Ronja Radt macht eine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin bei Verbert. Foto: Thomas Merkenich

Das Handwerk ist noch immer sehr männerlastig. Das gilt für bestimmte Branchen umso mehr. Ronja Radt aus Bergisch Gladbach hat sich davon nicht abschrecken lassen und macht eine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin für Sanitär, Heizung und Klimatechnik. Die 17-Jährige hat dabei ihre Begeisterung für Heizungsanlagen entdeckt. Im Betrieb und in ihrer Klasse ist sie die einzige Frau.

Von Kathy Stolzenbach (Text) und Thomas Merkenich (Fotos)

Um gleich mit einem Klischee zu beginnen: Wer Ronja Radt in ihrer Freizeit begegnet, wird vermutlich nicht ahnen, was sie beruflich macht. „Privat ziehe ich auch Kleider und hohe Schuhe an“, sagt die 17-Jährige. An diesem Tag trägt sie ein dunkelblaues T-Shirt mit gelbem Firmen-Logo und eine Arbeitshose. Ihre langen, dunkelblonden Haare sind zu einem geflochtenen Zopf nach hinten gebunden. 

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Ronja Radt macht eine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin für Sanitär, Heizung und Klimatechnik bei der Bergisch Gladbacher Firma Verbert. Erstmals in der Geschichte des Familienunternehmens, das 1951 gegründet wurde, gibt es nun eine weibliche Auszubildende im Handwerk. (Frauen gibt es bislang nur in der Verwaltung der Firma.)

Der frühere Firmenchef, Franz-Josef Verbert, hatte schon früh um Ronja geworben: Sie wuchs mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in einem Haus auf, das Verbert vermietete und in Sichtweite der Firmenzentrale lag. „Er hat meine Eltern gefragt, ob wir Mädels nicht mal ins Handwerk wollen. Dann könnten wir uns jederzeit melden“, erinnert sich Ronja. 

Foto: Thomas Merkenich

Damals besuchte sie noch die Schule. Sie wusste aber schon, dass sie kein Abitur machen würde. „Schule war nicht so meins. Ich wollte viel lieber praktisch arbeiten“, sagt Ronja. Ihre Mutter ist in der Stadtverwaltung tätig, ihr Vater in der Verwaltung einer Hochschule. Beide seien also „Büromenschen“, das könne sie sich nicht vorstellen. 

Ronja fasste den Plan, eine Ausbildung zur Schreinerin zu machen und absolvierte ein Ein-Tages-Praktikum bei einem Schreiner. „Es hat mir gut gefallen, aber ein Tag war zu kurz für einen richtigen Einblick.“ Doch für ein längeres Praktikum fand sich kein Betrieb. 

Praktikum als Türöffner

Und so kam ein paar Monate vor ihrem Schulabschluss die Firma Verbert wieder ins Spiel: Ronja lernte in einem viertägigen Praktikum die verschiedenen Arbeitsfelder kennen. In den ersten beiden Tagen drehte es sich ausschließlich um den Bereich Abwasser, also etwa das Erneuern von Abwasserleitungen. „Das ist der Teil des Berufs, den viele Leute nicht so gern machen. Ich fand es aber interessant“, berichtet Ronja.  

An den anderen Tagen half sie bei Wartungen von Heizungsanlagen. Ihr Interesse war geweckt. Es gefiel der damals 15-Jährigen so gut, dass sie sich für eine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin bei Verbert entschied.


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Neben den Mitarbeiterinnen im Büro ist Ronja die einzige Frau im Betrieb. „Ich wusste von vornherein, worauf ich mich einlasse. Der Beruf hat mich interessiert. Ich wollte mich nicht davon abschrecken lassen, dass man fast nur mit Männern zusammen arbeitet.“ Von Beginn an habe sie sich „super willkommen“ gefühlt. 

Inzwischen befindet sich Ronja im zweiten Lehrjahr, hat ihre Zwischenprüfung mit der Note Zwei bestanden. Die Ausbildung dauert insgesamt dreieinhalb Jahre. Einen Tag pro Woche verbringen die Auszubildenden am Berufskolleg (im ersten Lehrjahr waren es zwei Tage pro Woche). Auch in ihrer Klasse ist Ronja die einzige Frau. Eine weitere sitzt in ihrer Parallelklasse. 

Männerdomäne Anlagenmechanik

Nach wie vor ist die Anlagenmechanik ein sehr männerdominierter Beruf. Das zeigen auch die Ausbildungszahlen der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land – sie ist zuständig für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Leverkusen und den Oberbergischen Kreis. Im Jahr 2015 gab es lediglich eine weibliche und 114 männliche Anlagenmechaniker-Auszubildende, 2020 waren es 3 weibliche sowie 133 männliche. 2024 waren es immerhin 5 weibliche, allerdings stieg auch die Anzahl der männlichen Auszubildenden deutlich – auf 154.

Frauen im Handwerk

Insgesamt ist das Handwerk laut den Zahlen der Kreishandwerkerschaft weiterhin sehr männerlastig: Im Jahr 2024 waren von 1046 Auszubildenden lediglich 153 weiblich, was einer Quote von 15 Prozent entspricht. 2015 waren von 1040 Auszubildenden 220 weiblich (22 Prozent). Im Jahr 2020 betrug der Frauen-Anteil bei Auszubildenden im Handwerk sogar 26,5 Prozent. 

Die niedrigste Frauen-Quote in der Ausbildung gab es im Jahr 2024 mit 2 Prozent bei den Elektroniker:innen, gefolgt von Anlagenmechaniker:innen (3 Prozent) und Kfz-Mechatroniker:innen (5 Prozent).

Gemessen am Anteil der weiblichen Auszubildenden waren diese Berufe im Jahr 2024 bei Frauen am beliebtesten: Fachverkäufer:in Bäckerei (85 Prozent), Raumausstatter und Fachverkäufer:in Fleischerei (je 66 Prozent) und Bürokaufleute (64 Prozent).

Berufe im Wandel

Im Jahr 2015 war das Friseurhandwerk mit einer Quote von 83 Prozent sehr frauenlastig. Diese Quote verringerte sich im Jahr 2020 auf 76 Prozent und im Jahr 2024 auf  56 Prozent.

Auch im Bäckerhandwerk ist der Frauenanteil seit 2015 von 40 Prozent auf 14 Prozent im Jahr 2024 gesunken.

Das Tischlerhandwerk hingegen wird zunehmend weiblicher: Waren im Jahr 2015 nur knapp 7 Prozent der Auszubildenden weiblich, hat sich ihr Anteil bis zum Jahr 2024 auf knapp 20 mehr als verdoppelt. 

Deutliche Frauen-Zuwächse stellt die Kreishandwerkerschaft auch bei Dachdeckern und Malern fest.

„Man muss wissen, wie man mit Männern umgeht“, sagt Ronja und lacht. Auf den Rückhalt ihres Chefs kann sie dabei zählen. „Wenn dir jemand blöd kommt, sag‘ es mir. Das gilt auch für Kunden“, habe der ihr gesagt. Doch bisher gab es nichts zu melden. 

Lediglich an eine etwas unangenehme Situation erinnert sie sich, als sich auf einer Baustelle ein Handwerker einer anderen Firma ihr in den Weg stellte und sie nicht durchlassen wollte. „Und als mein Schuh offen war, hat er ihn ungefragt zugemacht, das fand ich sehr merkwürdig.“ Sie habe ihn einfach ignoriert. „Ich weiß, dass ich mich jederzeit auf meine Kollegen verlassen kann, wenn es drauf ankommt.“ 

Foto: Thomas Merkenich

Die Reaktionen von Kund:innen seien bislang durchweg positiv: „Super, dass bei euch auch Frauen arbeiten“ oder „Das ist aber fortschrittlich“, seien typische Kommentare. Ronja selbst möchte keine große Sache daraus machen. „Ich will nicht anders behandelt werden, sondern genauso wie meine Kollegen auch.“ 

Mit ihrer Berufswahl ist die 17-Jährige glücklich: „Ich würde mich immer wieder für die Ausbildung entscheiden. Sie macht mir super viel Spaß und ich komme mit allen gut klar.“ Sogar die Schule gefällt ihr: „Weil mich die Themen wirklich interessieren, habe ich auch die nötige Motivation.“ 

Andere Streitkultur unter Männern

Als einzige Mitschülerin unter Männern stellt Ronja aber auch einen Unterschied fest: „Es herrscht eine andere Streitkultur. Männer werden schneller laut, motzen rum und sagen, was sie nervt. Danach ist es dann aber auch wieder gut. Frauen zicken sich eher an, sind schneller beleidigt“, so ihre Erfahrung.

Thematisch findet Ronja den Komplex Heizungen und erneuerbare Energien am interessantesten und vielseitigsten. „Ich könnte mir vorstellen, nach der Ausbildung noch meinen Meister zu machen.“ 

So oder so steht schon jetzt für Verbert-Geschäftsführer Daniel Scholz fest: „Wir würden Ronja nach ihrer Ausbildung gern übernehmen, wenn sie das auch möchte.“ Der Chef ist voll des Lobes über seine Auszubildende. „Wir sind absolut zufrieden, ihre Noten sind top.“ Durchsetzen könne sie sich zudem auch. 

Manchmal streiten sich die Kollegen regelrecht darum, wer Ronja an dem Tag mit auf eine Baustelle nimmt, „weil sie eine gute Arbeitskraft ist, mitdenkt und mit anpackt“, berichtet Scholz. „Sie nehmen ihr oft die schweren Geräte ab und tragen sie für Ronja.“ Nicht dass das nötig wäre. Aber so viel zu den Klischees.


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ist seit 2024 Redakteurin des Bürgerportals. Zuvor hatte die Journalistin und Germanistin 15 Jahre lang für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Sie ist unter anderem für die Themen Bildung, Schule, Kita und Familien zuständig und per Mail erreichbar: k.stolzenbach@in-gl.de

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    1. Von Ihrem Kleinen möchte hier niemand etwas wissen.

      Und lernen Sie endlich mal, die Antwortfunktion zu nutzen.

  1. Das einzige, was Männer von Frauen unterscheidet, ist die Muskelkraft (im Durchschnitt), aber dafür gibt es heute ja in allen handwerklichen Lebenslagen maschinelle Unterstützung.

    Daher sollte man bei Frauen noch viel mehr für das Handwerk werben. Jedenfalls sind die guten Handwerker, Meister und Selbstständigen die wohlhabenden von Morgen, denn mit KI etc. werden es BWLer und Juristen in Zukunft schwerer haben.

    1. Frauen können diese Bereiche erheblich bereichern, daher immer weiter Ronya!