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Reicht das Direktionsrecht zur Versetzung ins Ausland?

Grundsätzlich bezieht sich das Direktionsrecht auf Zeit, Inhalt und Ort einer Arbeitsleistung. Darauf berief sich auch eine irische Airline, die einen ihrer deutschen Piloten mit niedrigeren Bezügen nach Italien versetzt hatte. Ob und unter welchen Bedingungen das rechtens ist, das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht geklärt.

Von Constantin Martinsdorf

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich jüngst mit der Frage zu beschäftigen, ob die Versetzung eines Piloten ins Ausland qua Direktionsrecht möglich ist (BAG, Urteil vom 30.11.2022 – 5 AZR 336/21). 

Geklagt hatte ein deutscher Pilot der Fluggesellschaft Ryan Air. Diese hatte den Flugkapitän ins Ausland versetzt – und dies auch noch zu geringeren Bezügen. In dem Arbeitsvertrag des Klägers war u.a. die Anwendung irischen Rechts sowie die Versetzbarkeit an jeglichen anderen Standort Ryan Airs vereinbart worden. Ein Sozialtarifvertrag sah vor, dass zum Abbau eines sog. Pilotenüberhangs ein anderer Arbeitsort in der EU per Versetzung oder Änderungskündigung zugewiesen werden könne. Wer ins Ausland verlegt wird, sollte zu den dortigen Arbeitsbedingungen und Gehältern beschäftigt werden.

Den Kläger versetzte Ryanair Mitte 2020 ins italienische Bologna. Gleichzeitig kündigte die Fluglinie sein Arbeitsverhältnis vorsorglich und bot ihm an, in Bologna weiter tätig zu sein, was der Kläger unter Vorbehalt akzeptierte.

Ryan Air: Be flexible! 

In der Folge klagte er jedoch. Er hielt die Versetzung für unwirksam. Die Verlegung ins Ausland sowie die daraus resultierende Reduzierung seiner Vergütung seien insbesondere nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, also dem Recht des Arbeitgebers, die Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Inhalt und Ort rechtlich verbindlich näher zu bestimmen.

Ryanair argumentierte dagegen, dass Piloten flexibel sein müssten. Dies sei Wesensmerkmal des Berufs eines Piloten. Daher könne ein Pilot auch durch Ausübung des Direktionsrechtes an einen anderen Arbeitsort versetzt werden. Das Arbeitsgericht und das Landgericht folgten dieser Auffassung und wiesen die Klage bzw. Berufung des Klägers ab. 

Das Bundesarbeitsgericht folgte der Argumentation der Vorinstanzen im Wesentlichen. Arbeitgeber können sich auf ihr arbeitsvertragliches Direktionsrecht berufen, um Mitarbeiter an einen Arbeitsplatz in anderen Staaten zu schicken.

Anders liege der Fall nur, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart oder zumindest den Umständen nach konkludent verabredet worden ist.

Das BAG hielt zudem fest, dass das Direktionsrecht (§ 106 GewO) nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sei – wonach Arbeitnehmer von Arbeitgebern grundsätzlich europa-/weltweit versetzt werden könnten. Danach konnte Ryan Air seinen Piloten im Rahmen seines Direktionsrechts nach Italien versetzen.

Grenzenloses Direktionsrecht?

Grenzenlos soll das Direktions-/Weisungsrecht des Arbeitgebers aber auch nach dem BAG nicht sein. Die Ausübung des Weisungsrechts unterliegt danach im Einzelfall einer Billigkeitskontrolle, es wird also geprüft, ob die Versetzung an- bzw. unangemessen ist.

Dies ist üblicher Prüfungsmaßstab des BAG in gleichgelagerten Fällen. So hatte das BAG (10 AZR 202/10) bereits 2011 entschieden, dass, wenn kein fester Arbeitsort im Vertrag vereinbart worden ist, eine Entscheidung des Arbeitgebers einen Arbeitnehmer an einen Arbeitsort zu versetzen, zu dem dieser durchschnittlich zwei Stunden (mit öffentlichen Verkehrsmitteln) benötigt, nicht unangemessen ist.

In diesem Fall wurde die vorherige Arbeitsstelle des Arbeitnehmers vollständig aufgelöst und der Arbeitnehmer konnte dort – unstreitig – nicht mehr beschäftigt werden. 

Und weniger Gehalt gibt’s auch noch 

Das BAG kam außerdem zu dem Ergebnis, dass auch die Vergütungseinbußen von dem Kläger hinzunehmen sind. Dass der Flugkapitän den Anspruch auf ein höheres Entgelt verlöre, liege an dem Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. 

Zudem sehe ein Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden. Danach sei es nicht unbillig, wenn die Fluggesellschaft die mit der Versetzung verbundenen sonstigen Nachteile für einen Piloten nicht stärker ausgleicht als dort vorgesehen.  

Sollen Sie versetzt werden? Sind Sie schon versetzt worden und möchten die Versetzung arbeitsrechtlich überprüfen lassen? Gerne unterstützen wir Sie mit fachkundigem Rat. Kontaktieren Sie uns bei Fragen rund um das Thema Arbeitsrecht damit wir gemeinsam die richtige Vorgehensweise wählen und Risiken im Vorfeld besprechen können.

Constantin Martinsdorf

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Zur Person: Constantin Martinsdorf ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Einer seiner besonderen Tätigkeitsschwerpunkte liegt im Urheber- und Medienrecht. Er ist Ihr Ansprechpartner in allen Fragen des Arbeitsrechtes und der neuen und „alten“ Medien. 

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