Der Abenteuerspielplatz an der Mülheimer Straße ist nicht einfach irgendein Spielplatz. Für die Bewohner:innen von Gronau bedeutet er viel mehr. Kinder und Eltern unterschiedlichster Hintergründe begegnen sich hier und wachsen zusammen auf. Eine Spurensuche.

Text: Laura Geyer. Fotos: Thomas Merkenich

Ein Frühlingstag in den Osterferien. Sonnenstrahlen wärmen die Haut, Vögel zwitschern in den Bäumen, die den Abenteuerspielplatz Gronau säumen. In einer Ecke plätschert Wasser: Die neue Matschanlage läuft heute zum ersten Mal.

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Zwei Jungen betätigen angestrengt die Pumpe, wieder und wieder. Einige Kinder schaufeln Sand in die Wasserrinnen, andere schöpfen Wasser mit dem Eimer heraus. Ein kleines Mädchen klettert in die unterste Schale und setzt sich direkt in den Wasserlauf. Die Mutter seufzt: „Immerhin hat sie Matschsachen an.“

Viele Mütter, wenige Väter, einige Großeltern sitzen in kleineren und größeren Gruppen zusammen, schubsen Schaukeln an, helfen beim Erklimmen des Klettergerüsts, trösten, wenn es nötig ist.

Dafür, dass sich an diesem Ferientag an die 100 Menschen auf dem Abenteuerspielplatz tummeln, ist es erstaunlich ruhig. Die Geräusche verlieren sich in der Weitläufigkeit der knapp 5000 Quadratmeter großen Anlage.

Neben dem Hauptbereich, der gerade erst mit Matschanlage, Klettergerüst und Schaukeln neu bestückt wurde, gibt es einen Fuhrpark mit Spielautos – alles Spenden von Familien –, eine Fußballwiese, einen Lagerfeuerplatz, diverse Hütten, einen Garten, in dem die Familien demnächst Gemüse anpflanzen dürfen, und ein Spielhaus mit Toiletten.

„Das ist unser zweites Zuhause“

Dank der Toiletten könne man hier problemlos den ganzen Tag verbringen, sagt eine Mutter, die sich als Tanja vorstellt. Sie sitzt zusammen mit Jaqueline, Melly und Cigdem in einer der vielen Sitzecken, die sich über den ganzen Platz verteilen. Ein Baumstumpf dient ihnen als Tisch, darauf stehen Tüten mit Snacks und offene Dosen mit Obst.

„Das hier ist unser zweites Zuhause, im Sommer wie im Winter“, sagt Tanja. Hier treffe man immer jemanden, den man kenne. Und der Spielplatz sei stets sauber. Das liegt daran, dass er komplett umzäunt ist und abends abgeschlossen wird. Das hat noch einen Vorteil, sagt Jaqueline: „Die  Kinder können nicht abhauen.“ Sie lacht.

Jaqueline hat vier Kinder, das kleinste ist acht Monate, das älteste elf Jahre alt. Die Kinder der anderen Frauen sind zwischen zwei und elfeinhalb. Die Großen bewegen sich selbstständig auf dem Gelände, kommen nur zwischendurch einmal zum Trinken oder Essen vorbei.

Aber auch Jaquelines dreijährige Tochter tollt alleine über den Spielplatz. Klettert die Rutsche hoch, rutscht sie wieder herunter, dreht sich dabei versehentlich und landet kopfüber im Sand. Steht auf, klopft sich den Sand aus den Haaren und spielt weiter.

Tanja erzählt, wie ihre Tochter hier mit nicht einmal einem Jahr schon das Klettergerüst erklommen habe. „Was der Spielplatz für die Entwicklung der Kinder bringt, ist unglaublich.“

Angelika, eine Legende

Einzige Kritik der Mütter: Der Spielplatz hat nur an zwei Nachmittagen die Woche geöffnet. Das liegt daran, dass er von jemandem aufgeschlossen und später wieder abgesperrt werden muss. Und daran, dass mit Angelika Schäfer nur eine einzige Person den Platz betreut.

Seit 2007 ist die Katholische Jugendagentur (KJA) Trägerin des Abenteuerspielplatzes. Bis vor zwei Jahren teilte Angelika Schäfer sich die Arbeit mit Heinz Steffens. Jetzt ist Steffens in Rente, einen Ersatz gibt es bislang nicht. Angelika Schäfer hat auch noch andere Aufgaben bei der KJA, mehr als zwei Nachmittage sind da nicht drin. Außer in den Ferien, da versucht sie, so oft wie möglich aufzumachen.

Angelika – man ist hier per Du – ist auf dem Abenteuerspielplatz eine Legende. Tanja sagt: „Jedes Kind kennt Angelika. Sie steckt hier alles rein, was sie hat.“ Angelika sagt, sie sei das Mädchen für alles. Sie fegt Blätter, putzt Toiletten, spricht mit Eltern und Kindern.

Am Vortag hat sie ein Lagerfeuer gemacht und mit den Kindern Stockbrot gebraten. Im Sommer stellt Angelika öfter ein Planschbecken auf. Sie sagt: „Viele Familien hier können nicht ins Freibad gehen.“

Angelika Schäfer. Foto: Thomas Merkenich

Gronau: multikulti, arm, reich

Gronau hat mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene als die anderen Stadtteile in Bergisch Gladbach. Gronau ist auch, nach Bockenberg, der Stadtteil mit der zweitniedrigsten Beschäftigungsquote (55,6 Prozent). Gronau hat einen Ausländeranteil von 21,6 Prozent (in Bergisch Gladbach insgesamt sind es 11,8 Prozent), weitere 42 Prozent der Bewohner:innen haben einen Migrationshintergrund.*

Angelika sagt: „Gronau ist multikulti, arm, reich – bei uns spielt das alles aber keine Rolle.“ Die meisten, die hierher kommen, sind Stammgäste. So wie Jaqueline, Tanja, Melly und Cigdem.

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Eine Vision für Gronau

Gronau führt ein Schattendasein, nur die Bewohner:innen selbst kennen seine Vorzüge. Doch nun rücken einige große Projekte den Stadtteil in den Fokus. Die Stadt bereitet ein Konzept vor, um die Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Im Vorfeld starten wir ein Beteiligungsformat: Im ForumGronau sollen die Menschen eine Vision für ihren Stadtteil entwickeln.

Eine weitere Mutter gesellt sich zu der Gruppe. Man kennt sich auf dem Abenteuerspielplatz. „Unsere Kinder wachsen zusammen auf“, sagt Alia, „ich habe meine Jungs schon hier gestillt.“ „Ich auch“, „ich auch“, „und ich habe meinem die Flasche gegeben“, schallt es aus der Runde zurück. Alle lachen.

Gemeinsam grillen und kochen

Alia erzählt, dass sie manchmal gemeinsam auf dem Spielplatz grillen. „Dann müssen die Kinder zu Hause nur noch duschen und können direkt schlafen gehen.“ Früher habe sie auch schon mal im Spielhaus afrikanisch gekocht.

Das Spielhaus ist als solches nicht mehr zu benutzen, es müsste eigentlich saniert oder neu gebaut werden. Aber dafür fehle wohl das Geld, sagt Angelika. So dient es aktuell nur noch als Toilettenhaus und Lager.

Apropos Lager: Angelika verschwindet kurz dort und kommt mit einer großen Foto-Collage zurück. Die Frauen fangen an zu suchen, zeigen auf alte Bekannte, Alia entdeckt ihre beiden Söhne als Kleinkinder. Einer trägt ein dickes Pflaster auf der Stirn. „Davon hat er bis heute eine Narbe“, sagt sie.

„Die Kinder werden überall durchgefüttert“

Ein Mädchen gesellt sich zu der Runde, nähert sich etwas unsicher den Snacks auf dem Baumstumpf. Seine Mutter kommt mit entschuldigendem Blick dazu, fragt, ob das ok sei. „Na klar“, entgegnet Tanja, „die Kinder werden hier überall durchgefüttert.“

Alia sagt: „Es gibt ein paar Kinder, die kommen tatsächlich vor allem zum Essen hierher. Weil es zu Hause nichts gibt. Denen würde ich am liebsten immer noch was mitgeben.“ Sie beschreibt Gronau als Dorf, in dem man nicht nur gut miteinander vernetzt ist, sondern auch aufeinander Acht gibt.

Und welche Rolle spielt da der Abenteuerspielplatz? „Der ist für mich der Mittelpunkt von Gronau“, sagt Tanja, und die anderen Frauen stimmen zu.

Angelika mag eine Formulierung, die sie mal von einer Familie gehört hat: „Der Abenteuerspielplatz ist eine kleine Oase.“ Nur eine zweite Stelle wünscht sie sich noch. Damit der Spielplatz häufiger öffnen kann.

*Quelle: Stadt Bergisch Gladbach

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ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

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2 Kommentare

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  1. Ein schöner Bericht über eine offenbar tolle Einrichtung. Gut, dass es sowas in Gladbach und auch gerade in Gronau gibt.

  2. Eigentlich gehört so ein Spielplatz und auch Bolzplatz in jede Ansiedlung. Es muss nicht jede Ecke dem Kommerz geopfert werden. Es ist doch seltsam, dass eine Garage zur Planung gehört. Wo unsere Kinder spielen können, wird dem glücklichen Umstand überlassen.