Der Fotograf Johannes Bichmann hat Besucher:innen der Bergisch Gladbacher Seniorenbegegnungsstätten porträtiert. Um den Menschen die Scheu vor der Kamera zu nehmen, nutzt der 38-Jährige eine eigenwillige Methode. Die beeindruckenden Ergebnisse sind in der Wanderausstellung „Das Leuchten des Alters“ zu sehen.

Hilga Schütze ist gekommen, um sich anzugucken. Nun steht sich die 79-Jährige selbst gegenüber, blickt auf ihr eigenes Konterfei, 65 x 65 Zentimeter groß, auf einer hölzernen Staffelei. „Ist toll geworden“, lautet ihr eigenes Urteil. Hilga Schütze ist eine von 60 Seniorinnen und Senioren, die Johannes Bichmann für sein Projekt „Das Leuchten des Alters“ fotografiert hat.

Entstanden sind beeindruckende und würdevolle Porträts älterer Menschen, die vor Lebensfreude nur so strotzen. Ihnen allen gemein ist, dass sie Besucher:innen der Caritas-Begegnungsstätten „Treffpunkt Annahaus“ und „Mittendrin“ sind. 

Die Caritas RheinBerg hatte den Fotografen Johannes Bichmann aus Niedersachsen engagiert, an zwei Tagen Besucher:innen in den beiden Seniorenbegegnungsstätten zu fotografieren. Die Beteiligung war enorm: „Wir hätten nicht damit gerechnet, dass so viele mitmachen würden“, sagt Martina Schültingkemper, die den Fachdienst Offene Altenarbeit der Caritas RheinBerg leitet. 

Authentischer Blick auf die Menschen

Die Wanderausstellung wurde nun im Foyer des Bergischen Löwen eröffnet. Viele der Porträtierten sind gekommen, begleitet von Verwandten und Bekannten. „Schau mal, da hinten bin ich“, sagt eine Frau, die am Rollator geht. Einige stellen sich für ein Erinnerungsfoto neben ihr Bild und bedanken sich beim Fotografen.

„Der Johannes hat das so toll gemacht und ist super auf uns eingegangen“, schwärmt Hilga Schütze. Sie nimmt zweimal in der Woche an Yoga-Kursen im „Mittendrin“ in der Innenstadt teil. „Das ging ruckzuck, da war er fertig.“

Das Ergebnis gefällt der 79-Jährigen. „Ich habe mich gefreut, als ich mich heute zum ersten Mal auf dem Plakat gesehen habe. Ich fühle mich gut getroffen und sehe mich erwartungsvoll auf meinem Bild.“ 

Der Fotograf Johannes Bichmann. Foto: Thomas Merkenich

Stereotypen aufbrechen

Johannes Bichmann möchte die Menschen, die er fotografiert, authentisch zeigen. „Im Herzen sind wir alle noch Kinder, egal wie alt wir sind. Daher lasse ich die Menschen vor meiner Kamera Faxen machen, Grimassen ziehen und albern sein. Dabei fällt dann die Maske“, sagt der 38-Jährige.

Seine Shootings verstehe er als eine Fototherapie, in der er Stereotypen aufbreche. „Ich stelle immer wieder fest, wie ähnlich wir uns alle sind. Ich selbst hasse es, fotografiert zu werden“, gesteht der Fotograf. Auch die Porträtierten seien erst unsicher oder skeptisch. „Aber wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen, entstehen magische Momente.“

Und die sind es, die Bichmann mit seiner Kamera einfängt. Dabei nutzt er seine ganz eigene Methode: „Ich knipse die ganze Zeit, während ich rede und die Porträtierten mit Anforderungen und Anweisungen überhäufe: Mach mal dies, mach mal das.“ Duzen gehört auch zu dieser Methode. Nach drei bis maximal fünf Minuten hat Bichmann rund 100 Fotos im Kasten. 

Ein Mann streckt keck die Zunge raus, ein anderer blickt wie ein verschmitzter Schuljunge, der den nächsten Streich ausheckt, eine Frau schaut betont erstaunt hinter ihren Händen hervor, die sie halb vor ihr Gesicht schlägt. Trotz aller Albernheit sind die Porträts respektvoll.

Ausgleich zur Mode-Fotografie

„Ich habe inzwischen ein gutes Bauchgefühl und kann die Seele aus den Menschen rauskitzeln“, sagt Bichmann. „Soul Photo“ nennt er daher sein Projekt, für das er 2011 begonnen hat, Bewohner:innen in Altenheimen zu fotografieren – ehrenamtlich. „Ich brauchte das als Ausgleich zu meinem bekloppten Beruf als Fashion-Fotograf.“

Zuvor hatte Bichmann auf den Philippinen Models in Bikins fotografiert, „das war einfach nicht mein Ding“. Die Modefotografie sei finanziell lukrativ, die Arbeit aber „oberflächlich und anspruchslos: Man fotografiert nur hübsche Menschen und hat ein Team um sich, das sich um Dinge wie Make-up kümmert“.

Der 38-Jährige beschreibt sich selbst als Fotograf aus Leidenschaft und genau die habe ihm bei der Modefotografie gefehlt. Für ihn sei es kein technischer, sondern ein zwischenmenschlicher Beruf. Sein Motto lautet: „Unfotogen gibt es nicht, schlechte Fotografen schon.“

Foto: Thomas Merkenich

Unsichere Finanzierung der Begegnungsstätten

Aus seiner Sinnkrise heraus sei die Idee für das Generationenprojekt entstanden. „Ich wollte als junger Menschen der älteren Generation etwas zurückgeben.“ Zehn Jahre lang führte er sein Projekt ehrenamtlich durch, seit zwei Jahren verdient er – dank externer Förderungen wie von der Caritas – Geld damit. 

„Die Fotos sind eine Einladung, die Schönheit und Würde des Alterns mit ihrem ganz eigenen Leuchten zu entdecken“, sagt Schültingkemper. Die einfühlsamen Porträts stellten außerdem Strahlkraft und Hoffnung für die Begegnungsstätten dar, im Hinblick auf die unsichere Finanzierung.

Mehr zum Thema

Sparzwang: Senioren sorgen sich um ihr „zweites Zuhause“

Die Seniorenbegegnungsstätte „Mittendrin“ ist ein Ort, an dem sich Menschen treffen, anfreunden und einander im Alter unterstützen. Die Kosten für den Betrieb sind stark gestiegen, mehr Geld gibt es von der Stadt aber nicht. Daher ist der Fortbestand – ebenso beim „Treffpunkt im Anna-Haus“ – gefährdet. In einem ersten Schritt kürzt die Caritas nun den Einsatz der hauptamtlichen Kräfte massiv. Kathy Stolzenbach und Thomas Merkenich haben sich vor Ort umgeschaut.

Die Ausstellung ist eine „Hommage an das Alter und die Würde jedes Menschen“, erklärt Raphaela Hänsch, Sprecherin des Vorstandes der Caritas RheinBerg. Sie rücke außerdem Menschen in den Mittelpunkt, die oft übersehen werden, auch finanziell.

„Die Finanzierung der Begegnungsstätten durch die Kommune ist freiwillig und damit auch immer in Gefahr,“ warnt Hänsch. Durch die Reduzierung der Öffnungszeiten, die die Caritas aus finanziellen Gründen vornehmen musste, sei bereits ein spürbares Loch entstanden.

Wie wichtig die Begegnungsstätten für die Senior:innen sind, verdeutlichen Zitate auf Leinwänden, die zwischen den Porträts ebenfalls auf Staffeleien ausgestellt werden. „Gemeinsam statt einsam“ oder „Dort treffe ich Leute, mit denen ich lachen kann“, ist darauf beispielsweise zu lesen. 

Foto: Thomas Merkenich

Ein Foto für die eigene Beerdigung

Eine 90-Jährige, die ihren Namen nicht nennen möchte, wollte zuerst gar nicht bei dem Projekt mitmachen: „Ich wollte nicht in der Öffentlichkeit stehen.“ Dass sie sich doch umentschieden hat, ist einem missglückten Foto zu verdanken, wie sie berichtet.

„Ich hatte bei einem Fotografen ein Bild für meine Beerdigung in Auftrag gegeben. Das habe ich an dem Tag bekommen, als Johannes im Annahaus war.“ Es habe ihr nicht gefallen. „Bekommst du das besser hin?“, habe sie Bichmann gefragt. „Natürlich“, lautete seine Antwort. 

Und so kommt es, dass die 90-Jährige nun doch Teil der Ausstellung ist. „Das Foto wird bei meiner Beerdigung neben meiner Urne stehen. So werden mich die meisten in Erinnerung behalten.“


Die Ausstellung „Das Leuchten des Alters“ ist vom 6. bis 11. Oktober in der RheinBerg-Galerie zu sehen. Ende des Jahres wird sie im Altenberger Dom gezeigt.
soul-photo.com

ist seit 2024 Redakteurin des Bürgerportals. Zuvor hatte die Journalistin und Germanistin 15 Jahre lang für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Sie ist unter anderem für die Themen Bildung, Schule, Kita und Familien zuständig und per Mail erreichbar: k.stolzenbach@in-gl.de

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

1

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Ich kann in den allgemeinen Jubel nicht einstimmen. Ich fand diese Zurschaustellung zwischen langweilig und peinlich.