Die Galerie Kunstkabinett Partout in Herkenrath hat mit der neuen Ausstellungsreihe „Sideways“ ein spannendes Format geschaffen, das jungen Künstlern eine Bühne bietet. Den Auftakt macht Moritz Kral, der surreal-naturalistische Ölgemälde präsentiert. Die Werke des jungen Künstlers laden dazu ein, in dystopische Traumwelten einzutauchen, die zwischen Symbolismus, Mythologie und aktuellen Themen wie dem Klimawandel oszillieren.

Text: Antje Schlenker-Kortum, Fotos: Thomas Merkenich

Moritz Kral. Foto: Thomas Merkenich

„Mein Elternhaus war bestückt mit Postern von Dalí und Max Ernst“, erzählt der junge Maler Moritz Kral, der sein Atelier in Königswinter hat und in Bad Honnef wohnt. Als Kind habe er oft am Fuße der heimischen Treppe gesessen und in der Spiegelung des Glasrahmens seine Eltern beim Fernsehen beobachtet.

+ Anzeige +

Erst viel später sei ihm der vermutlich prägende Einfluss der Surrealisten aufgefallen. Mit 12 Jahren probierte er sich im Graffiti aus – schon allein, um „rebellisch“ zu sein. Später absolvierte er eine Lehre in Gestaltungstechnik. Schließlich folgte ein Praktikum bei „Bühnen Köln“ – eine aufregende Zeit mit spannenden Bühnenprojekten und experimentellen Maltechniken.

Da wundert es kaum, dass seine aktuellen Werke theatralische Namen tragen wie „Masquerade“, „deutsch“, „Eden“, „Persephone“, „Getsemane“, „mothernature“ oder „Tartarus“. Für ihn sind Werktitel eine zusätzliche Bedeutungsebene – ein Gedanke, den er mit vielen Künstlern des Surrealismus teilt.

Surrealismus und deutsche Tristesse

So beschreibt er die moosfarbenen, dysmorphen Formen auf den beiden Leinwänden mit dem Titel „deutsch“ als „dystopische Welten“, die für ihn das „deutsche Idyll“ darstellen, wie er es kennengelernt habe. Er spricht von tristen Farben und einem blassen Himmel, der in seiner Wahrnehmung „nie wirklich blau war“.

Wenn Kral über seine Arbeit redet, spürt man seine tiefe Identifikation mit christlichen und antiken Mythologien. Seine düstere Bildsprache reicht von nackten Frauenbrüsten über lose Finger und blanke Knochen bis hin zu organisch verwachsenen Blättern – eine intuitiv fantasierte Traumwelt.

Kral erinnert an den Maler Hieronymus Bosch oder an alte Ikonenmalerei – Symbolwelten, die weit älter sind, als der Surrealismus des letzten Jahrhunderts und fragt: „Ab wann ist surreal surreal?“

Autodidaktik und freies Experimentieren

Im Kunstkabinett Partout riecht es nach Ölfarben. Kral malt gern großformatig auf Leinwand – mehrere Schichten lasierend in Öl, halbtransparente Flächen an- und übereinander gearbeitet, mal abstrahiert, mal realistisch-detailverliebt ausgearbeitet. Symbole und Bildwelten verschmelzen virtuos miteinander.

Beispielsweise in „Allegorie der Künste“, einem großformatigen Ölgemälde, das eine Hommage an Pompeo Batoni ist. Hier hat Kral die Allegorien und die Künste, für die sie stehen, zeitgenössisch umgedeutet: knochenartige, fließende Formen hinzugefügt, hier und da verfremdet – spielerisch und ohne den Anspruch, perfekt zu kopieren.

Krals Maltechnik ist autodidaktisch erarbeitet; er hat nicht an einer Hochschule studiert. Der 29-Jährige ist Meisterschüler von Thomas Baumgärtel und hat bereits mehrere namhafte Ausstellungen in der Region bestritten – von „Art Artist Düsseldorf“ über „Revierkunst Hattingen“ bis zur „Discovery Art Fair”.

Galeristin Ursula Clemens-Schierbaum schwärmt, dass Kral sich „markant und symbolträchtig in Worten und in Kunst“ ausdrücken könne. Seine dystopische Bilderwelt nennt er „Blue Bones“, ein Begriff, der für ihn individuelle Krankheitsbilder symbolisiert – welche für ihn Ausdruck von Fehlverhalten sind. Zugleich steht der Begriff für ein gesellschaftliches Leiden an Unnatürlichem.

Mit düsteren Farben und morbiden Symbolen beschreibt diese Blue Bones-Serie eine künstlerisch empfundene Psychosomatik unserer Zeit – einen zeitgemäßen Surrealismus, der vom kollektiven Unbewussten erzählt. Trotz „Point of no return“ im Klimawandel sieht Kral dennoch Hoffnung: „Blau ist in der Farbenlehre eine positive Farbe (…). Wir können jederzeit versuchen, es in den Griff zu bekommen.“

Young Artists in Sideways

Der junge Künstler Moritz Kral ist eine Neuentdeckung Ursula Clemens-Schierbaums. Mit ihm eröffnet die Galeristin ein zweites Format neben den laufenden Ausstellungen: eine regelmäßig stattfindende vierwöchige Ausstellungsreihe für junge Künstler. Dafür wurden zwei weitere Räume der Galerie Partout als Ausstellungsräume freigegeben – die bereits sporadisch für Publikum geöffnet waren, um regelmäßig neue Arbeiten möglichst aller ihrer Kunstschaffenden zu zeigen

Die große Halle bleibt weiterhin großen Einzel- und Gruppenausstellungen vorbehalten – aktuell sind dort über 80 Arbeiten von Götz Sambale zu sehen. Im Turnus von drei Monaten bietet die flankierende Kurzreihe „Sideways“ eine willkommene Abwechslung für Kunstschaffende wie Besuchende.

Werke von Götz Sambale in der großen Halle des Partouts. Fotos: Thomas Merkenich

Die neuen Räume mit Parkettböden haben große Fenster; Stimmung und Lichtsituation unterscheiden sich stark vom industriellen Flair der ehemaligen Industriehalle. Besonders abends kann man gut vom Bürgersteig hineinschauen – ein Detail, das besonders Passanten in Herkenrath anspricht, wie sie sagt.

Clemens-Schierbaum plant auch zukünftig, zwischen den Sideways-Ausstellungen neue Arbeiten aus ihrem gesamten Künstler-Spektrum zu präsentieren: „Die Künstler wollen immer ausstellen,“ sagt sie verständnisvoll. Sie fügt hinzu, dass sie eine ausgewogene Sammlung anstrebe: Junge Talente sollen ebenso vertreten sein wie ältere, erfahrene Künstlerinnen und Künstler.

Foto: Thomas Merkenich

Vom 5. April bis zum 9. Mai lädt Krals Werk die Gäste zum Philosophieren und Diskutieren ein – eine schöne Gelegenheit für Neugierige und Kunstinteressierte, die kleine Ausstellungsreihe „Sideways” zur Vernissage zu besuchen mit dem jungen Künstler ins Gespräch zu kommen.

Moritz Kral – Surreal Real
5.4. bis 9.5. .2025

Vernissage: 5.4.2025 17 Uhr, mit Moritz Kral
Einführungsrede: Dr. Ursula Clemens-Schierbaum, Kunsthistorikerin
Musik: Linus Grün, E.-Gitarre
Finissage: 9.5.2025, 19 Uhr, mit Moritz Kral

Partout® Kunstgeschichte & Kunstkabinett
Strassen 85, 51429 Bergisch Gladbach
Öffnungszeiten: di, do, fr 16-19 h, sa 11-13 h
und nach Vereinbarung
02204 42 52 38
instagram: @partout.kunstgeschichte
www.partout-kunstgeschichte.de
Künstlerseite: https://moritzkral.de


Beiträge wie diese sind die Kür im Lokaljournalismus und erfordern viel Arbeit von Reporterin und Fotograf. Wenn Sie unsere Arbeit unterstützen wollen, dann gerne mit einem regelmäßigen freiwilligen Beitrag oder als Einmalbeitrag. Hier finden Sie mehr Infos zu unserem Verständnis von freiem Journalismus. Danke!

Weitere Beiträge über ausstellung in GL

„Menschen. Heimat. Perspektiven“ setzt Zeichen für Integration

Die Ausstellung „Menschen. Heimat. Perspektiven.“ zeigt Gesichter und Geschichten von Menschen, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind und an Integrationskursen der VHS teilgenommen haben. Sie ist in Kooperation mit dem Kommunalen Integrationszentrum entstanden.

„Angekommen“: Himmel un Ääd zeigt Porträts der neuen Nachbarn

In 21 farbigen Porträts stellt Philipp J. Bösel Menschen vor, die seit 2015 nach Deutschland geflüchtet und heute mit ihren Berufen fest in Bergisch Gladbachs bunten, vielfältigen Gesellschaft angekommen sind. Anlass ist das 10. Jubiläum der Ökumenische Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Schildgen“.

AdK feiert 40. Geburtstag mit „Natur? Pur!“

Der Arbeitskreis der Künstler Bergisch Gladbach e.V. (AdK) eröffnet am Montag seine neue Ausstellung unter dem Titel „Natur? Pur!“. Damit rückt er das komplexe Thema von Flora, Fauna, Habitat in den Vordergrund – und markiert seinen 40. Geburtstag.

Verwaltung als offener Denkraum? „Kreise öffnen“ im Kreishaus

Kann man Verwaltungsstrukturen und ihre spröden Begriffe für eine kreative Neubetrachtung öffnen? Neun regionale Künstlerinnen und Künstler experimentieren individuell, poetisch und teils provokant mit Formen von Grenzen. Das Kreishaus feiert 50 Jahre Rheinisch-Bergischer Kreis mit einer umfangreichen Kunstausstellung.

Künstlerische Freiheit und ihre Praxis: „I Spray for Freedom“ 

Thomas Baumgärtel ist eine Legende der internationalen Streetart-Szene: In der Kunstwelt gefeiert und umstritten, aber in jedem Fall ein streitbarer Künstler. Ein Gespräch mit dem Bananensprayer über seinen Kunstbegriff und die spektakulären Geschichten hinter seinen Werken – die jetzt im Kunstkabinett Partout in Herkenrath zu sehen sind.

Beruf und Berufung: Fotos „zwischen Simulation und Wirklichkeit“

Welche Bilder sind natürlich entstanden, welche wurden inszeniert, welche technisch-künstlich erzeugt – und wenn ja warum und vor allem wie? Diese und andere Fragen beleuchtet das Basement 16 in der Ausstellung „Zwischen Simulation und Wirklichkeit – Bildwelten der Fotografie“. Präsentiert werden Werke von Delia Dickmann, Marlis Sauer, Manfred Vogelsänger, Joe Willems und Reinhard Gedack.

Pioniere: AtelierEtage holt Kunst auf das Zanders-Gelände

Das Kulturpilotprojekt „AtelierEtage“ wird am Wochenende im Feuerwehr-Gebäude auf dem Zanders-Areal eröffnet. Für den Stadtverbands Kultur und zehn engagierte Kunstschaffende wird damit ein lang gehegter Traum Wirklichkeit. Nachdem einige bauliche und bürokratische Hürden überwunden wurden. Ein Gespräch mit den Akteuren über Möglichkeiten, Zugeständnisse und Hoffnung.

„Das Leuchten des Alters“: Ausstellung porträtiert Senior:innen aus GL

Der Fotograf Johannes Bichmann hat Besucher:innen der Bergisch Gladbacher Seniorenbegegnungsstätten porträtiert. Um den Menschen die anfängliche Scheu vor der Kamera zu nehmen, nutzt der 38-Jährige eine eigenwillige Methode. Die beeindruckenden Ergebnisse sind in der Wanderausstellung „Das Leuchten des Alters“ zu sehen.

Atelierhaus Halfen Dombach: ein neuer Garten, Kunst- und Kraftort

Am Wochenende öffnet der kleine Skulpturengarten der Ateliergemeinschaft Maxrath-Zieriacks in Sand. Die Ateliers im Weiler Halfen Dombach sind offen für Besucher, Gespräche und Rundgänge – ein neuer Ort für Kultur im Grünen entsteht. Eine kleine Preview und ein Ausblick auf die weitreichenden Pläne der Initiatorinnen.

„Wald und Sturm“ im Kreishaus: Kunst trifft Klimawandel

Wie wirken Stürme auf den Wald und wie blicken Kunstschaffende auf diese Veränderungen? Mit diesen Fragen setzt sich die Ausstellung „Wald und Sturm“ auseinander, die ab Donnerstag im Foyer des Kreishauses Heidkamp zu sehen ist.

Kunst und Ware: „Eine Zeitreise“ im Basement 16

Die Galerie Basement 16 eröffnet in Bensberg eine Kunstmesse, die mehr sein möchte als eine reine Verkaufsausstellung. Welche Erwartungen hegen die teilnehmenden Kunstschaffenden, und was hat die Messe unter dem Titel „Eine Zeitreise“für das Publikum der Region zu bieten? Ein Gespräch mit den Organisatorinnen Marlis Sauer und Gabriela Hain sowie den Kunstschaffenden über Kunst und…

Moderne Frauen und Kunst für den Gebrauch: Partout zeigt Paula Knaps-Loos

Die Galerie Kunstkabinett Partout in Herkenrath präsentiert die junge Künstlerin Paula Knaps-Loos mit ihren neuen Kunstwerken auf Keramik, Stoff und Mixed Media in der Ausstellung „Wand(ge)schichten“. Ein Gespräch mit dem Multitalent über die Vielfalt von Materialien und Techniken sowie über die Möglichkeiten, Kunst im Alltag zu nutzen.

Something went wrong. Please refresh the page and/or try again.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.