Wie funktioniert Kommunalpolitik? Wie arbeiten Stadtrat, Ausschüsse und Beiräte? In der BürgerAkademie beantwortete Christian Ruhe, Leiter des Bürgermeisterbüros, viele Fragen und gab einen spannenden Einblick in die Ratsarbeit. Bei den Teilnehmer:innen weckte er Lust auf die erste Sitzung des neu gewählten Rates.

Niemand sonst dürfte sich in Bergisch Gladbach besser mit den Regeln und Gesetzen der Kommunalpolitik auskennen als Christian Ruhe: Der inoffizielle Protokollchef und langjährige Leiter des Ratsbüros führte den Stadtrat in den vergangenen Jahren sicher durch alle formalen Klippen. Auch wenn sich Bemerkungen zu Namen eigentlich verbieten: Im Fall von Christian Ruhe ist der Name tatsächlich Programm.

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Trotz seiner bedeutenden Rolle taucht Ruhe nur selten in unserer Berichterstattung auf, weil er seine Arbeit zum größten Teil im Hintergrund und in aller Regel geräuschlos erledigt. Öffentlich über die Ratsarbeit zu berichten, sei für ihn eine völlig neue Erfahrung, bekennt der 44-Jährige gleich zu Beginn dieser Sitzung der BürgerAkademie. Anzumerken ist ihm das allerdings nicht. 

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Wie funktioniert eigentlich der Stadtrat?

Anfang November konstituiert sich der neue Rat der Stadt Bergisch Gladbach. Doch nach welchen Regeln arbeitet das kommunale Parlament? Wer leitet die Sitzungen, wie werden Mehrheiten gebildet, welche Rolle spielen die Fraktionen und Gruppen, welche Aufgabe haben die Fachausschüsse? Diese Fragen – und alles, was Ihnen zur Arbeit des Stadtrats noch wichtig ist, klären wir in der BürgerAkademie. 

Auf humorvolle Art und mit viel Sachkenntnis gibt Ruhe einen spannenden Einblick in die Lokalpolitik, diskutiert eineinhalb Stunden lang mit den Bürger:innen und beantwortet viele Fragen: Wie funktioniert der Stadtrat? Nach welchen Regeln arbeitet das kommunale Parlament? Welche Aufgaben haben die Ausschüsse und Beiräte? Welche Funktion haben Sachkundige Bürger? 

Ratsmitglieder arbeiten ehrenamtlich

Ruhe erläutert die Unterschiede zwischen Bundestag und Stadtrat: Der Stadtrat ist kein Parlament im klassischen Sinne, sondern ein Bestandteil der Verwaltung. Und im Unterschied zu Bundestagsabgeordneten arbeiten die Mitglieder im Rat ehrenamtlich und nebenberuflich.

Rund 20 Bürger:innen haben an der BürgerAkademie mit Christian Ruhe teilgenommen, moderiert von Georg Watzlawek.

Bürgermeister und Beigeordnete

Der Bürgermeister hat Ruhe zufolge durch den Wegfall des Stadtdirektors seit 1994 eine Doppelfunktion: Er leitet zum einen die Verwaltung und ist gleichzeitig Repräsentant der Stadt. Eine weitere Besonderheit: Er leitet die Ratssitzung und muss sich in dieser Funktion neutral verhalten, wie auch die Vorsitzenden in den jeweiligen Fachausschüssen. Gleichzeitig hat er aber auch eine Stimme bei Entscheidungen.

Zusammen mit den Beigeordneten bildet der Bürgermeister den Verwaltungsvorstand. Beigeordnete (auch Dezernenten genannt) leiten Dezernate beziehungsweise Fachbereiche, etwa Finanzen oder Jugend und Soziales.

Sowohl Bürgermeister als auch Beigeordnete sind sogenannte Wahlbeamte und werden auf Zeit gewählt. Der Bürgermeister von den Bürger:innen für eine Amtszeit von fünf Jahren, die Beigeordneten von den Ratsmitgliedern für acht Jahre. „So sichert man Kontinuiät“, erläutert Ruhe. Ein neuer Bürgermeister wie nun Marcel Kreutz könne sich auf die Expertise der erfahrenen Beigeordneten verlassen.

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Neuordnung der Stadtspitze mit Knalleffekt

Der Versuch der Opposition im Stadtrat, eine neue Verteilung der Verantwortlichkeiten der Beigeordneten zu erzwingen, hat eine überraschende Wende genommen: Bürgermeister Frank Stein kapert die Initiative und setzt den Umbau der Führungsetage der Verwaltung aus eigenen Stücken schon zum 1. November um. Dabei gibt der erste Beigeordnete Ragnar Migenda wichtige Fachbereiche ab.

Vor etwa einem Jahr hat der Rat in die Verwaltungsstruktur eingegriffen, seitdem gibt es drei statt zwei Beigeordnete. „Da hat der Rat seine Macht gezeigt“, erinnert sich Moderator Georg Watzlawek.

Der Bürgermeister werde oft als Chef wahrgenommen, „tatsächlich kann der Rat ihm aber fast alle Rechte entziehen“, so Ruhe. Geregelt sei das in der Gemeindeordnung, der kommunalen Verfassung.

Zur Frage, was ein Bürgermeister alles darf und kann, empfehlen wir die Aufzeichnung einer früheren Ausgabe der BürgerAkademie mit Frank Stein vom Herbst 2024:

Die Gemeindeordnung ist eine enge Begleiterin des 44-Jährigen: „Man muss nicht alles wissen, sondern nur wissen, wo es steht“, laute sein Motto.

Im Laufe des Abends zückt er immer wieder sein Smartphone, um in der digitalen Form der Gemeindeordnung Definitionen und Regelungen nachzuschlagen und Paragrafen in Behördensprache verständlich zu erklären. Und um auf die vielen, zum Teil grundlegenden Fragen zu beantworten: „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie ein so tiefes Interesse haben.“

Fraktionen und Gruppen

Die Teilnehmer:innen der BürgerAkademie wollen tatsächlich genau wissen, was der Unterschied zwischen einer Fraktion und einer Gruppe ist: Neuerdings können Parteien oder Gruppen erst ab drei Mitgliedern eine Fraktion bilden. „Welche Vorteile haben Fraktionen?“, lautet eine Frage.

Da gibt es, so Ruhe, einige Punkte. Anträge, die eine Fraktion an den Bürgermeister stellt, muss dieser auf die Tagesordnung nehmen. Außerdem haben Fraktionen finanzielle Vorteile. So bekommen Fraktionsvorsitzende und ihre Stellvertreter:innen eine höhere finanzielle Entschädigung als einfache Ratsmitglieder.

Fraktionen können eine höhere Anzahl an Sachkundigen Bürger:innen in die Ausschüsse schicken als Gruppen (Einzelratsmitglieder haben keinen Anspruch auf Sachkundige Bürger:innen). „Wer sachkundig ist und wer nicht, ist übrigens nicht näher definiert. Und wird auch nicht überprüft“, so Ruhe.

Der 44-Jährige arbeitet seit 2003 bei der Stadt Bergisch Gladbach (nach einer Ausbildung bei der Verwaltung in Münster), in unterschiedlichen Positionen – vom Schriftführer bis zum Leiter des Ratsbüros. „Ich mache meine Arbeit super gern und versuche die Dinge zu ordnen. Ich bin nicht verantwortlich für politische Entscheidungen, aber begleite diese eng. Das macht Spaß“, vermittelt Ruhe glaubhaft. 

In den vergangenen Jahren saß Christian Ruhe in den Ratssitzungen neben Bürgermeister Frank Stein. Foto (Archiv): Thomas Merkenich

Den Platz neben dem Bürgermeister in der Ratssitzung nimmt Ruhe inzwischen nicht mehr ein, weil er seit kurzem Leiter des Bürgermeisterbüros ist. Seine Nachfolge hat Willi Schmitz angetreten.

Ruhe gibt in der BürgerAkademie auch einen Ausblick auf das, was passiert, wenn der neu gewählte Rat am Dienstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt. Unter anderem werden die Ausschüsse festgelegt, Sachkundige Bürger:innen benannt und gewählt. „Vieles ist vorher abgesprochen, das ist gesetzlich auch zulässig.“ 

„Es wird eine besondere Situation geben“, kündigt Ruhe an. Weil der ehemalige Bürgermeister Frank Stein dann bereits nicht mehr im Amt sei, werde die Sitzung bis zur offiziellen Amtseinführung seines Nachfolgers Marcel Kreutz vom Altersvorsitzenden Hans Josef Haasbach (CDU) geleitet.

Dann gilt es, die stellvertretenden Bürgermeister zu wählen und viele weitere Posten zu besetzen, in den Ausschüssen und anderen Gremien. Wenn alles glatt läuft, prognostiziert Ruhe, kann der Rat damit in anderthalb Stunden durch sein. Und wenn nicht? „Dann können es auch vier werden.“

Davon lassen sich die Teilnehmer:innen am Ende des intensiven und lebhaften Gesprächs nicht abschrecken; sie blicken gespannt auf die Ratssitzung, die viele von ihnen am Dienstag im Rahmen der BürgerAkademie besuchen wollen.


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ist seit 2024 Redakteurin des Bürgerportals. Zuvor hatte die Journalistin und Germanistin 15 Jahre lang für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Sie ist unter anderem für die Themen Bildung, Schule, Kita und Familien zuständig und per Mail erreichbar: k.stolzenbach@in-gl.de

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  1. Sehr guter Artikel.
    Ich war selber Mitglied des Stadtrates in der vorletzten Periode und war von Herrn Ruhes Wissen und Unaufgeregtheit immer begeistert. Ach wenn doch alle führenden Mitarbeiter in der Verwaltung so währen.