafés ansiedelt – da ist sie skeptisch.

Alternativ könnte sie sich vorstellen, die Laurentiusstraße komplett autofrei zu gestalten, „grün, optisch ansprechend, so dass die Leute wirklich zum flanieren kommen“, meint Höpfner. Aber sie winkt ab: Für sie stellen die Planungen nur einen faulen Kompromiss dar.

Foto: Thomas Merkenich

Tempo 30 und Parkverbote einhalten

Parkplätze seien ihm egal, die meisten Kunden kämen ohnehin per Rad, resümiert André Weißhaar von der Bikefabrik. Breitere Bürgersteige und mehr Platz für Räder seien gut, darüber hinaus plädiere er für eine Verkehrsberuhigung.

Besonders im Bereich der oberen Laurentiusstraße. Vor der Tiefgarage mit der Hausnummer 51 würde das Halteverbot weder eingehalten noch kontrolliert. Das sei für Rad- und Autofahrer gleichermaßen hinderlich.

Sorge wegen Baumaßnahmen

Goldschmied Jörg Schwalfenberg, Foto: Holger Crump

Jörg Schwalfenberg betreibt seit kurzem ein Goldschmiedestudio in der Laurentiusstraße. Mehr Platz für die Passanten findet er grundsätzlich ok. „Ich wäre froh wenn sich wieder ein Café ansiedeln würde!“ Eine Begrünung würde die Straße lebendiger machen.

Seine Kunden würden Parkplätze im Parkhaus oder an der Buchmühle nutzen. Für ihn, der mit dem Motorrad ins Atelier komme, genüge vor dem Geschäft eine Möglichkeit zum Be- und Entladen.

Mit Sorge blickt er indes auf die Bauarbeiten und einer möglichen Sperrung der Straße. „Das wird schwierig mit dem Zulauf der Kunden.“

Status quo beibehalten

Auf der oberen Laurentiusstraße betreibt Anton Tollenaer seit 23 Jahren sein Blumenatelier. „Lasst es so wie es ist“, würden ihm viele Radfahrer sagen, die aktuelle Regelung in der Laurentiusstraße habe sich als praktikabel erwiesen.

Er sieht das Thema grundsätzlich: Lange sei in punkto Radwege nichts passiert, nun könne man nicht innerhalb von zwei Jahren aus Bergisch Gladbach eine Radfahrerstadt werden.

Generell müsse man die Mobilität wie in seiner Heimat – den Niederlanden – zunächst aus der Perspektive der Fußgänger und Radfahrer denken. „Hier wird aber immer zuerst vom Auto her gedacht“, meint er. Das könne nicht klappen.

Parkplatzsituation nicht weiter verschärfen

Weniger Parkplätze seien schlecht fürs Geschäft, meint Friseur Dieter Hembach, Foto: Holger Crump

Der Friseursalon von Dieter Hembach sei auf gute Erreichbarkeit angewiesen. Die Parksituation solle so bleiben wie sie ist, sagt der Inhaber. Weniger Parkplätze seien schlecht fürs Geschäft, „und die Fußgänger haben doch bereits ausreichend Platz.“

Er denkt aber nicht nur an die Kunden: Schon jetzt sei es auch für die Anwohner schwierig, überhaupt noch einen Parkplatz zu bekommen.

Auch er sieht die Sitzgelegenheiten im unteren Bereich der Laurentiusstraße eher als Option für den Caritaspoint, nicht für ein Café dass sich dort ansiedeln könnte. Er hege indes Zweifel, ob die Menschen dort überhaupt sitzen wollten.

Aufwertung ja, weniger Parkplätze nein

„Grundsätzlich finde ich es nicht schlecht, dass die Laurentiusstraße nahe der Fußgängerzone aufgewertet und attraktiver werden soll, durch Grünflächen, breitere Gehwege, Fahrradstellplätze und Sitzmöglichkeiten“, fasst Tiziana Andriani vom Fish Spa und Fußpflege-Service Schwarmfische zusammen.

Für Menschen mit Gehbehinderung seien das Parkhaus oder die Buchmühle zu weit vom Geschäft entfernt. Auch Kunden von auswärts würden durch den Rückbau der Parkplätze benachteiligt, zumal der ÖPNV nicht gut ausgebaut sei.

Die Vielzahl an Geschäftsschließungen in der Innenstadt stehen für die Inhaberin in direktem Zusammenhang mit der mangelhaften Parksituation. Sie habe daher teure Parkplätze angemietet, um keine Kunden zu verlieren.

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