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Pfaffenhütchen, Lampionpflanze, Schnurbaum und Kletterhortensie: Was diese Pflanzen mit Kunst zu tun haben, zeigt die kleine aber umso eindrucksvollere Ausstellung „Knospe, Blüte, Blatt, Samen“ mit Arbeiten von Rosemarie Stuffer. Die Galerie Schröder und Dörr präsentiert einen Ausschnitt ihrer botanischen Kunstwerke, die durch Lässigkeit, Witz und geschickte Reduktion überzeugen. Und zugleich vom eigentlichen Wert der Natur erzählen.
Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich
„Ich beschäftig mich seit Jahren mit Pflanzen“, sagt Rosemarie Stuffer. Das überascht, stehen doch plastische Arbeiten, Malerei und Zeichnung im Fokus ihrer Aktivitäten.
Dennoch: Seit Beginn der 2010er Jahre keimt das Thema Botanik in ihrem Oeuvre auf. „Pflanzen bringen Leben hervor“, erklärt die Künstlerin, in ihnen bilde sich der Kreislauf des Lebens ab. Der Titel der Ausstellung nimmt darauf Bezug.
Botanicals
Schröder und Dörr, die immer wieder mit konzentrierten Ausstellungen überraschen, präsentieren in der aktuellen, kompakten und spannenden Schau einen Ausschnitt aus Stuffers Werkgattung der botanicals, also der botanischen Kunst. Zu sehen ist eine Vielzahl kleinformatiger Bilder, Objekte und Miniatur-Installationen sowie ausgewählte Malerei.

Stuffer geht konsequent ihren eigenen Weg, „auch wenn in der aktuellen, jungen Kunstszene wenig Interesse für Kunst aus und mit Pflanzen zu herrschen scheint“, so ihre Beobachtung. Das lässt sie unbeeindruckt: „Ich finde pflanzliche Geschöpfe wunderbar, und ich arbeite mit dem was ich schön finde„, betont sie.
Rosemarie Stuffer „Knospe, Blüte, Blatt, Samen“
Objekte und Bilder in der Galerie Schröder und Dörr
Vernissage: 21. April, 20 Uhr
Ausstellung: bis 27. Mai 2023 (geschlossen 18. bis 22. Mai)
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14 bis 18.30 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr
Ort: Wingertsheide 59, 51427 Bergisch Gladbach
Tel.: 02204-64170
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog

Metamorphose zur Kunst
Finden – das hat auch mit ihrer kreativen Arbeit zu tun: Sie nutzt Fundstücke aus ihrem Garten im Oberbergischen, dem angrenzenden Wald, bringt aber auch Objekte von Reisen mit nach Hause. Die dann in ihrem Atelier eine wunderbare Metamorphose erfahren.
Wie das gekeimte Radieschen, das sie aufrecht in einem scheinbar toten Winkel der Galerie inszeniert. Es kommt mit Würde und Eleganz daher, entfaltet in seiner ganzen vertrockneten Pracht geradezu Persönlichkeit. Und erzählt mit Bohrlöchern in den Samenkapseln – ein Käfer tat sich daran gütlich – ein wenig von seinem Leidensweg.
Oder die Wurzeln aus Brombeersträuchern am Eingang der Ausstellung. Teils bearbeitet und weiß gefärbt. „Der Anstrich dient der Versachlichung“, so Stuffer, „damit werden die Fundstücke aus dem Kontext genommen und überhöht.“





Panoptikum an Miniaturen
Kernstück der Ausstellung sind die vielen klein- und mittelformatigen Arbeiten auf Ton, Papier, gespanntem und teils besticktem Stoff und in kleinen Gehäusen. Inszeniert in der Petersburger Hängung, öffnen sie den Raum für Stuffers Blickwinkel auf die Natur.
Und auf ihr hohes künstlerisches Vermögen in der Nutzung des Ausgangsmaterials: Das zuweilen mit formaler Strenge inszeniert wird und an Herbarien erinnert. Das Licht und Schatten, Luft und Erde thematisiert. Das Pflanzen als Pflanzen künstlerisch neu ins Bild setzt.
Pfaffenhütchen, Lampionpflanze, Schnurbaum und Kletterhortensie geben sich da ein Stelldichein. Mohn, Blattwerk, Stengel und Flechten nehmen auf dem Trägermaterial geradezu Haltung an. Das entfaltet mit minimalen Mitteln eine sinnliche Wucht. Bringt Farbenspiele in Nuancen auf.
Sensibel und fein, aber auch morbide und elegant in der Betonung des Verfalls. Das Organische – es ist immer Unvollkommen. Und wirkt in den Arbeiten von Rosemarie Stuffer gerade deswegen so vollendet.
Zur Person: Rosemarie Stuffer lebt und arbeitet in Much. Von 1976 bis 1979 absolvierte sie ein Kunststudium. Seit 1986 diverse Ausstellungen, Projekte und Publikationen.
Sie ist vertreten u.a. in den Sammlungen Kunstmuseum Villa Zanders und der Stiftung KERAMION, Zentrum für moderne und historische Keramik, Frechen. Ausgezeichnet u.a. mit dem 1. Preis Spiel der Kräfte, Kunstmuseum Villa Zanders, 2009. Mehr Infos im Web
Analoge Medienkunst
Ein weiteres zentrales Werk ist am Eingang zu entdecken: „Die hängenden Gärten von Stiflisdal“. Entwaffnend einfach reiht Stuffer getrocknete Pflanzen in vernähten Klarsichthüllen am Faden gehängt hintereinander auf.

Und schafft damit außerordentliche Tiefe, komplexe Schattenspiele, ungeahnte Perspektiven.
Eine weitere Arbeit, die durch kluge Reduktion enorme Wirkung entfaltet. Die durchaus als analoge Medienkunst zu verstehen ist: Fotografisch gedacht, aber nicht zwingend im Medium umgesetzt.
Vom Wert der Natur
Der Inszenierung „ihrer“ Pflanzen setzt die Künstlerin mit der Arbeit „Waldstück“ bewusst eines der wenigen Gemälde entgegen. Wechselndes Medium – wechselnde Botschaft.
Stuffer thematisiert das Waldsterben im Bergischen. Trockenheit, Borkenkäferplage, abgeholzte Flächen. Tote Natur, wie das Ausgangsmaterial ihrer botanicals. Und doch ist die Aussage eine ganz andere.
Denn die Perspektive macht es aus: „Natur ist doch für viele uninteressant, wenn sie nicht unter ökonomischen Aspekten betrachtet werden kann.“ Dem setzt sie eine (wirtschaftlich betrachtete) Nutzlosigkeit und Sinnlichkeit entgegen. Und offenbart so ihre Sicht auf den „Wert“ der Natur.








Sie und ihr Mann würden im Sommer an der Bergischen Gartentour teilnehmen, erzählt Rosemarie Stuffer. Viel Grün und viel Kunst gebe es da zu sehen. In der Broschüre der Gartentour zitieren die beiden den Buchhändler, Journalisten und Autoren Jürgen Dahl:
„Wir hegen den Garten und der Garten hegt uns – aber was von Weitem aussieht wie eine Idylle, ist in Wahrheit der verzweifelte Versuch, ein winziges Stück Erde aus dem großen Krieg gegen die Natur herauszuhalten.“
Diesen Kampf kämpft Rosemarie Stuffer letztlich mit. Auf wunderbare, sinnliche Weise. Mit den Mitteln der Kunst.

Die Ausstellung ist schön gemacht. Aber das Thema nicht neu – es gab schon ähnliche Arbeiten dieser Art. Materiell wenig Kosten aber sicherlich handwerkliches Geschick. Ein Bild mit Knospe für 350 Euro in der Inflation finde ich übertrieben. Da gehe ich lieber in den Wald und schaue mir die Blumen in der Frühlingszeit an.
Lieber Herr Crump, danke für Ihren wohlwollenden, einfühlsamen, sensiblen Artikel zu den üppigen Fotos von Herrn Merkenich. Danke, dass Sie meinen Satz über das Verständnis junger Menschen zur Natur abgemildert haben.
Ich wünsche Ihnen die verdiente Resonanz auf Ihren Text und die Fotos von Herrn Merkenich.
Herzlich grüßt Sie Rosmarie Stuffer