Grabmale Richerzhagen war ein großer Name in der Branche. Dann lief das Geschäft mit individuellen Grabsteinen immer schlechter, 2019 ging das Refrather Unternehmen in die Insolvenz. Doch nun ist es wieder da – mit einem jungen Steinmetz und einer Auszubildenden. Dahinter stehen Hanna und David Roth vom Bestattungshaus Pütz-Roth, die eine zugewandte Gestaltung von Grabmalen als wichtigen Teil der Trauerarbeit verstehen.

Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich

Andreas Degenhardt steht in der Steinmetz-Werkstatt und legt einen Schalter um. Das Brausen und Dröhnen einer Sauganlage füllt den zwei Stockwerke hohen Raum. Der Steinmetz zeigt auf einen Stahltank. Der steht in einer Ecke, ragt bis unter die Decke. Dicke Röhren führen in alle Ecken der Werkstatt.

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„Das ist ein riesiger Staubsauger,“ ruft er gegen den Lärm an. Überall im Raum sind Lüftungsschlitze und Klappen verteilt. Man spürt die Zugluft. Sie saugt den Steinstaub aus der Luft in den Stahlturm und hält den Betrieb leidlich staubfrei. „Masken tragen wir beim Arbeiten dennoch“, erklärt Degenhardt mit kräftiger Stimme.

Wir befinden uns bei Grabmale Richerzhagen in Refrath, am Vortag von Allerheiligen – dem Tag auf den im Steinmetz-Gewerbe alles hinarbeitet. Nun ist die meiste Arbeit für das Jahr erledigt.

Grabmale Richerzhagen gibt es seit 1934, in den 1970ern wurde das Gebäude in der Bernard-Eyberg-Straße von einem Architekten namens Steinmetz gebaut. „Das Haus wurde um den Turm der Sauganlage herum gebaut“, erklärt David Roth. Er und seine Schwester Hanna führen das Bestattungshaus Pütz-Roth, und sie sind seit August 2022 auch die Eigentümer von Grabmale Richerzhagen.

Neustart nach Insolvenz

„Wir machen das, weil hier Menschen mit Enthusiasmus und Herzblut an etwas arbeiten, das auch uns wichtig ist“, erklärt David Roth. Es gehe um die Betreuung von Menschen, die mit dem Tod konfrontiert werden. Denen man Raum und Zeit geben will für ihre Gefühle, die den Abschied selbst gestalten sollen. Anstatt ihnen eine vorkonfektionierte Lösung überzustülpen. Das ist der Ansatz des Bestattungshauses Pütz-Roth. Und dieser Ansatz wird auch von Grabmale Richerzhagen praktiziert.

Wieder – muss man sagen. Denn in den vergangenen Jahren war es dem Traditionsunternehmen schlecht gegangen. Persönliche Entscheidungen und ein angespanntes Marktumfeld trieben den Betrieb Ende 2019 in die Insolvenz. Kurze Zeit später starb der letzte Inhaber, Thomas Richerzhagen.

Da arbeitete Andreas Degenhardt schon als Geselle im Betrieb. Zusammen mit den verbliebenen Mitarbeitern hatten sie sich damals entschieden, den Betrieb unter der Aufsicht des Insolvenzverwalters fortzuführen und die Zukunft der Werkstatt zumindest vorläufig zu sichern, berichtet der Steinmetz. Unter der Leitung der Familie Roth soll es nun wirtschaftlich wieder aufwärts gehen.

Hammer und Meißel fordern Geduld

Seit August ist Kaja Rennicke aus Hand als Auszubildende bei Richerzhagen, die erste seit rund 20 Jahren, wie Degenhardt anmerkt. „Ich habe mich spontan entschieden, wollte eigentlich den normalen Weg mit einem Studium gehen“, erzählt die angehende Steinmetzin.

Büro sei nichts für sie gewesen. Nach einem Praktikum bei Richerzhagen sei ihr klar geworden, dass es für sie das Handwerk sein soll: „Hier lerne ich traditionell mit Hammer und Meißel, das braucht Geduld, macht aber Spaß.“

Mit dem Tod befassen

„Wir machen hauptsächlich Grabmale“, erklärt Andreas Degenhardt, der zum Jahresende seine Meisterprüfung ablegen will. Hinzu kommen gängige Steinmetz-Arbeiten, unter anderem auch für die Kirche. „Fassaden, Böden, Treppen und Bäder machen wir aber nicht“, stellt er klar.

Stark gefragt seien Arbeiten für Urnengräber. Bronze, Edelstahl, mattschwarz gebürstete Steine. Und Abdeckplatten für Gräber, um den Pflegeaufwand zu reduzieren.

„Die Erdbestattung erlebt gerade eine Renaissance“, wirft David Roth ein. Der Betrieb passe gut ins Portfolio seines Unternehmens, die Gestaltung von Gräbern sei Teil der Trauerarbeit von Hinterbliebenen.

Grabmale anlegen, „das ist ein urmenschliches Bedürfnis“, erklärt Roth, und zählt Beispiele aus der Geschichte auf. Heute sei ihm wichtig, den Menschen die Möglichkeit zum Trauern zu geben, ihre Gefühle auszudrücken. „Durch das Befassen mit dem Tod eines lieben Menschen wird es nicht anders, aber es wird handhabbar.“

Das ist seine Mission, dazu reist er auch um den Globus. Veranstaltet an Allerheiligen in seinen „Gärten der Bestattung“ eine Gedenkveranstaltung, die aus einem Friedhof weit mehr macht als einen Bestattungsort, der sonst oft von kirchlichen und gesellschaftlichen Zwängen dominiert ist und drängenden Gefühlen der Trauernden wenig Raum lässt.

Kaja Rennicke, Andreas Degenhardt und David Roth beim Gespräch. Foto: Thomas Merkenich

Im Dialog mit Hinterbliebenen

Genauso wie die Bestatter bei Pütz-Roth kümmert sich der Steinmetz bei Richerzhagen um die individuellen Wünsche und Emotionen der Hinterbliebenen. „Bei mir gibt es keine fertigen Entwürfe für einen Grabstein“, sagt Andreas Degenhardt.

Er entwickele die Grabmale im steten Austausch mit den Kunden, suche den Dialog. Die würden oft eine Idee mitbringen, er bringe seine handwerklichen Fähigkeiten ein, arbeite an der Gestaltung, setze Ideen 1-zu-1 auf Papier um oder zeige einen Entwurf auch im Auto-CAD-System, das 3D-Zeichnungen ermögliche.

„Die Dimensionen eines Grabmals und der Schrift müssen klar werden. So oft haben Menschen nicht mit einem Grabstein zu tun“, erklärt der Steinmetz. All das geschehe, bevor der erste Buchstabe, die erste Zahl in einen Stein gehauen werde.

Sensibler Steinmetz mit Heavy Metal-Vorliebe

Andreas Degenhardt strahlt viel Sensibilität aus, wenn er vom Umgang mit Angehörigen erzählt. Von Entwürfen, welche die Persönlichkeit der Toten widerspiegeln sollen. Da schwingt Empathie mit. Inmitten einer brachial anmutenden Werkstatt. Die mit Steinsägen, Fräsen, schweren Kränen an den Decken auf das massive Material verweist, auf die handfeste Arbeit, die hier geleistet wird.

„Manche Steine bringen gut eine halbe Tonne auf die Waage“, bestätigt der Steinmetz und deutet auf ein hundert Jahre altes Steinkreuz, das gerade renoviert wird. Geht es mit den Grabsteinen auf den Friedhof, habe man mitunter einen Kran dabei. Er erzählt von Techniken der Ägypter, die zur Bewegung großer Steinquader genutzt wurden, die man heute noch einsetzt.

Sensibles Thema, schwergewichtige Umsetzung: Degenhardt, der auch mal auf dem Heavy Metal-Festival Wacken unterwegs ist, vereint nur scheinbare Gegensätze in einer Person. Und ist so wahrscheinlich genau der Richtige, um Trauer in Stein, Persönlichkeit in Form zu übersetzen.

Raum für Trauer

Blauäugig ist er dabei keineswegs: „Das Handwerk hat sich gewandelt, es kommt viel Importware aus Indien und China auf den Markt.“ Da würden komplette Grabmale mit Schrift und Lampe für unter 2.000 Euro verkauft. Containerware, bei denen Kunden völlig unpersönlich aus dem Katalog bestellen würden, sich kaum einbringen könnten.

Mehr Infos
Grabmale Richerzhagen – Steinmetzbetrieb
Pütz-Roth – Bestattung und Trauerhaus

Dem begegnet Grabmale Richerzhagen mit Offenheit und Qualität, mit Dialog. „Die Menschen kommen mit Bedürfnissen und Ansprüchen zu uns“, sagt David Roth. Trauerarbeit, das wird in vielen seiner Aussagen klar, braucht Zeit und Raum. Sie sollte sich lösen von der Hektik, die nach einem Todesfall herrscht. Und das brauche es eben nicht nur im Sterbefall, sondern auch bei der Gestaltung der Gräber.

Nun hat Grabmale Richerzhagen wohl wieder eine Chance. Mit neuen Inhabern, vielleicht igendwann auch wieder als eigenständiger Betrieb. David Roth lässt das offen. Wenn es nach ihm geht, soll der Betrieb zunächst einfach nur dauerhaft an die alten, erfolgreichen Zeiten anknüpfen: „Wir wollen den engagierten Menschen im Betrieb der Firma Richerzhagen wieder eine gute und verlässliche Zukunft geben.“

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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3 Kommentare

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  1. Diesem jungen, sympathischen Team kann ich nur viel Erfolg wünschen.
    Wer will schon einfach im Katalog bestellte, 1/2 Tonnen schwere Felsbrocken, die noch dazu per Schiff aus Indien und China kommen, auf dem Grab seiner Angehörigen haben.
    Ein liebevoll gestalteter Findling o.ä., auf dem man die Namen und Todesdatum unterbringen kann ist viel persönlicher.

  2. Ich finde es toll, dass der Steinmetzbetrieb Richerzhagen wieder zum Leben erweckt wurde. Auf dem Friedhof in Refrath kann man viele Grabsteine/ Skulpturen von Richertzshagen bewundern, nicht zuletzt das Grabdenkmal auf dem Familiengrab Richerzhagen. Ein großes Lob an Hanna und David Roth, die dies wieder möglich gemacht haben.

    1. Ich schließe mich den lobenden Worten von H. Leute an. Etwas gefehlt hat mir der Aspekt der Kinderarbeit an den billigen Grabsteinen, die auf unseren Friedhöfen kategorisch ausgeschlossen werden müsste. Weiter würde ich mir viel mehr Wiederverwendung der alten Grabsteine wünschen.
      Sicherlich werden auch diese Aspekte bei Fam. Roth ein Thema sein.