Kann man typische Verwaltungsstrukturen und ihre spröden Begriffe für eine kreative Neubetrachtung öffnen? Neun regionale Künstlerinnen und Künstler experimentieren individuell, poetisch und teils provokant mit Formen von Grenzen. Das Kreishaus feiert 50 Jahre Rheinisch-Bergischer Kreis mit einer umfangreichen Kunstausstellung.

Ausgangspunkt der Ausstellung „Kreise öffnen“ war der Jahrestag der Verwaltungsreform von 1975, eine weitreichende kommunale Neugliederung. Durch die Zusammenlegung von Bensberg und Bergisch Gladbach sowie die Ausgliederung von Porz nach Köln entstanden neue Grenzen – und damit neue Zugehörigkeiten.

Die Verwaltungsreform habe große Auswirkungen auf die Menschen vor Ort gehabt: Grenzen wurden verschoben, Identitäten infrage gestellt – das habe viel mit den Emotionen und den kulturellen Zugehörigkeiten der Menschen in Rhein-Berg gemacht, erzählt Anna Bründl, Leiterin des Kulturamtes des Kreises. So wurden neun Kunstschaffende aus dem gesamten Kreis eingeladen, um sich über einen längeren Zeitraum kreativ mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Kulturreferentin Charlotte Loesch hatte die Jubiläumsausstellung von langer Hand vorbereitet. Anna Bründl, die sie zur Zeit vertritt, erzählt: „Bei der Konzeption der Ausstellung ging es um die Frage: Wie kann man dieses Kapitel der Kreisgeschichte aus künstlerischer Perspektive darstellen?“

Jutta Dunkel


Jutta Dunkel hat den Kreis mit öffentlichen Verkehrsmitteln bereist. Sie sagt, sie habe viel über Distanzen gelernt, die die Menschen der umliegenden Städte zur Verwaltung damals überwinden mussten – und teils bis heute müssen. So habe sie den Kreis und das Kreishaus aus einer anderen Perspektive kennengelernt. „Ich sehe ein riesiges Potenzial, die Menschen stärker zu erreichen – Kunst ist dabei nur ein Teil“, sagt sie.

Für ihren künstlerischen Beitrag zog sie einen roten Faden von den Gängen bis zum „Festsaal“ des Kreishauses, dem großen offenen Raum vor den Fraktionszimmern. Dort nimmt sie in einer Installation Bezug auf eine alte Legende – die Zwergenhöhle in Herrenstrunden. Dabei verwebt sie phantasievoll und crossmedial die Sage mit aktuellen Themen wie Vertreibung, dem Umgang mit Fremdheit und fragwürdigen Vorstellungen von Wahrheit.

Michael Wittassek

Der mehrdeutige Ausstellungstitel deutet es an: Es geht um Kreise – und das im weitesten Sinne, erklärt der Künstler Michael Wittassek: „Einmal politisch-administrativ, andererseits geometrisch – rund und geschlossen.“ Auch etymologisch eröffnen sich Begriffe wie „ritzen, kratzen an der Oberfläche“ – für ihn als Künstler eine Inspiration, „nach Öffnung zu suchen, Neues zu entdecken, anderes zu sehen“.

Wittassek fotografierte markante Grenzpunkte des Rheinisch-Bergischen Kreises; vier davon hat er in einer Installation arrangiert, auf Rollbrettern am Boden platziert. So werden Grenzen gedanklich verschiebbar: „Das, was unverrückbar scheint – außer durch Kriege oder Reformen – ist beweglich geworden.“

Foto: Thomas Merkenich

Magret Schopka

Margret Schopka zog vor 34 Jahren von Hamburg nach Overath – genau diese Geschichte wurde zum Thema einer Videoinstallation. In Begleitung des Pianisten Holger Crump erzählt Schopka in 16 Minuten ihre berührenden Erfahrungen, exemplarisch für viele andere. Sie berichtet vom Ankommen, von Anpassung und Neuorientierung.

Zugleich offenbart sie sehr persönliche Erinnerungen, die sie mit ihrer Arbeit als Land-Art-Künstlerin verknüpft, und zeigt, wie sie künstlerisch-poetisch mit ihrer Umgebung interagiert – etwa in Installationen aus gefegten Blättern.

Foto: Thomas Merkenich

Helga Mohls

„Bäume kennen keine Grenzen“, sagt Helga Mols, die sich schon lange künstlerisch mit Bäumen beschäftigt. Sie bereiste den Kreis und porträtierte seine markanten Exemplare – sehr alte, bedrohte, geschützte und historisch besondere Bäume, eng verwurzelt mit der Geschichte ihrer Standorte. Dafür recherchierte sie intensiv im Bergischen Kreis und arbeitete mit dem Amt für Planung und Landschaftsschutz zusammen.

Foto: Thomas Merkenich

Claudia Betzin

Originale Landkarten des Rheinisch-Bergischen Kreises – jede individuell mit Holzschnitten bedruckt. Farbige Flächen werden zu phantasievollen Gebieten, künstlerische Spuren zu Grenzen. Claudia Betzin reproduzierte etwa Risse in Steinplatten und integrierte sie nach künstlerischen Kriterien als optisch interessante Grenzen in die Landkarten.

Anna Bründl ergänzt, dass einige Karten vom Katasteramt und vom Schulmuseum zur Verfügung gestellt wurde – nur ein Beispiel von mehreren, wie die Kunst auch die Mitarbeitenden der einzelnen Ämter mobilisieren konnte.

Veronika Moos


Im Rahmen ihres Projekts „Von der Blauen Blume“ baute Veronika Moos Flachs an und verarbeitete die daraus gewonnenen Fasern zu künstlerischen Objekten. Für die Ausstellung installierte sie im Festsaal ein grobmaschiges, geknüpftes Netz, das wie ein Ring oben und unten offen ist.

Wer darunter steht, kann die Formen des Rheinisch-Bergischen Kreises erkennen – und durch das Dachfenster in den bergischen Himmel darüber blicken.

David

Der Künstler und Grafiker David forschte intensiv zur Heraldik des Rheinisch-Bergischen Kreises, also zur Wappenkunde. Er untersuchte die Wappen der einzelnen Kommunen, ihre Symbolik und Entwicklungsgeschichte – und gestaltete sie neu. Einzelne Elemente wie Löwen und Farben interpretierte er um und übersetzte in eine moderne Zeichensprache.

Das Ergebnis ist sowohl Kritik an starren Traditionen als auch ein kommunikativer Impuls, um Miteinander und Austausch zu fördern. Das digitale Konzeptwerk speicherte er auf einem Datenstick, der als Kunstobjekt hinter Glas präsentiert wird.

Foto: Thomas Merkenich

Kreise öffnen
50 Jahre Rheinisch-Bergischer Kreis – Eine Ausstellung
7.10 – 6.11.2025
Eröffnung 7.10.25 19 Uhr
Grußwort: Landrat Stephan Santelmann
Performance „Grenzen verschieben“ von Britta Lieberknecht (Choreografie und Tanz) mit Christiane Budden, Erika Winkler (Tanz) und Marei Seuthe (Cello, Gesang)

Open KREIShouse
Samstag 11.10.25, 12–18 Uhr
Programm mit Konzerten, Workshops, Vorträgen und Führungen

Finissage
06.11.25, 19 Uhr
Publikumsgespräch: 50 Jahre Rheinisch- Bergischer Kreis: Was es bedeutet, Kreise neu zu ziehen?

Öffnungszeiten
Mo-Do 8.30 bis 17 Uhr, Fr 8.30 bis 13 Uhr

Kreishaus, Am Rübezahlwald 7, 51469 Bergisch Gladbach

Ulrike Oeter

Die Künstlerin Ulrike Oeter zieht Kreise im Sinne einer „poetischen Pirsch“ – dafür hat sie die Figur der „Bergischen Löwin“ geschaffen, bestehend aus einem roten Kostüm mit Maske und einer performativen Aktion im öffentlichen Raum. Zuvor fragte sie Menschen in Cafés, welche Orte sie ihr empfehlen – „um eben nicht das zu zeigen, was alle schon kennen“, sagt sie.

Monatelang streifte sie anschließend als Löwin durch den Kreis, besuchte Rathäuser, Kirchen, Polizeistationen und Umkleidekabinen – immer auf der Suche nach authentischen Eindrücken, Begegnungen und Geschichten. Zurück kam sie mit Fotografien und kleinen Büchlein, die sie collageartig in den Gängen des Kreishauses arrangierte.

Britta Lieberknecht

Die Künstlerin Britta Lieberknecht entwickelte eine Performance mit dem Titel „Grenzen verschieben“. Gemeinsam mit drei weiteren Performance-Künstlerinnen erforscht sie individuelle und gemeinsame Grenzen von Nähe und Distanz – sie loten sie aus, setzen oder öffnen sie neu. Drei Tänzerinnen und ein Cello bewegen sich dabei durch einen eigens konzipierten Parcours, stets in Kontakt miteinander und in performativer Kommunikation mit dem Publikum.

Ein besonderes Experiment an einem besonderen Ort – und eine künstlerische Frage, die offen bleibt: Wie wird das Publikum reagieren?

ist der Fotograf des Bürgerportals. Mittlerweile wohnt er „im schönen Kürten" und liebt das Bergische Land. Aber das sieht man seinen Fotos ja auch an. Mehr Infos auf seiner Website www.thomasmerkenich-fotografie.de, mehr Foto im Bildershop: https://www.pictrs.com/thomasmerkenich-fotografie

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

2

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Eine runde Sache, spannend, informativ und voller Überraschungen. Endlich Leben in en langen Fluren. Ich werde nochmal hingehen und weitere “Türchen öffnen”.

  2. Ein sehr guterArtikel der auf neugierig auf die Ausstellung macht. Danke liebe Antje Schlenker-Kortum