Isover Demo

Auf einer Demonstration vor dem Isover-Werksgelände in Bergisch Gladbach wehren sich Mitarbeitende, Betriebsrat und Gewerkschaft gegen den angekündigten Verlust von 160 Arbeitsplätzen. Solidarität erfahren die Betroffenen dabei auch aus der Politik. In der Belegschaft herrscht eine Stimmung aus Wut, Trauer und Sorge. Schon Mitte Juli soll mit der Produktion von Glaswolle, die in Bergisch Gladbach erfunden worden war, Schluss sein.

Dutzende Mitarbeitende der Firma Isover haben am Donnerstagmittag vor dem Werksgelände in Bergisch Gladbach gegen die geplante Verlagerung der Glaswolle-Produktion und den Wegfall von 160 Arbeitsplätzen demonstriert. Mit Trillerpfeifen, Rasseln, Fahnen und Bannern setzten sie ein weithin hör- und sichtbares Zeichen gegen die Pläne.

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Die Botschaft war klar: „Isover Management zerstört die Zukunft von 160 Familien in Bergisch Gladbach! Wir wehren uns!“ – war auf einem Banner am Rand der Werks-Zufahrt an der Jakobstraße zu lesen. Zur Demonstration aufgerufen hatte die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), um sich gegen den Personalabbau zu wehren.

Der Konzern Saint-Gobain Isover hatte Mitte März angekündigt, die Produktion von Glaswolle am Standort Bergisch Gladbach im Sommer einzustellen und nach Speyer zu verlagern. Von 220 Arbeitsplätzen hier vor Ort würden 160 wegfallen. Als Gründe hatte das Unternehmen die Krise in der Baubranche genannt, insbesondere den Einbruch im Wohnungsbau bei Einfamilienhäusern. 

Die Entscheidung zur Produktionsverlagerung basiere auf nicht nachvollziehbaren Grundlagen, kritisierte dagegen der IGBCE-Gewerkschaftssekretär Thomas John Dyer. „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz hier im Werk! Nicht das Management ist Isover, ihr seid Isover“, rief Dyer der Menge zu. „Wir sind Isover“, stimmten die Demonstrierenden daraufhin im Chor mit ein. 

Unterstützung von Politiker:innen

„Es geht hier nicht nur um 160 Arbeitsplätze, sondern um 160 Existenzen, um 160 Familien“, sagte Armando Dente, IGBCE-Bezirksleiter für den Bezirk Köln Bonn. Die Mitarbeitenden trügen Tag und Nacht zur Isover-Produktion bei – und zur Wertschöpfung der Stadt. 

Nach Zanders sei Isover nun in kurzer Zeit das zweite Werk in Bergisch Gladbach, wo gut bezahlte, tariflich vereinbarte Arbeitsplätze wegfallen sollen. Aber: „Wir werden für den Standort Bergisch Gladbach kämpfen“, versprach Dente.

Unterstützung für die Isover-Beschäftigten gab es auch aus der Politik. Neben kommunalen Vertreter:innen der Parteien waren auch die beiden Bürgermeister-Kandidaten Alexander Felsch und Marcel Kreutz vor dem Isover-Werk, um ihre Solidarität mit den Mitarbeitenden zu auszudrücken, ebenso die beiden Landtagsabgeordneten Tülay Durdu (SPD) und Martin Lucke (CDU).

Tülay Durdu forderte von der Unternehmensleitung transparente Gespräche mit der Belegschaft über die Gründe für die Verlegung. Die angeblich betriebswirtschaftlichen Gründe nannte die SPD-Abgeordnete „Profitlogik“. „Ich fordere eine Standortsicherung und eine Arbeitsplatzgarantie in Bergisch Gladbach. Dieser Kahlschlag darf nicht hingenommen werden. Ich werde das Thema in den Landtag bringen,“ kündigte Durdu an.

Foto: Thomas Merkenich

Martin Lucke bezeichnete den hohen Schornstein von Isover als „eine Art Colonius“, der das Stadtbild präge. Die Glaswolle werde nicht nur in Bergisch Gladbach produziert, sondern sei auch hier erfunden worden. „Es sind die Mitarbeitenden, Sie, die unsere Leistungsgesellschaft verkörpern und unser Stadtbild prägen“, so Lucke. „Heute setzen wir ein Zeichen dafür, dass die Geschichte der Glaswolle in Gladbach weitergehen soll.“

Die Geschichte der Dämmstoff-Fabrik

1878: Den Grundstein für das heutige Unternehmen Saint-Gobain Isover G+H AG, kurz Isover, legen der Chemiker Carl Grünzweig und der Kaufmann Paul Hartmann: Sie eröffnen in Ludwigshafen die „Fabrik chemisch-technischer Produkte von Grünzweig + Hartmann“.

1931: Gründung der Glaswollefabrik Glaswatte GmbH in Bergisch Gladbach. Zuvor hatte der Ingenieur Friedrich Rosengarth bei einem Kirmesbesuch in Bergisch Gladbach gesehen, wie Zuckerwatte hergestellt wurde und hatte die Idee, ein ähnliches Verfahren zu nutzen, um aus Glas Glaswatte als Dämmstoff herzustellen.

1935 steigt der französische Konzern Saint-Gobain mit 50 Prozent ein. 

1963 übernimmt Saint-Gobain die Aktienmehrheit an der Grünzweig + Hartmann AG

1972 fusionieren „Glaswatte“ und „Grünzweig + Hartmann“. 

1982 wird der 120 Meter hohe Schornstein errichtet 

2000 erfolgt die Umbenennung in Saint-Gobain Isover G+H AG

Heute ist Isover ist nach eigenen Angaben weltweiter Markt- und Innovationsführer im Bereich Dämmstoffe. 

„Ich habe zehn Jahre lang zusammen mit meinem Vater bei Isover gearbeitet“, sagte Imam Özmen. Es gebe viele Mitarbeitende, deren Familien seit mehreren Generationen für das Werk tätig seien. 

Imam Özmen ist seit 32 Jahren bei Isover beschäftigt. Angefangen in der Produktion ist er inzwischen Betriebsratsvorsitzender. Bei der Demo spreche er als IGBCE-Mitglied, betonte Özmen. Mit der Verlegung nach Speyer werde nicht nur der Standort Bergisch Gladbach geschwächt, sondern auch das gesamte Unternehmen.

Hier würden Spezialprodukte hergestellt, aber auch die „Verkaufsschlager“ des Unternehmens. Özmen zufolge ist das Gladbacher Werk „wirtschaftlich gesund“. Statt einer Stilllegung brauche es eine Perspektive und ein klares Bekenntnis zu Innovation. 

Mehmet Ilgaz, Mustafa Yorulmaz und Erdal Dogan (von links) arbeiten seit mehr als 30 Jahren bei Isover und bangen nun um ihre Arbeitsplätze.

Auch Mehmet Ilgaz ist zur Demo gekommen. Er arbeitet seit 1991 als Staplerfahrer bei Isover. „Eigentlich wollte ich hier in Rente gehen. Aber jetzt weiß keiner, wer bleibt und wer gehen muss“, sagte der 62-Jährige. 

„Die Unsicherheit belastet uns sehr“, bestätigte Ilgaz‘ Kollege Erdal Dogan, ebenfalls seit 1991 Staplerfahrer. „Ich war 19, als ich hier angefangen habe. Ich habe nichts anderes kennengelernt. Das Werk ist meine zweite Heimat.“ Die Motivation in der Belegschaft sei seit der Verkündung der Verlegung im Keller. 

„Ich habe keine Hoffnung, dass mein Arbeitsplatz bestehen bleibt“, sagte Mustafa Yorulmaz, der seit 1988 bei Isover angestellt ist. Er ist 60, da werde es schwer, eine Alternative zu finden.

Foto: Thomas Merkenich

Forderung nach Verhandlungen

Betriebsrat und Gewerkschaft kritisierten, dass es bislang keine Gespräche darüber gebe, wie es für die Mitarbeitenden konkret weitergehe und welche Stellen betroffen seien. Armando Dente forderte den Isover-Vorstand dazu auf, an den Verhandlungstisch mit Betriebsrat und Gewerkschaft zu kommen.

Isover-Unternehmenssprecher Michel Wenger teilte am Donnerstag auf Nachfrage mit, dass die Glaswolle-Produktion in Bergisch Gladbach „nach jetzigem Stand“ Mitte Juli eingestellt werde. Weiterhin gefertigt werden sollen in dem Werk Rohrschalen aus „Hochleistungsmineralwolle“. Noch stehe nicht fest, welche Mitarbeitenden genau betroffen seien. Gespräche mit Arbeitnehmervertretern „laufen noch“, so der Sprecher. 


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ist seit 2024 Redakteurin des Bürgerportals. Zuvor hatte die Journalistin und Germanistin 15 Jahre lang für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Sie ist unter anderem für die Themen Bildung, Schule, Kita und Familien zuständig und per Mail erreichbar: k.stolzenbach@in-gl.de

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  1. Ausbildungsvertrag unterschrieben, Kind glücklich. Nach 3 Tagen Anruf das doch nicht wegen Verlagerung der Produktion.
    So zerstört man auch die Jugend …

    1. Ist nicht als Vorwurf gemeint, aber man sollte sich vorher Gedanken über die Zukunft des Kindes machen. Jetzt noch bei einem Glaswollhersteller eine Ausbildung machen zu wollen, ist genau so sinnvoll wie bei einer Bank oder Versicherung.

      1. Wieso, wird in Zukunft nichts mehr gedämmt? Oder wird Mineralwolle dann von der KI produziert?

      2. Nö, gedämmt wird nach wie vor. Aber nicht mehr mit Klimakillern wie Glaswolle. Durch die hohen Temperaturen in der Produktion ist der CO2-Ausstoß zu hoch. Und die Entsorgung als Sondermüll ist jetzt schon sauteuer. Das fassen die Architekten nicht mehr gern an. Darum geht es den Herstellern ja so schlecht.

      3. @Oliver: Mineralwolle hat immer noch einen Marktanteil von gut 50% bei den Dämmstoffen. Beim Absatzrückgang der letzten Jahre infolge der nachlassenden Baukonjunktur konnte sie sich im Vergleich zu den Schaumstoffen auch besser halten.

        Was die Umweltauswirkungen angeht, muss man nicht nur auf den Energieeinsatz bei der Produktion, sondern auch auf die Energieeinsparung durch deren Verwendung schauen. Diese Rechnung gilt dann natürlich auch für die petrochemisch hergestellten Schaumstoffe, die zudem brennbar sind.

        Klar, man kann natürlich auch Holzfaserdämmstoffe oder hanf- bzw. schafwollbasierte Produkte verwenden, aber das ist nach wie vor ein Nischenmarkt – und besonders umwelt- oder recyclingfreundlich sind die nach der üblichen Brandschutzimprägnierung auch nicht mehr.

      4. Man muss doch nur Bergisch Gladbach mit Speyer vergleichen, bessere Verkehrsanbindung, geringere Gewerbesteuer, keine Wohnbauten direkt gegenüber.
        Die Entscheidung hätte eventuell auch andersrum sein können aber Bergisch Gladbacher ist scheinbar der schlechtere Standort.