Benno Nuding bei einer Rede 2023 im Stadtrat. Foto: Thomas Merkenich

Die Freie Wählergemeinschaft FWG hatte bei der Kommunalwahl nur zwei Mandate gewonnen und verhandelt nun mit Volt über die Bildung einer gemeinsamen Fraktion. Doch noch vor dem Start verliert sie eins von nur zwei Mandaten, Benno Nuding geht eigene Wege.

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Das Ergebnis der Wahl für den Stadtrat am 14. September war für die FWG eine große Enttäuschung: Trotz einer ebenso fleißigen wie konstruktiven Arbeit in der ausgehenden Ratsperiode gewann die Wählergemeinschaft nur 2,5 Prozent der Stimmen und damit zwei Mandate.

Besonders groß war die Enttäuschung von Benno Nuding, Mitbegründer und Vorsitzender der FWG. Auf Listenplatz zwei hinter Rainer Röhr hatte er zwar ein Mandat gewonnen – aber er sieht für die FWG keine Zukunft in Bergisch Gladbach.

„Wenn wir irgendeinen politischen Fehler begangen hätten oder uns im Wahlkampf wenig Mühe gegeben hätten, könnte die FWG versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen“, erklärt Nuding, „aber ich sehe keinen wesentlichen Punkt, in dem wir uns verbessern könnten. Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass wir bei der nächsten Wahl besser abschneiden werden.“

Er wolle sich, so Nuding, weiter kommunalpolitisch für Bergisch Gladbach und insbesondere für Schildgen und Katterbach einsetzen – sei aber „zu der Überzeugung gekommen, dass die FWG dafür nicht mehr der richtige Weg ist“.

Nuding gibt Mandat nicht zurück

Daher legte Nuding den Vorsitz der FWG nieder und kündigte an, im neuen Stadtrat nicht der FWG-Gruppe anzugehören. Stattdessen werde er zunächst als Einzelratsmitglied auftreten, die Positionierung der anderen Fraktionen beobachten und dann „wahrscheinlich einer Fraktion beitreten, soweit diese damit einverstanden ist“.

Für die FWG eine weitere Enttäuschung. Denn sie hatte Nuding gerade noch aufgefordert, „sein auf der Liste der FWG erlangtes Mandat entweder für die FWG wahrzunehmen oder es seinem Listennachfolger zur Verfügung zu stellen“. So aber wäre die FWG nicht einmal mehr eine Gruppe, Rainer Röhr nur noch ein Einzelratsmitglied.

Die künftige Sitzverteilung im Stadtrat.

FWG und Volt steuern gemeinsame Fraktion an

Die Pläne der FWG sahen anders aus. Sie befindet sich seit der Wahl in Vorgesprächen mit Volt. Die paneuropäischen Partei hatte ebenfalls zwei Mandate gewonnen und zieht erstmals in den Rat ein. Zusammen könnten FWG und Volt die Anforderung an eine Fraktion (mindestens drei Mandate) noch knapp erfüllen und dann doch Sachkundige Bürger in die Ausschüsse entsenden.

Dieser Weg steht FWG und Volt mit ihren jetzt noch drei Mandaten nach wie vor offen, und wird auch weiter verfolgt. Sie wollen eine Fraktionvereinbarung bis zur Konstituierung des neuen Rates unter Dach und Fach bringen und gemeinsam eine „zusätzliche Stimme der politischen Mitte“ bilden. Dazu äußerten sich die Spitzenkandidaten der beiden Gruppierungen wie folgt.

Alexander Becker beim Kandidaten-Karussell des Bürgerportals. Foto: Thomas Merkenich

Alex Becker (Volt): „Wir haben in den Kommunalprogrammen große Übereinstimmungen mit den Zielen der FWG festgestellt. Vor dem Hintergrund der neuen Regelungen der Gemeindeordnung lag es da nahe, miteinander zu sprechen. Wir sind uns insbesondere darin einig, pragmatisch und lösungsorientiert zu arbeiten, gerade hinsichtlich eines tragfähigen Verkehrskonzeptes. Darüber hinaus spielt für uns die Digitalisierung der Verwaltungsabläufe eine wichtige Rolle.“

Rainer Röhr beim Kandidaten-Karussell. Foto: Thomas Merkenich

Rainer Röhr (FWG): „Wir erhoffen uns aus einer Zusammenarbeit starke Synergieeffekte, gerade was die Schonung von Natur- und Freiflächen, eine beschleunigte Zanders-Erschließung sowie die dringend notwendige Haushaltsdisziplin betrifft. Es ist uns wichtig, Bergisch Gladbach als modernen Berufsbildungsstandort mit entsprechenden Wohnungsangeboten zügig zu entwickeln. Die städtische Infrastruktur muss dem Bevölkerungswachstum standhalten können.“

FWG und Volt kritisieren, dass der Landtag NRW durch eine Änderung der Gemeindeordnung die Mindestzahl von Mandaten für eine Fraktion (bei einem 72-köpfigen Rat) auf drei Sitze erhöht hat. Damit werde die Arbeit kleinerer Parteien oder kommunaler Wählergemeinschaften behindert. Die Mitarbeit sachkundiger Bürgerinnen und Bürger sei dadurch deutlich erschwert worden. Gerade sie aber trügen wesentlich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Das stehe im Widerspruch zu den Sonntagsreden der großen Parteien, in denen Bürgerbeteiligung das Wort geredet werde.

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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  1. In kürzester Zeit haben es Benno Nuding und Rainer Röhr (und die Vertreter der FWG im Stadtrat) nach der Wahl in 2020 geschafft, die FWG zu einer anerkannten Gesprächspartnerin in unserer Kommunalpolitik zu entwickeln.

    Das ist insbesondere ihrem großen gemeinsamen (ehrenamtlichen!) Engagement zu verdanken. Und es ist eine tolle Leistung, die ich hier gerne festhalten möchte, bevor man in der Tagesordnung einfach weitergeht.

    Nun wird die FWG ein neues Kapitel aufschlagen.

    Ich wünsche ihr, dass sie bei einer Zusammenarbeit mit Volt ihre Nähe zu städtischen Bürgerschaft beibehalten und spürbar einbringen kann.

  2. Ein Hauptirrtum besteht m.E. darin, dass jede Partei glaubt, den Stein der Weisen für sich beanspruchen zu können. Selbst eine gute 70-Prozent-Lösung (welche bereits extrem viel verspricht), kann allein nicht zum Ziel führen. Es ist die Menge unterschiedlichster Lösungsansätze, welche kompetent zusammengeführt, zu einem Erfolg führen werden. Siehe Klimapolitik der Ampel… Sie war mutig, unkonventionell, sicher unbequem und teuer, aber verdiente ihre Bezeichnung. Heute bekommen wir nur noch falsche Prognosen und nicht haltbare Versprechungen zu hören. Reine Rhetorik, null Handlung, kein Mumm für neue Wege…
    Mit Realitätsverweigerung á la Trump, welcher ja auch für namhafte Bundespolitiker:*Innen zum großen Vorbild für Machtpräsenz geworden ist, wird man auch den von ihm präsentierten Schlingerkurs fahren müssen. Nichts gegen unseren Kanzler, aber irgendwie sehe ich da eine Parallelentwicklung…
    Für unsere Kommunalpolitik ist diese Tendenz jedoch dank kluger Wahlentscheidungen nicht erkennbar.
    MfG Dieter Richter, Bergisch Gladbach

  3. Ich hätte der FWG (deutlich) mehr Stimmen bei der Wahl gewünscht. Gleichzeitig überrascht mich das schlechte Abschneiden nicht wirklich: Um Wähler:innen zu binden und sich dauerhaft zu etablieren, benötigt eine Partei/ Wählergemeinschaft ein Alleinstellungsmerkmal – also Positionen oder Themen, die von der ‘Konkurrenz’ nicht vertreten werden. Zu Zeiten der FNP-Diskussion war klar, was die FWG auszeichnete – aber heute? Vieles im Wahlprogramm ist richtig und vernünftig, steht aber sehr ähnlich auch in den Programmen anderer Parteien.

    Hinzu kommt: Wer wie die FWG konstruktiv mitarbeitet, Stellung bezieht und auch mal Kompromisse eingeht, macht sich nicht nur Freunde. Da haben es Andere leichter, die im Wahlkampf das Blaue vom Himmel versprechen können, weil sie für Ratsarbeit und -mehrheiten ohnehin keine Rolle spielen.

    Ich hoffe, dass die FWG mit oder ohne Volt ihre (konstruktive) Rolle im neuen Rat findet und die politische Debatte in der Stadt weiterhin bereichert. Dasselbe gilt für Herrn Nuding, dem ich viel Erfolg bei der schwierigen Arbeit als Einzelratsmitglied wünsche!

    1. Demokratisches Engagement ist für alle absolut Lebensbereiche wichtig und unersetzbar. Alle Personen, die sich hierfür konstruktiv und uneigennützig einsetzen, verdienen allerhöchsten Respekt.

      Das System “Kleine Parteien mit starken Führungspersönlichkeiten” , halte ich dagegen für uneffizient und antiquiert. Zu Viele kochen dann nur noch ihr eigenes Süppchen. Dieses Auseinanderdiffidieren erklärt überhaupt erst die Parteienzersplitterung.

      Sind die Werte nicht sogar oft deckungsgleich, nur unterschiedlich ausformuliert? Wäre es nicht effektiver, eine gemeinsame Sprache zu finden und unter einem gemeinsamen großen Dach zusammen zu arbeiten?

      Die “gefühlten” Störelemente Zwistigkeiten und Postitionsunterschiede innerhalb einer Partei gehören zum konstruktiven Alltag. Steigert nicht sogar erst die Auseinandersetzung in einer konstruktiven Diskurskultur das politische Selbstverständnis – neudeutsch: Profil?

      Nun ja, die etablierten “Volks”parteien beweisen grad das Gegenteil… Fehlt es bei ihnen einfach nur an so etwas wie Disziplin? Ich denke, die Wählerschaft insgesamt könnte sich insgesamt mehr in der PolitikArbeit mit einbringen und von Innen heraus “mehr Demokratie wagen”.

      Wahrscheinlich die einzige und vielleicht letzte Chance zu deren Erhalt…

      MfG Dieter Richter, Bergisch Gladbach

      1. Hallo Herr Richter, ich verstehe ihre Argumentation und kann auch ein stückweit mitgehen. Meinungsverschiedenheiten und der Umgang damit gehören zu Parteien und machen diese lebendig – und gemeinsam lässt sich oft mehr erreichen.

        Aber wenn innerparteilich politische (oder auch persönliche) Differenzen zu groß werden, rauben sie viel Energie und wirken lähmend. Dann kann es tatsächlich besser sein, eine neue Partei zu gründen, auch wenn es Schnittmengen gibt. Das gilt insbesondere, wenn es in wichtigen Fragen gegensätzliche Interessen gibt, die sich nicht miteinander versöhnen lassen, und die Mehrheitsposition zur “Parteilinie” wird.

        Für die demokratische Diskussion ist eine zusätzliche (konstruktive) Stimme m.E. tendenziell positiv. Die Frage ist, wie es öffentlich wahrgenommen wird: Gelingt es der neuen Partei, sich abzuheben und als (bessere) Alternative zu präsentieren – oder entsteht der Eindruck, dass einzelne Personen “nicht miteinander können”?

    2. Am Ende hängt vieles auch mit der veränderten politischen Lage und dem Auftreten neuer Parteien zusammen, die um ähnliche Wählergruppen geworben haben – und sich dabei teilweise gegenseitig geschwächt haben. Für viele Menschen, die sich nicht intensiv mit den Hintergründen beschäftigt haben, sind die Unterschiede zwischen den Parteien zudem nicht immer klar erkennbar. So lassen sich auch die zwei Sitze der Bürgerpartei GL erklären, die im selben Wählersegment wie die FWG um Stimmen konkurriert hat. Die Wähler:innen der FDP sind wohl zur CDU gewandert .

      Möglicherweise wirkte das Auftreten der FWG etwas zu programmatisch, zu wenig modern und nicht populär genug, um insbesondere Nichtwähler:innen oder jüngere Menschen zu erreichen. Hinzu kam das Comeback der Linken, die 2020 nicht zur Wahl angetreten war und damals Raum für die FWG gelassen hatte – was dieser als Newcomer einen gewissen Bonus verschaffte.

      Letztlich kann ich die Entscheidung der Ratsmitglieder gut nachvollziehen, sich politisch neu aufzustellen. Manche verlassen die Bühne, andere suchen neue Bündnisse – so ist Politik. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Lage in den nächsten Jahren entwickelt. Eine so schnelle Spaltung wie jetzt hat es in Bergisch Gladbach zuletzt vor rund zehn Jahren gegeben.


      Um dem „Disclaimer“ der Redaktion zuvorzukommen, stelle ich fest, dass auch dieser Kommentar eine rein private und menschliche (ohne KI geschriebene) Meinungsäußerung und keine Pressemitteilung einer Partei ist. Über meine aktive Rolle bei der Partei Die Linke in der Region können sie sich durch Klick auf den Namen über den Kommentar umfassend inkl. Ämter, Mandate, politischen Lebenslauf und Daten informieren.

      1. Vor zehn Jahren hat sich DIE LINKE direkt nach der Kommunalwahl gespalten: Damals wurde Frau Henkel bei der Fraktionsbildung ausgeschlossen, blieb jedoch Parteimitglied, nachdem ihre Partei eine Fraktion mit der Bürgerpartei gebildet hatte.

        Wie ist die Situation heute? Aus der Presse geht hervor, dass DIE LINKE zerstritten ist. Bilden sie eine Fraktion oder wird es erneut zu einer gemeinsamen Fraktion mit der Bürgerpartei kommen?

      2. Gute Frage. Offenbar besitzen Sie Insiderinformationen, die sie hier in Frageform kleiden. Lassen Sie uns an Ihrem Wissen teilhaben.

      3. @Redaktion Es gibt Hinweise in sozialen Medien, im Bürgerportal und im Kölner Stadtanzeiger zu Entwicklungen. Mir wurde aus sehr glaubwürdiger Quelle zugetragen, dass zwei der drei Ratsmitglieder von Die Linke im Stadtrat möglicherweise nur eine Gruppe bilden wollen. Ob das stimmt, ist unklar. Angesichts früherer Vorgänge – rund um die Bürgerpartei – stellt sich die Frage nach den Hintergründen, die am besten Tomas Santillan selbst beantworten könnte.

  4. Dass jeder seine eigene Partei gründen kann, ist eine charmante Idee innerhalb von Demokratisierung. Wie nun sind die möglichen Auswirkungen? Man muss sie mathematisch betrachten. Angenommen es gibt 20 “Wohlfühlparteien” und eine Nichtdemokratische. So schwurgeln die demokratischen an der 5-Prozent-Hürde entlang und die Nichtdemokraten bekommen u.U. 15 – 20 Prozent. Wer nun erhält die Macht im Land?
    Adolf… ? Ja genau!!! Ein Blick in die Geschichtsbücher liefert die Erklärung.
    Mit freundlichen Grüßen, Dieter Richter (75), Bergisch Gladbach