Mit einem umfassenden Pakt wollen EU und USA eine transatlantische Freihandelszone erschaffen. Angeblich soll mit dem Abkommen mit dem Namen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ – TTIP vor allem der transatlantische Handel erleichtert werden. Die beteiligten Regierungen betonen die positiven Effekte, die das Abkommen auf das Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze haben soll.
Dahinter verbergen sich jedoch schwerwiegende Folgen für Demokratie, soziale Rechte, Verbraucherschutz und Umweltstandards, welche alle Lebensbereiche eingreifen werden. Die streng geheimen TTIP-Verhandlungen werden von zahlreichen Organisationen kritisiert. Auch in Bergisch Gladbach regt sich Protest, denn das TTIP hat direkte und indirekte Auswirkungen auf das Leben vor Ort.
Das TTIP ist global und kommunal
Im TTIP geht es neben den kommerziellen Warenhandel auch um den Handel mit Dienstleistungen. Damit geht es auch um öffentliche kommunale Dienstleistungen, die von der Stadt erbracht werden oder durch private, halböffentlichen Unternehmen oder Vereinen und freien Trägern erledigt werden. Das Handeln dieser lokalen Unternehmen wird mittelbar und unmittelbar durch TTIP beeinflusst werden und es wird direkten darauf einwirken, welche Leistungen zukünftig von den Kommunen wie erbracht werden können.
So wird das zukünftige Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge erheblich beeinflusst, denn das Freihandelsabkommen zwingt die Kommunen die US-Unternehmen zu berücksichtigen. Die Entscheidungsfreiheit der Kommunen wird durch das geplante Investitionsschutzverfahren voraussichtlich noch weiter eingeschränkt, da andernfalls Schadensersatzklagen von Investoren aus den USA drohen könnten.
Privatisierung der kommunalen Dienstleistungen
Auch wenn sich das Handelsabkommen nicht explizit mit den Organisationsformen und -aufgaben der öffentlichen Verwaltung beschäftigt, werden sich die Inhalte des Abkommens auf die Freiheit der Kommunen auswirken, sich selbstständig zu organisieren. Dieses könnte durch eine Marktzugangsverpflichtung eingeschränkt werden, welche lokale Monopole und ausschließliche Dienstleistungserbringer untersagt.
Eine Marktzugangsverpflichtung könnte dazu führen, dass neben den kommunalen auch private Unternehmen diese Erstellung wahrnehmen können müssen und Rechtsformeinschränkungen nicht zulässig sind. Insgesamt wird damit das verfassungsmäßig garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht und das Subsidiaritätsprinzip unterlaufen, zugleich die EU-Grundrechtecharta und EU-Sozialcharta missachtet.
Das Abkommen will nicht nur Handelshemmnisse für Pharma, Chemie, Auto, Elektronik, Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Finanzdienste beseitigen, sondern umfasst viele öffentliche Dienstleistungen. Ein noch weiter verschärftes Spardiktat für die kommunalen Haushalte wird damit weitere Ausgliederungen, Privatisierungen und Deregulierungen forcieren. Nur wenige öffentliche Dienstleistungen wie Polizei, Militär, Rechtsprechung, Strafvollzug und ähnliches werden von der Liberalisierung ausgenommen.
Dagegen werden für die Kommunen relevante Handlungsbereiche wie etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz durch das Abkommen weiter liberalisiert und die dortigen Standards geschwächt und abgesenkt. Eine Mitwirkung der Kommunen ist bei den Verhandlungen zum TTIP nicht vorgesehen und es ist daher unwahrscheinlich, dass die Interessen der Städte und Gemeinden ausreichend berücksichtigt werden.
Das TTIP ist eine Bedrohung der kommunalen Daseinsvorsorge
Der Bayrische Städtetag bringt in einer Stellungnahme zum TTIP seine Kritik vor, dass der Privatisierungsdruck auf die Kommunen anwachsen wird. Der Bayrische Städtetage spricht sogar von einer “Bedrohung der kommunalen Daseinsvorsorge”.
- Ein vom Verband kommunaler Unternehmen – VKU beauftragtes Gutachten stellt fest, dass im Wasserbereich die nationalen oder lokalen Einschränkungen, die Versorgungen mit Wasser nur über öffentliche Unternehmen vorzunehmen, nicht zulässig wären. Das könnte nicht nur den Gewässerschutz beeinträchtigen, sondern die BELKAW würde ihr Wasserversorgungsmonopol verlieren und damit eine wichtige Einnahmequelle für den städtischen Haushalt Bergisch Gladbach beeinträchtigen. Einer Deregulierung der Wasserversorgung wäre durch das TTIP Tür und Tür geöffnet, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung eine solche Privatisierung zweifellos ablehnt. Der Bürgerentscheid zum Cross-Broder-Leasing 2003 in Bergisch Gladbach hat die negative Haltung dazu belegt.Der Städte- und Gemeindebund (StGB NRW) hält die Befürchtung einer möglichen Beinträchtigung der Wasserversorgung zwar für unbegründet, kann aber die Kritik des VKU auf Grund der strengen Geheimhaltung der TTIP-Verhandlungen nicht glaubwürdig ausräumen. Es wird immer noch darüber verhandelt und die Daseinsvorsorge, öffentliche Dienstleistungen und Wasser stehen nicht (wie vom StGB NRW behauptet) auf der Ausschlussliste (Negativliste) der zu verhandelten Themen.
- Das von Kommunen und Kreisen sowie Wasserverbänden unterstützte Fracking-Verbot oder -moratorium könnte durch das TTIP-Freihandelsabkommen verhindert werden.
- Auch die Position des kommunalen Verkehrsunternehmen KWS/WUPSI könnte gefährdet sein, so dass auch im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) immer mehr private Anbieter auf den Markt drängen könnten.
- Selbst die öffentliche Infrastruktur (Schulen, Abwasserkanäle, Straßenbau, Brücken, etc.) könnte in Richtung privater Straßenbau oder PPP-Projekte gedrängt werden.
- Die kommunale Personal- und Haushaltspolitik würde so negativ beeinflusst und auch die örtliche Arbeitsmarktpolitik und lokale Wirtschaftsstruktur geschwächt werden.
- Die bäuerliche und regionale Landwirtschaft wird weiter geschwächt und gentechnische Pflanzen würden zugelassen werden.
- …
Kultur, Sport und Soziales wird zur Ware!
Auch der Deutsche Städtetag befürchtet in seiner Stellungnahme zum TTIP Einschnitte für Städte. Darunter insbesondere für die nicht liberalisierten Bereiche, wie die Wasserversorgung und Abwasser, Abfall, ÖPNV, Soziales und Kultur.
Bei größeren Investitionen oder Aufträgen ist die Stadt dazu verpflichtet eine Ausschreibungen vorzunehmen. Ökologische oder soziale Kriterien spielen dabei in der Regel keine oder eine sehr untergeordnete Rolle, denn die Stadt muss bei gleichwertigen Angeboten an den Auftrag an den günstigen Anbieter vergeben. Bei sozialen Dienstleistungen wie Kultur, Sport, Bildung, Senioren, Kindern. Beratungsangebote oder bei der Jugend- oder Sozialhilfe sind auch qualitative Kriterien bei der Auftragsvergabe erforderlich und es gibt nur selten eine Ausschreibung.
Durch das TTIP würde sich das ändern, denn auch in diesem Bereich könnte es zu einer Ausschreibungsverpflichtung kommen. Diese Ausschreibungen würde dann nach wirtschaftlichen Kriterien und ohne Berücksichtigung von regionalen, sozialen, kulturellen oder sonstigen Fragen geschehen. Dieses kann dazu beitragen, dass die Qualität gesenkt und Mindeststandards ausgehebelt werden, da diese Kriterien als Handelshemmnisse interpretiert werden könnten. Den Zuschlag bekommt im Zweifel dann nicht mehr das eigene öffentliche Unternehmen (VHS, GL-Service, etc.), der Elternverein oder ein ortsansässiger Wohlfahrtsverband, sondern der günstigste Anbieter.
- Dieses könnte sich auf das soziale Preis- und Gebührengefüge und Bezahlbarkeit öffentlicher Dienstleistungen auswirken. Die Preise könnten ansteigen.
- Damit könnte es auch geschehen, dass die Zuschüsse für Theater, Bergischen Löwen und Museen ein Verstoß gegen das Abkommen darstellen und Ausschreibungen vorgenommen werden müssen, da ein Teil dieser Leistungen nicht direkt durch die Stadt Bergisch Gladbach erbracht werden.
- Gleiches könnte für die Zuschüsse der Stadt für den Trägerverein des Bürgerzentrums Steinbreche gelten oder für den Betrieb der Museen, die ohne Ausschreibung vergeben werden.
- Auch die Zuschüsse an die Schützen für das Bürgerzentrum Schildgen könnten als ein Vertrag zur Erbringung einer Dienstleistung ausgelegt werden.
- Die Verträge über den Unterhalt und Betrieb öffentlicher Sportplätze durch lokale Sportvereine mit neuen Kunstrasenanlagen könnte auf den Prüfstein kommen, denn auch hier wurden in der Vergangenheit keine Ausschreibungen vorgenommen, ob es nicht auch einen anderen Interessenten gibt, der diese Fläche betreiben will.
- Die freihändige Vergabe der Vermarktungsrechte des Stadion Bergisch Gladbach als Monopol an den SV09 wäre nicht mehr möglich, denn diese müsste in einer Ausschreibung auch amerikanischen Unternehmen zugänglich gemacht werden.
- Das TTIP wirkt sich damit auch ehrenamtliche Strukturen aus, welche viele Aufgaben für unser Gemeinwesen übernommen haben. Auch die Zuschüssen für Vereine können von Investoren und Wettbewerbern als Handelshemmnisse betrachtet werden und zu einer Klage führen.
- und vieles mehr …

Investitionsschutz senkt Standards
Durch das Freihandelsabkommen würde massiv in die kommunale Planungs- und Gestaltungshoheit eingegriffen werden, denn das Verfahren zum Investitionsschutz im TTIP kann die Kommunen in ihren Handlungsspielräumen einschränken. (Gestaltungs- und Umweltauflagen in Bebauungsplänen oder Raumordnungsplänen, Ortsrecht, Ansiedlungsverbote, u.a.) Will die Bergisch Gladbach Umweltauflagen verschärfen (z.B. bei der Wasserentnahme, Wassereinleitung, Baumschutzsatzung …) und macht damit ein Unternehmen unwirtschaftlich, welches vorher Gewinne erwirtschaftet hatte, kann der Investor dies gemäß dem TTIP als mittelbare Enteignung auslegen und Schadensersatz fordern. Das juristische Verfahren Vattenfall gegen die Bundesrepublik, in dem 3,7 Milliarden Schadensersatz wegen der vorzeitigen Abschaltung von zwei AKWs gefordert werden, zeigt die Realitätsnähe dieses Szenario.
Die Forderung nach einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren will und wird einen Ausbau der Bürgerbeteiligung nicht nur erschweren, sondern ganz verhindern.
Ökonomisierung schränkt kommunale Spielräume ein
Seit Jahrzehnten wird versucht im kommunalen Handeln und der Verwaltung eine stärkere Ökonomisierung durchzusetzen. Die EU hat mit einer angebotsorientierten Wettbewerbspolitik maßgeblich überall dazu beigetragen, eine unsozialen Ökonomisierung öffentlicher Aufgaben zu verankern. Besonders in Deutschland wurde dieses unterstützt und es wurden Gesetze, Richtlinien und Verordnungen geschaffen, die die kommunale Spielräume weiter eingeschränkt haben.
In Bergisch Gladbach hat die Politik diese Forderung konsequent umgesetzt. Dies gilt nicht nur für die katastrophale Kürzungen in der städtische Personalpolitik, sondern auch für die vielen öffentlichen Dienstleistungen und Aufgaben, die von der Stadt reduziert wurden. Gleichzeitig wurden kommunale Gebühren angehoben.
Die hohen Millionengewinne aus dem gebührenfinanzierten Abwasserwerk werden in den kommunalen Haushalt verschoben, statt diese für eine faire Gebührensenkung zu verwenden.
Ein anderes Beispiel ein fehlender kommunaler Kindergärten und sehr hohe Gebühren für die Betreuung.
Seit Jahren werden immer mehr öffentliche Aufgaben und Dienstleistungen von der Stadt ausgelagert und an Beteiligungsgesellschaften, freie oder private Träger vergeben, welche sich dann leider auch einer demokratischen Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger entziehen.
Die öffentliche Kulturförderung beschränkt sich auf Prestigeprojekte und bleibt ansonsten marginal. Die Kürzungen tun den Rest.

Mit dem TTIP würde diese Entwicklung noch weiter verstärkt und kann nicht mehr zurückgeholt werden, denn was im TTIP einmal vertraglich vereinbart wurde, kann quasi nicht mehr gelöst werden.
Es geht nicht nur um das TTIP, sondern auch um die Verhandlungen um das TISA. und CETA. Wir reden nicht nur über das berühmte Chlorhühner oder amerikanisches Hormonfleisch, sondern über eine gesamte Ideologie, welche alle sozialen Lebensbereiche im öffentlichen Leben (Bildung, Kultur, Gesundheit …) privatisieren und ökonomisieren will. Dieses geschieht auf allen Ebenen, global und eben auch kommunal.
Wer gute und faire öffentliche Dienstleistungen möchte, muss den marktradikalen und unsozialen Konzepten für unsere öffentliche Verwaltungen endlich wirksam entgegenwirken. Stattdessen benötigen wir Konzepte, die nur soviel Markt wie nötig zulassen und stattdessen mehr gemeinschaftliches, öffentliches und transparentes kommunales Wirtschaften ermöglichen.
Europäische Bürgerinitiative, Infoveranstaltung und Aktionstag
Für den 11. Oktober 2014 ruft ein internationales Bündnis gegen TTIP zu einem europaweiten und dezentralen Aktionstag auf. Das Bündnis fordert eine grundlegende Wende in der Handelspolitik! Statt Profitinteressen von Konzernen müssen Menschenrechte, Demokratie und Umwelt an die erste Stelle gesetzt werden. Außerdem wurde ein EU-Bürgerinitiative gestartet, für die europaweit eine Millionen Unterschriften gesammelt werden.
Anlässlich dieser Kampagne wird sich attac Bergisch Gladbach / Rheinisch-Bergischer Kreis neu aufstellen und lädt ab September zu einem Diskussions- und Informationszyklus ein, um zu informieren und um ein lokales Bündnis für den Aktionstag aufzubauen.
Kontakt:
Termine im Web: www.attac-gl.de
Mail: info@attac-gl.de
Tel.: 0172-2410212
Lieber „Hätte wenn und aber“,
leider ist es so, dass nicht einmal Europapolitiker umfassende Kenntnisse über die TTIP-Verhandlungen erhalten. Der Umstand der Geheimhaltung ist schuld an den ganzen Konjunktiv- und Irrealis-Formen, nicht der Verfasser des Artikels, den ich genauso wie Sie kennen, wenn Sie sich damals aktiv an der Verhinderung des Cross-Border-Leasing-Geschäfts in Bergisch Gladbach beteiligt haben. Die Bürgerinitiative unter der Leitung von Gabriele Apicella und Tomas Santillan hat damals die Bürger von Bergisch Gladbach informiert, nicht die Verwaltung und nicht der Rat. Deshalb sind heute viele Gladbacher dieser Bürgerinitiave dankbar. Sogar Wolfgang Bosbach hat die Initiative mir gegenüber vor kurzem gelobt. Auch Sie sollten die gerade noch rechtzeitige Warnung ernst nehmen und dazu benutzen, sich weiter zu informieren und eventuell zu engagieren, statt zu diffamieren. Fragen Sie zum Beispiel mal Ihre Europaabgeordneten nach Einzelheiten dieses Abkommens. Sie würden wahrscheinlich wie ich Ihr blaues Wunder erleben.
Mit demokratischen und freundlichen Grüßen,
Engelbert Manfred Müller
Hallo „Hatte wenn und aber …“,
Ihnen ist sicher klar, dass zur Zeit noch über das TTIP verhandelt wird und noch keine abschließende Vereinbarung vorliegt. Das bedeutet nicht nur, dass man im Konjunktiv schreiben muss, sondern auch, dass es noch die Möglichkeit gibt, diese Vereinbarung zu verändern oder ganz zu verhindern.
Würde man behaupten würde, dass alles schon „fest bestimmt ist“, dann würde Sie sich sicher darüber beschweren und würde mich darauf hinweisen, dass es noch nicht ausverhandelt sei.
Ich könnte es ihnen wahrscheinlich eh nie recht machen ob mit „könnte“ oder „wird“.
mfg, Tomás Santillán
Das meistgenutzte Wort des Artikels ist „könnte“. Das ist pure Schwarzmalerei von Globalisierungskritikern!