Wie bringt man Land Art vom Strand oder vom Feld ins Museum? Das gelingt dem Kunstmuseum Villa Zanders in der ersten Einzelausstellung von Veronika Moos scheinbar mühelos. Unter dem Titel „nicht mehr und dann“ präsentiert die Bensberger Künstlerin Videos, Installationen, Objekte und Fotografien – die ihre Kunst aus der freien Natur in atmosphärisch dichten Themenräumen erlebbar macht.
Museumsdirektorin Ina Dinter ist fasziniert von der Arbeitsweise der Künstlerin Veronika Moos: „Die Haptik, die Moos aus dem Material herausholt und in neue Erfahrungsräume bringt, wirkt auf eine besondere Art und Weise auf uns. Man ist oft überrascht, was das für ein Grundlagenmaterial ist – und auch darüber, wie es sich entwickelt hat, bis es zu einem Kunstwerk geworden ist.“
Schon seit 1993 stellt die Villa Zanders lokale Kunstschaffende vor und präsentiert jetzt mit Veronika Moos eine Bensbergerin – die sich aber als Rheinländerin und Europäerin fühlt. Sie hat sich im In- und Ausland einen Namen gemacht, wurde mehrfach ausgezeichnet und war unter anderem Preisträgerin des Staatspreises „Manu Factum“, NRW 2019. Kuratiert wird die Ausstellung von der wissenschaftlichen Volontärin Maike Sturm.

Atmosphären im Kunstraum
In ihrer künstlerischen Praxis verbindet Moos Handwerk, Landschaft und kulturelles Gedächtnis. Sie arbeitet vornehmlich mit Naturmaterialien: Muscheln, Löwenzahn, Algen, Flachs – und auch mit Papier. Für die Reihe „Ortstermine“ braucht es allerdings nicht zwingend Werke mit Papierbezug, wie man es von der Villa Zanders und ihrer Tradition der Papierkunst vielleicht erwarten würde, erklärt die stellvertretende Museumsleiterin Judith Glaser. In „Ortstermine“ gehe es ausdrücklich darum, neue Kunst aus der Region zu entdecken.
Doch auch Papier spielt in Moos’ Arbeit eine Rolle: Einen Raum hat die Künstlerin partiell mit Papier-Pulp-Objekten eingesponnen – in Netze verwoben, die wie selbstverständlich, fast organisch, von der Decke hängen.
Als Installationskünstlerin hat Moos den Ort künstlerisch-gestalterisch einbezogen. Gerade die offenen Räume und Durchblicke der Villa Zanders inspirierten sie zu einer Wahrnehmung nach Art einer Geschichtenerzählung – wobei ihre Räume jeweils andere Themen behandeln, wie etwa den „Raum der Ahnen“, erklärt Moos bei einem Rundgang durch die Ausstellung.
An der Wand hängen haarähnliche Objekte, Fasern, die wie Perücken aussehen – eine Illusion, die durch verschiedene sinnliche Eindrücke verstärkt wird. Doch das Informationsschild verrät: Es handelt sich um Flachs. „Ahnen“ soll andeuten, dass es um einen kulturellen Wert geht: „Früher war Flachs und das daraus entstandene Leinen ein wertvoller Handelsartikel“, erklärt Moos. Heute kennt man ihn oft nur noch als Leinsamen.

Die Kraft im Flachs
Mehr noch als seine kulturgeschichtliche Bedeutung interessieren Moos die besonderen Eigenschaften des Flachses. „Wenn man die Faser nass macht, bleibt sie in der Form. Außerdem hat sie einen besonderen Glanz durch das Pektin, das noch enthalten ist. Je älter die Faser wird, desto stumpfer erscheint sie.“
„Das kann man natürlich nur verstehen, wenn man die Kulturgeschichte des Flachses kennt“, erklärt sie. Die Variation in der Erscheinung entstehe durch das Verrotten: „Der Flachs muss verrotten, um brechen zu können. Das geschieht durch Sonne, Regen und Bleiche.“ Sie ist fasziniert von der Widerstandskraft des Flachses. „Er blüht hellblau – aber nur vormittags, dann fallen die Blüten. Ganz poetisch“, schwärmt sie.
Moos begleitet den Anbau des Flachses bis zum Verblühen – „eine ästhetisch wunderschöne Geschichte“, darin sehe sie „viele Facetten, die auch das Leben spiegeln“. Mit der Erforschung der Schönheit der Blüte bis zum Brechen der Halme entdeckt sie Orte, die ihr Inspiration und neue Anknüpfungspunkte bieten.
Land-Art am Wasser
„Am Wasser“ zeigt Videos ihrer Land-Art. In der Gezeitenzone – am Atlantik, in Frankreich oder Island – „da ist Reibung. Die Gezeiten verschieben viel.“
Die Videos, die während eines Residenzaufenthalts südlich der Bretagne entstanden sind, zeigen, wie sie am Wasser arbeitet, etwa wenn sie mit einem Rechen Algen zusammenzieht: „Das ist jeden Tag anders. Das hält es lebendig“, schwärmt die Künstlerin.
Land Art ist eine Kunstrichtung, bei der Künstler:innen mit Naturmaterialien wie Erde, Steinen oder Holz direkt in der Landschaft Kunstwerke schaffen. Die Werke sind oft ortsspezifisch, vergänglich und sollen außerhalb der traditionellen Galerieräume entstehen. Land Art macht die Landschaft selbst zum Kunstobjekt und wird oft nur durch Fotografie, Zeichnungen oder andere Medien dokumentiert.
Zur Sache: Land-Art
Sie geht Fragen nach wie: „Wie verändert sich die Sandfläche dadurch, dass ich etwas hineingelegt habe? Wind und Wetter sind das Material, das der Ort mitbringt – damit gestalte ich. Ich setze etwas Symmetrisches hinein, und dann geschieht die Veränderung oder Zerstörung. Es wird organischer und verschwindet.“
Ich bin kleiner als die Natur.Veronika moos
Moos fotografiert ihre Interventionen – das, was bleibt –, ist aber auch Beobachterin und filmt das, was verschwindet. „Ich liebe diese Momente, in denen etwas passiert, in denen etwas weggespült wird. Und manchmal gibt es einen riesigen Teppich, wo schon etwas liegt. Dann arbeite ich etwas hinein – und der Betrachter fragt sich später: War das schon da, oder wurde das gemacht?“
Durch ihre Erfahrung erkenne sie inzwischen die Variationen ihrer Setzungen, könne kalkulieren und steuern. Auch das Misslingen gehöre dazu. „Es gibt immer wieder Überraschungen“, erklärt Moos.
Veronika Moos: nicht mehr und dann
Kunstmuseum Villa Zanders, bis 12.4.2026
Kuratorin: Maike Sturm
Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach
Geöffnet: Di und Fr 14 bis 18 Uhr, Mi und Sa 10 bis 18 Uhr, Do 14 bis 20 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 bis 18 Uhr
Barrierefreier Zugang
Ein eigener Katalog mit Installations- und Werkansichten erscheint im Frühjahr.
Flyer – Weitere Infos zur Ausstellung – Künstlerwebsite Veronika Moos
Eifel und Bergisches Land
Als Land-Art-Künstlerin ist sie auch in der Eifel und im Bergischen Land unterwegs. In ihren Dokumentationen zeigt sie, wie sie Blütenblätter in Land Art verwandelt. Später hat sie Blütenblätter von Rosen, Klatschmohn und Margeriten mit Papiergarn zu filigransten Objekten verknotet.
Wirtschaftlich betrachtet sei diese Arbeit im Grunde absurd, doch für sie stehe diese hingebungsvolle Arbeit symbolisch für grundlegende Fragen: „Was kann ich bewahren, und wo entsteht etwas Neues?“
Effizienz spielt in meiner Arbeit keine Rolle. Wir haben alle gleich viel Zeit. Die Frage ist: Was tun wir mit dieser Zeit?Veronika moos
Der lyrische Ausstellungstitel „nicht mehr und dann“ deutet auch auf existentielle menschliche Fragen hin – etwa auf die Umweltzerstörung, die in ihrer Arbeit thematisch mitschwingt: „Mehr, mehr, mehr … es ist NICHT mehr. Es geht auch um Vergangenheit. Aber was ist dann? Wir sind immer schon beim Nächsten,“ sagt Moos.
Natürlich gehe es ihr auch darum, Mitmenschen mit ihrer Arbeit auf etwas Bestimmtes in ihrer Umgebung aufmerksam zu machen. Ihre Inspiration nähre sich jedoch aus dem künstlerischen Gedanken, dass man aus allem etwas machen kann, sagt Moos.
Weitere Einblicke in die Ausstellung
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