Der Arbeitskreis der Künstler:innen AdK ist zum ersten Mal mit einer Sammelausstellung im basement16 in Bensberg vertreten. Viermal wurde der Start der geplanten Jubiläums-Schau zum 35-jährigen Bestehen verschoben – wegen Corona. Unterdessen häuften sich sich weltweit Ereignisse, die der Ausstellung letztlich einen Untertitel gaben: Apokalypse.
Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich
2020 – markiert das Jahr den Beginn einer Apokalpyse? Entwickelt sich ein neues Weltgefüge? Dieser Frage gehen die Künstler:innen des AdK in der aktuellen Ausstellung „zwanzig zwanzig“ nach, die ab dem 25. März 2022 in der Galerie basement16 von Marlies Sauer in der Bensberger Schlossstraße zu sehen ist.
Nicht nur Corona prasselt auf die Menschen ein. Auch der Klimwandel rückt – Stichwort Flutkatastrophe – in den Fokus. Politisch scheint kein Stein mehr auf dem anderen zu stehen: Der Sturm auf das Kapitol, ein von Machiavellismus entfesselter Krieg mitten in Europa, der zu einer Welle an Kriegsvertriebenen führt.
Das wirft Fragen nach Entwicklungen und Seinsfragen auf, wie die Projektleiterin der Ausstellung Gisela Schwarz im Begleittext zum Katalog der Ausstellung schreibt. Es wird gar die Überlebensfrage gestellt, die Suche nach dem letzten Halt.
Sie können jedes Foto mit einem Klick groß stellen. Das Handy bitte quer halten.
zwanzig zwanzig… Beginn einer neuen Dekade!
AdK Arbeitskreis der Künstler:innen Bergisch Gladbach e.V.
Vernissage Freitag 25. März 2022, 18:00 Uhr
Bis Sonntag, 3. April 2022
Geöffnet wochentags 15 bis 18 Uhr, samstags/sonntags 11 bis 16 Uhr
In der Galerie basement16, Schlossstraße 16, Bensberg
Infos im Web unter www.basement16.de sowie beim AdK
Individuelle Perspektiven auf Krisen
40 AdK- und Gastkünstler:innen sind im basement16 zu sehen. Mit ihren ganz individuellen Perspektiven der Betroffenheit, der Reflexion, aber auch der Persiflage.
So wie Elisabeth Schwamborns Objekt „unter Verschluss“. Ein heiß umkämpfter Hygieneartikel aus der Zeit der Pandemie, der hier zum Wertgegenstand erhöht wird, in Ketten gelegt, hinter Glas vor dem Abgreifen gesichert. „Das Horten beginnt von vorne“, sagt die Künstlerin, „die Menschen haben nichts gelernt.“ Die Persiflage dreht sich angesichts erneut leergeräumter Regale fast in eine Mahnung.
Auch gesellschaftliche Aspekte werden thematisiert. Keramikerin Edda Jende ist mit den zwölf Stelen „Augenhöhe“ vertreten. Wer beobachtet wen? Aus welcher Perspektive? Fragen, derer sich Kriegsvertriebene ausgesetzt sehen und die hier eindringlich in Szene gesetzt werden.
Zeitlupe des Zerfalls
Werden und Vergehen ist das Thema in der vierteiligen Acrylserie „Entwicklung“ von Birgit Voos-Kaufmann. Konstruktion und Dekonstruktion, im freien Fall, oder doch schwebend? „Der Himmel verweist auf Hoffnung, auch wenn er sich in dem vierteiligen Werk zunehmend verdunkelt“, erklärt die Künstlerin. Eine bestens in Szene gesetzte Zeitlupe des Zerfalls.

Ein ästhetischer Verweis auf die Eleganz des Morbiden ist Myriam Hofer mit ihrer Fotografie „Fliegenfänger“ gelungen. In Großaufnahme ist ein Schlachtfeld aus Fruchtfliegen, Stubenfliegen und Schnaken zu sehen, die auf dem klebrigen Namensgeber der Arbeit verendet sind.
Aus der Ferne galant wie ein Gobelin, offenbart sich der Schrecken im Detail. Insekten, im Moment des Sterbens kämpfend, sitzend, strampelnd festgehalten. Die Ästhetik der Arbeit hinterfragt nicht zuletzt auch die mediale Auseinandersetzung mit Krieg und Katastrophen.
(Gem)einsam durch die Krisen
Durch Zoom und Messenger bestens vernetzt, schlingert die Gesellschaft gleichwohl (gem)einsam durch die Krisen. Scheinbar im Kollektiv, und doch jeder für sich. Eneka Krämer-Razquin bringt dies in der Collage aus Öl und Acryl unter dem Titel „Sehnsucht nach Me(h)er “ auf den Punkt.
In der ihr eigenen, äußerst sensiblen Farbigkeit friert sie die Öde des Individuums in der Abgeschiedenheit des Home Office und der Ausgehverbote während der Pandemie ein. Blau als Verweis auf das Meer – es bleibt offen ob die Sehnsucht erfüllt wird.
Beklemmung – auch ein Thema bei Barbara Stewen, deren „Lockdown“ als Fotoprint auf PC-Folie wie eine Collage daherkommt, und doch „nur“ ein genialer Schnappschuss in einem abgelegenen Viertel Krakaus mit einer Lumix-Kamera ist.
„Es war mystisch, unheimlich, ich hatte den Anschluss an meine Reisegruppe verloren, ich musste raus aus diesem dunklen Winkel der Stadt“, berichtet die Künstlerin von den Umständen der Entstehung der Arbeit. Hier geht es um Furcht, um Fluchterfahrung einer Künstlerin, die ungewollt (das Bild entstand 2020) zur Visualisierung dessen wird, was Millionen von Kriegsvertriebenen aktuell auf ihrem Zug durch Europa erleben.
Atmung als Quell des Todes
Eine sehr sinnliche, typografische Arbeit ist von Rosemarie Steinbach-Fuß zu sehen. Mit Mixed Media auf Leinwand dokumentiert sie in dem zweiteiligen Werk Ereignisse der Pandemie sowie ihre Reflexionen darauf.
Die Flüchtigkeit der Gedanken offenbart sich in der wunderbaren Kalligrafie, stets bedroht vom Schatten des Realen. Atmung als Quell des Lebens und zugleich des Todes – für die Künstlerin scheint Corona eine geradezu diabolische Wucht zu entfalten.
Apokalpyse, neues Weltgefüge – die Themen der neuen AdK-Ausstellung scheinen auf den ersten Blick ein wenig hoch gegriffen. Ist es schon so weit? Fünf nach zwölf? Eher nicht.
Gleichwohl – die Arbeiten der Ausstellung (mit vielen weiteren Künstler:innen neben den hier besprochenen) machen klar, dass die globalen Ereignisse in Natur, Gesellschaft, Politik eine neue, ungeahnte Qualität erreicht haben. Insofern stimmen Titel und Werke der Ausstellung nachdenklich.