Eine Bilanz, die nicht nur Gewinne, sondern das Gemeinwohl misst. Die Sharky Schwimmschule in Bensberg zeigt, wie das geht. Geschäftsführer Martin Becker hat aus einem barocken Kadettenbad das erste gemeinwohlzertifizierte Unternehmen in Bergisch Gladbach gemacht. Mit diesem Porträt starten wir eine Serie über Unternehmen, die den Sinn vor den Gewinn stellen.

Der Weg zum ersten gemeinwohlzertifizierten Unternehmen der Stadt führt nicht durch ein Gewerbegebiet, sondern durch einen Schlosspark. Links das barocke Schloss von Bensberg, ein Nachbau von Versailles, gebaut, um zu protzen. Rechts die Seniorenresidenzen mit eigener Rezeption, Wäscheservice und Arzthaus – Luxus im Ruhestand, inklusive eigenem Schwimmbad. Alles flüstert Überfluss.

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Und dann, am Ende des Parks, das ehemalige Kadettenbad. 1897 erbaut, heute Heimat für Schwimmkurse für Jung und Alt, aber besonders für die Kleinen, die, die noch nicht schwimmen können.

Das ehemalige Kadettenbad liegt hinter dem Bensberger Schloss. Foto: Thomas Merkenich

Hier wird nicht mehr geflüstert, hier tobt das pralle Leben: Kinderwagen, Babylachen, kleine Stimmen, die nach Donuts und Cola verlangen. Das Wasser riecht nicht nach Chlor, sondern nach fast nichts – eine Salzelektrolyse-Anlage macht’s möglich.

Große Fenster werfen Licht in den Raum, die Säulen verschaffen den Eindruck einer gotischen Kirche. Zwischen Schwimmnudeln, Quitscheenten und Babys in Windeln wirkt die barocke Umgebung des Schlossparks seltsam entrückt. Vorne Golfplatz-Atmosphäre, hinten Alltag und Kinderlachen.

Schwimmlehrer ist meine DNA

Mittendrin: Martin Becker. 204 Zentimeter groß, 138 Kilo Muskeln, Jeans, Poloshirt, Basecap. Ex-Wasserballer, Bundesliga. Heute ist er mit Jürgen Ignatzy zusammen Geschäftsführer der Sharky Schwimmschule am Schloss. Sie haben das erste Unternehmen in Bergisch Gladbach, das eine Gemeinwohl-Bilanz vorlegt.

Becker führt kumpelhaft, nicht hierarchisch. „Ich bin Schwimmlehrer – das ist meine DNA“, sagt er. Man glaubt es sofort. Becker ist mit allen per Du. „Hol dir erstmal ’nen Kaffee“, ruft er quer durch die Halle, egal ob es ein neuer Schwimmlehrer ist oder ein Vertreter einer Stiftung. Selbst im Meeting trägt er die Basecap.

Geschäftsführer Martin Becker. Foto: Sharks

Bilanz misst die UN-Nachhaltigkeitsziele

Wenn Gemeinwohl das Ziel eines Unternehmens ist, muss das auch konsequent in einer Bilanz dargestellt werden. Diese Gemeinwohl-Bilanz misst nicht den Umsatz, sondern

  • Menschenwürde – am Arbeitsplatz, in Lieferkette, im Umgang mit Investitionen
  • Solidarität und Gerechtigkeit – bei Mitarbeitenden, Kund:innen, Partnern
  • Ökologische Nachhaltigkeit – Energie, Ressourcen, Investitionen
  • Transparenz und Mitentscheidung – innerbetrieblich und entlang der Wertschöpfungskette

360 Punkte hat Sharky in seiner Bilanz auf Anhieb erreicht – auf einer Skala von -3600 bis +1000. „Das hat uns ein Jahr und 400 Arbeitsstunden einer Minijobberin gekostet,“ sagt Becker. 

Sinn vor Gewinn – die Idee der Gemeinwohlökonomie

Die  Gemeinwohlökonomie (GWÖ) wurde 2010 vom österreichischen Autor Christian Felber als Reaktion auf die globale Finanzkrise, die Klimakatastrophe und die soziale Schieflage in vielen Industrieländern entwickelt. Felbers Kritik: Die klassische Ökonomie orientiert sich am Shareholder Value und am Primat des Wachstums – nicht am Gemeinwohl. Gewinne werden privatisiert, Kosten externalisiert. Dabei ist das Prinzip „Eigentum verpflichtet“ längst im Recht verankert:

Grundgesetz, Art. 14 (2): „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Bayerische Verfassung, Art. 151: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle.“

Die GWÖ will diese Grundsätze praktisch werden lassen. Sie fordert Unternehmen auf, nicht nur Finanzzahlen offenzulegen, sondern auch ihren Beitrag zum Gemeinwohl. Dieses Ergebnis wird in einer „Gemeinwohl-Bilanz“ sichtbar, die von externen Auditor:innen geprüft wird – um Greenwashing vorzubeugen. Die Skala reicht von -3600 Punkten (schwer schädlich) bis zu +1000 Punkten (vorbildlich)**.

Die Europäische Union (EU) unterstützt das Modell und hat sogar das  Vergaberecht reformiert, so dass öffentliche Aufträge stärker auf gemeinwohlorientierte Unternehmen ausgerichtet werden können.

Er versteht Gemeinwohl-Ökonomie nicht als Verzicht, sondern als Haltung. „Geld ist nicht der Zweck, sondern ein Mittel zum Zweck.“ Sein Prinzip: Kooperation statt Konkurrenz.

Lokale Lieferketten 

Die Bilanz hat Konsequenzen. Sharky prüfte Lieferketten, stellt auf lokale Produkte um. Das Café im Bad bezieht Bohnen von der Kölner Rösterei Heilandt, Milch vom Bauern nebenan. Neoprenanzüge für die Schwimmlehrer kommen nicht mehr aus China, sondern aus der Türkei – weniger Transport, bessere Standards. „Wir kaufen so viel wie möglich lokal.“ 

Die Neoprenanzüge waren ein großer Verschleißfaktor, aber für die Schwimmlehrer unerlässlich, um die Körpertemperatur zu halten und eine körperliche Distanz zwischen Schwimmtrainer :innen und den Kindern zu schaffen. Aus abgelegen Neoprenanzügen werden Yogamatten gemacht.

Keine Finanzhaie im Hintergrund

Finanzhaie in Form von stillen Teilhabern oder Fonds sucht man bei Sharky vergeblich: Die Schwimmschule finanziert sich zu 100 Prozent aus Eigenkapital. Einzig die Volksbank begleitet das Unternehmen als Hausbank. Sie gehört zur genossenschaftlichen Finanzgruppe der Volksbanken Raiffeisenbanken.  

Auch die Bank arbeitet an einer nachhaltigen Transformation: Sie beteiligt ihre Mitglieder aktiv an den der eigenen Nachhhaltigkeitsstragie. Darüber hinaus unterstützt die Volksbank die Klimainitiative „Morgen kann kommen“, misst und reduziert ihre CO2-Emissionen und weist ein breites Portfolio im Bereich des gesellschaftlichen Engagements auf. 

Wie sinnvoll ist ein Produkt? 

„Es ist unsere Verantwortung, dass jedes Kind schwimmen lernt,“ sagt Becker. Daher beteiligte er sich auch an „Narwali“- eine Schwimmoffensive des Landes Nordrhein-Westfalen. Umgebaute Seefrachtcontainer werden mit Lastwagen in Gemeinden ohne Schwimmbad gebracht. Das sind mobile Containerpools, die dann als Module aufgestellt werden können. 

Dieses Projekt hat ihn auf weitere Ideen gebracht und er hat einen Plan: Standardisierte Holzbauten für Schwimmbäder, in wenigen Monaten fertig. Das neue Schwimmbad im Refrather Mohnweg hat ihn zusätzlich inspiriert:  Holzmodulbauweise, Wärmepumpe, Photovoltaik, Wasserrückgewinnung, GEG-40 Standard.

Doch diese Art Projekte sind selten – und dauern oft Jahre. Becker will mit Standardbaukästen schneller sein: in drei Monaten ein Schwimmbad hochziehen, mit Holz aus Bayern, Wärmerückgewinnung, PV-Anlagen, Poolabdeckung.

„Wir können nicht warten, bis die Städte bauen. Wir müssen schneller sein.“ Becker hat mit einem Partner schon ein Unternehmen in Bayern gefunden, das auf solche Holzbauten spezialisiert ist. Auch der Rohstoff Holz kommt aus bayerischen Wäldern. Somit wäre auch ein weiteres Kriterium der Sozialbilanz erfüllt: Lokale Wertschöpfungsketten, geringe Transportwege, daher weniger CO2-Belastung und Holz als nachhaltiger, recyclingfähiger Rohstoff. 

Kostenlose Kurse für sozial benachteiligte Kinder 

Sharks punktet bei „Solidarität und Gerechtigkeit bei den den Kund:innen“: Kostenlose Kurse inclusive Transport für Kinder aus der Onkologie Köln, aus dem Kinderdorf Bethanien und aus dem Kinderhaus Maria Hilf. Zudem unterstützt das Unternehmen die Aktion „Grenzenlos in Bewegung.“

Viele Eltern können sich die Schwimmkurse ihrer Kinder nämlich nicht mehr leisten oder es gibt zu wenige Plätze. „Das was gesellschaftlich wertvoll ist – Bildung, Fürsorge, kulturelle Entwicklung, Umwelt ist oft das, was am schlechtesten bezahlt und am teuersten ist,“ sagt Maja Göbel, Politökonomien, Expertin für Transformation und Autorin von „Werte. Ein Kompass für die Zukunft.“ Sie sieht darin den Grund der Ökonomie-Misere: Wir verwechseln Wert mit Preis. 

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Foto: Thomas Merkenich

Das Bad in Bensberg verschlingt 320.000 Kilowattstunden Gas, dazu 126.000 Strom und über 1.500 Kubikmeter Trinkwasser (Zahlen von 2022). Die Abwärme des Schwimmbades nutzen? Gute Idee, aber das lohne sich nur in einem Industriegebiet.  Selbst eine Photovoltaikanlage auf dem Kadettenbad ist nicht erlaubt. Das Dach vom Anfang des 20. Jahrhunderts ist denkmalgeschützt.

Becker: „Wir haben immerhin noch die alte Stahlbetonwanne von 1897 in Betrieb – das ist wenigstens nachhaltig. Und wir haben den Sprungturm abgeschafft, weil wir dann auf eine niedrigere Wassertiefe gehen können.“

Er lacht, wenn er erzählt, dass er als CO₂-Ausgleich Wälder pflanzen wollte. „Aber für unseren Energieverbrauch hätten wir die ganze Niederlande bewalden müssen. Die Gesetzgebung muss sich insgesamt verändern, damit ein Unternehmer das nicht alles alleine stemmt.“ Aber auch dazu gibt es bereits Ansätze (siehe Kasten).

Der Strom wird zwar teils aus regenerativen Quellen bezogen und das Erdgas, das zum Heizen verwendet wird, stammt von WEMAG, einem Anbieter, der Klimaschutzprojekte unterstützt. Trotz dessen handelt es sich bei Gas um einen fossilen Brennstoff, für den eine grüne Alternative gefunden werden muss. Ebenso ist Wasser eine Hauptressource, deren Verbrauch durch einen Umbau der Schwimmbadtechnik im vorherigen Jahr gesenkt werden konnte. 

Mitarbeiter im Zentrum 

Foto: Thomas Merkenich

Sharky hat neben Bensberg weitere Standorte in Löwenich, Bonn und Düsseldorf. 350 Schwimmlehrer arbeiten hier insgesamt. 1,5 Millionen Euro Umsatz werden alleine in Bensberg erwirtschaftet.  Fachkräftemangel?„Kennen wir nicht. 80 Prozent sind Sportstudent:innen, die sich bei uns entwickeln können.“

Die Gemeinwohlöknomie hat Becker auch auf einige organisatorische Ideen gebracht, um den Mitarbeiter:innen eine bessere Altersversorgung und betriebliche Mitbestimmung zu ermöglichen. Zum Beispiel hat er eine Betreibergesellschaft für die Schwimmlehrer:innen gegründet. 

Was ist wahrer Luxus? 

Natürlich läuft nicht alles glatt. Manche Senioren mussten erst überzeugt werden, dass Babys in der Schwimmwindel im Becken keine gesundheitliche Gefahr für sie sind. „Wir haben Studien gebracht und aufgeklärt“, sagt Becker. Heute schwimmen sie nacheinander.

Paradox bleibt: Ausgerechnet ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen macht ein Luxusimmobilienprojekt rentabel, denn die Seniorenresidenzbetreiber, die belgische Immobiliengesellschaft Aedifica, könnte den Bau alleine mit den Wohnungsbesitzern nicht rentabel betreiben. 

Der eigentliche Luxus zeigt sich ohnehin nicht im Schlosspark. Sondern hier, wenn Kinder endlich schwimmen lernen und ihre Selbstständigkeit genießen. Becker steht am Beckenrand, verschränkt die Arme, schaut zu. „Ich mag meinen Job“, sagt er.

Und das klingt so, als ginge es um mehr als Schwimmen.


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die Diplom-Betriebswirtin ist Journalistin und Theaterpädagogin.

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  1. Verstehe ich das richtig, dass es sich hier um gar kein normales Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsichten handelt, sondern um eine gGmbH (gemeinnützige GmbH)? Falls nicht, empfände ich den Artikel doch als eine arg plumpe Marketingaktion. Fake News quasi.

    1. Laut Impressum auf deren Website handelt es sich um eine normale GmbH. Warum der Artikel deswegen „Fake News“ sein soll, ist trotzdem nicht nachvollziehbar. Das würde bedeuten, dass es sich um einen erfundenen, unwahren Text handelt.

      Abgesehen ddavon, ist es doch durchaus berichtenswert, dass es sich hier um das erste gemeinwohlzertifizierte Unternehmen in Bergisch Gladbach handelt und wie es arbeitet.

  2. Der Artikel hat was von bezahlter Werbung…
    Dem Unternehmen geht es natürlich in erster Linie um Gewinnmaximierung. Und das muss man ja auch nicht verurteilen.

    Die Preise für die Kinderkurse sind jedenfalls – verglichen mit dem hiesigen, städtischen Angebot – sehr happig.
    Und “sozial benachteiligte” werden nicht, wie die Headline suggeriert, alle mit kostenlosen Kursen ausgestattet (ist ja auch kein Muss). Wir reden hier von 40-50 Kindern, und drei entsprechenden Kooperationen mit Einrichtungen für Kinder. Da bleiben noch tausende benachteiligte Kinder übrig, wo die Eltern sich nicht kümmern.
    Das fangen dann die Grundschulen auf.

    Soll jetzt keine großartige Kritik sein, das Unternehmen macht offensichtlich einen guten Job.

  3. Dieser „Betrieb“ zeigt erste Antworten auf die meiner Meinung nach essentielle Frage unserer Zeit: „Wie definiere ich Wohlstand?“
    Schön zu sehen, dass es Menschen gibt die diese Frage nicht rein monetär beantworten.

  4. Diesen Bericht über die Sharky Schwimmschule habe ich mit großem Interesse gelesen, denn ich nehme dort an einem Kurs Aquafitness teil. Übrigens, an diesem Kurs nehmen nicht nur Senioren teil. Die Atmosphäre hier ist sehr angenehmen und Anna, unsere Trainerin, stets freundlich und um uns Teilnehmer: innen bemüht. Nach dem Schwimmen einen Tee trinken und etwas naschen, das ist Lebensfreude.

  5. Was für eine wunderbare tolle Idee bzw. Ideen!!! Und der Umsetzung!
    Folgender Satz und die Ideologie dahinter gefallen mir besonders: „Geld ist nicht der Zweck, sondern ein Mittel zum Zweck.” Danke dafür!!!