Keine Personalnot, keine Betreuungsausfälle, keine Krise: Der Bensberger Kindergartenverein betreibt als Elterninitiative zwei Kitas, in denen es aus Sicht von Eltern und Mitarbeitenden rund läuft. Warum das so ist und dass das keine Selbstverständlichkeit ist, wird bei einem Besuch in der ausgezeichneten „Naturpark-Kita“ in Herkenrath deutlich.

Selbst gepflanztes Gemüse ernten, den Wald erkunden, die Hühner füttern und die Eier einsammeln: Die Natur als Lern- und Erlebnisraum spielt im Alltag der Herkenrather Kita-Kinder schon immer eine bedeutende Rolle. Nun wurde die Herkenrather Einrichtung des Bensberger Kindergartenvereins offiziell als „Naturpark-Kita“ zertifiziert. 

Mit dieser Auszeichnung würdigt der Bergische Naturpark Einrichtungen, die Erfahrungen mit der Natur fest in die pädagogische Arbeit integrieren und damit ein Bewusstsein für Umwelt, deren Schutz und Nachhaltigkeit bei den Kindern fördern. Die Herkenrather Einrichtung ist die erste Naturpark-Kita. Die Zertifizierung beinhaltet eine enge Kooperation mit dem Naturpark Bergisches Land über fünf Jahre.

Kooperation mit Naturfreundehaus Hardt

„Das ist eine tolle Auszeichnung für unsere naturnahe Pädagogik, die wir nun ausweiten können“, freut sich Kita-Leiterin Nathalie Weyer. Geplant seien bereits Ausflüge der Vorschulkinder zum Naturfreundehaus Hardt, ein Teambildungstag für die Kita-Beschäftigten, naturpädagogische Fortbildungen und Projekte zu Umweltthemen. 

Fotos: Michaela Wohlleber

Angestoßen durch den Naturpark Bergisches Land hatten Weyer und der Erlebnispädagoge und Naturparkführer Benjamin Stapf rund eineinhalb Jahre an der Zertifizierung gearbeitet. Wie ist es in Zeiten von Notbetreuung und Personalmangel möglich, das nebenher zu stemmen? „Wir haben keine Kita-Krise und keine Personalnot“, lautet Weyers scheinbar simple Antwort. 

Das Gegenteil ist der Fall: „Wir bekommen sogar wöchentlich ein bis zwei Initiativbewerbungen rein. Aber wir sind momentan vollbesetzt“, sagt Weyer. Das gilt nicht nur für die Herkenrather Einrichtung, sondern auch für die in Moitzfeld, deren Träger der Bensberger Kindergartenverein ebenfalls ist.

Initiative mit langer Tradition und langer Warteliste

Der Verein besteht seit 1970. In beiden Einrichtungen werden jeweils 58 Kinder in drei Gruppen betreut. Die Warteliste für einen Platz ist lang. „Aktuell stehen für die Einrichtung in Herkenrath rund 50 Kinder auf der Liste“, so Weyers. Darunter viele, die aus einer anderen Kita wechseln möchten, weil dort wegen Personalmangels Betreuung ausfällt oder nur eingeschränkt stattfindet. 

Dass es in Herkenrath so rund läuft, ist dabei keineswegs selbstverständlich. „Vor einigen Jahren standen wir kurz vor dem Exit. Der Betrieb war runter gewirtschaftet, beinahe wäre die Kita von einem großen Träger übernommen worden“, erinnert sich Simon Bongers, erster Vorsitzender des Vereins. 

Trägerschaft in Elternhand

Dazu muss man wissen: Bei einer Elterninitiative übernehmen Eltern, deren Kinder die Kita besuchen, ehrenamtlich den Vorstand und sind damit Träger, Arbeitgeber und Kunden in einem. Während bei Trägern wie der Caritas oder der Awo festangestellte Fachkräfte für Dinge wie Personal oder Finanzen zuständig sind, übernehmen das bei einer Elterninitiative Eltern – und damit in der Regel Laien. 

„Das bedeutet eine riesige Verantwortung. Als Vereinsvorstand ist man als Träger für beide Einrichtungen persönlich haftbar. Dabei geht es insgesamt um einen Umsatz von über einer Million Euro“, sagt Bongers. Gemeinsam mit weiteren Eltern kämpfte der Vater von drei Kindern dafür, dass die Elterninitiative erhalten bleiben konnte. „Es war uns wichtig, Einfluss auf die Kita und damit die Entwicklung unserer Kinder zu nehmen.“

Fotos: Michaela Wohlleber

Im ersten Schritt bildete sich ein neuer Vorstand, der sich anschließend darauf konzentrierte, Personal zu akquirieren. Etwa über Flyer und Werbung, über spezielle Personalagenturen und ein „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“-Programm – und einer Bonuszahlung für diejenigen, die Fachkräfte für die Kita gewannen. Rund 100 Bewerbungen sind damals laut Vorstand eingegangen. Darunter auch die der heutigen Leiterin.

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Das Geheimnis der Kita Dreckspatz

Bei den aktuellen Debatten gewinnt man leicht den Eindruck, dass in den Kitas einfach nur alles schlecht aussieht. Das ist zum Glück nicht so. Im Schildgener Dreckspatz zum Beispiel läuft es ziemlich gut. Warum das so ist – darüber habe ich mit der Leiterin und mit zwei Erzieherinnen gesprochen. Eine von ihnen ist seit 30 Jahren dabei und sagt: „Hier will ich alt werden.“ Wenn das nichts heißen will.

Der Aufwand hat gelohnt. „Wir hatten keine Notbetreuung in den vergangenen zwei Jahren. Die Eltern hatten durchweg eine gute und verlässliche Betreuung“, sagt Weyer. Das führe zu einer großen Zufriedenheit der Kinder und Eltern. „Dadurch gibt es auch eine große Bereitschaft, im Kita-Alltag mitzuwirken.“ Die Leiterin berichtet von einer Mutter, die aktuell ihr Kind eingewöhne und spontan angeboten habe, die Fenster zu putzen.

„Die Elterninitiative lebt vom persönlichen Austausch und Kontakt. Eltern, Träger und Mitarbeiter:innen stehen sich sehr nah“, berichtet Weyer. „Wir sehen uns als verlängerter Arm der Familie. Die Beziehungsarbeit ist uns daher sehr wichtig.“ Einmal im Monat treffen sich der Vorstand der Elterninitiative und die beiden Kita-Leitungen. „Ideen können schnell umgesetzt werden, weil die Entscheidungswege kürzer sind.“

Aufgaben der Eltern

Die Rahmenbedingungen der Kita – etwa die Bezahlung des Personals oder die Elternbeiträge – unterscheiden sich nicht von denen anderer Einrichtungen. Bei einer Elterninitiative übernehmen die Eltern allerdings bestimmte Rollen und Aufgaben, beispielsweise Renovierungen, Gartenarbeit oder die Organisation von Festen. 

Die Eltern waren es auch, die tatkräftig mitgeholfen haben, das große Außengelände in eine „naturnahe Spiellandschaft“ umzugestalten – mit Matschküche, Barfußweg und Spielgeräten aus Holz und anderen Naturmaterialien. 

Fotos: Michaela Wohlleber

„Wir versuchen, für den Vorstand Eltern mit entsprechenden Berufen zu gewinnen“, erläutert Bongers, der selbst Betriebswirt ist. Ein Bautechniker kümmerte sich beispielsweise als Bauvorstand um die Kita-Gebäude. Zusätzlich zu den Elternbeiträgen, die die Stadt erhebt, zahlen die Eltern einen Vereinsbeitrag von monatlich 18 Euro pro Kind. Dazu kommt ein Essensgeld von 80 Euro. 

Frisch gekochtes Mittagessen

Dafür ist in beiden Kitas jeweils eine eigene Köchin angestellt, die täglich frisch in der eigenen Kita-Küche kocht. „Die Kinder erleben mit, wie das Essen gekocht wird, helfen manchmal mit, dürfen Wünsche äußern“, berichtet Weyer. Wenn die Köchin im Urlaub ist, kommt ein Caterer. „Das schmeckt den Kindern aber nie so gut wie bei unserer Köchin.“

Mit Blick auf das nächste Projekt in der Kita dürfte das auch so bleiben: Das Team hat sich bei der Aktion „Sterneküche macht Schule“ beworben. Sternekoch Stefan Marquard kommt dafür in die Kita, schult die Mitarbeiter:innen rund ums Thema gesunde und regionale Küche und kocht zusammen mit den Kindern. 

Die Möglichkeit, Projekte wie dieses durchzuführen, ist für Weyer einer der Gründe für das „tolle Arbeitsklima“ in der Einrichtung. „Dass es in einer Kita auch so gut laufen kann, liegt auch daran, dass hier alle ihre jeweilige Rolle total engagiert ausführen.“ Bongers bringt das Erfolgsrezept der Kita auf den Punkt: „Wir alle haben ein gemeinsames Ziel: Unsere Kinder bestmöglich zu begleiten.“


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ist seit 2024 Redakteurin des Bürgerportals. Zuvor hatte die Journalistin und Germanistin 15 Jahre lang für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Sie ist unter anderem für die Themen Bildung, Schule, Kita und Familien zuständig und per Mail erreichbar: k.stolzenbach@in-gl.de

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  1. Nicht nur eine schöne Idee, sondern Wirklichkeit. Es geht also auch anders… Zum vielfältigen persönlichen Engagement kommt nun auch das Glück (Sternekoch). Es gibt keinen Bereich, der nicht durchdacht wurde. Respekt!
    Und – es ist nicht immer nur eine Frage öffentlichen Handelns. Wenn dieses Konzept Schule macht und nicht nur in unsere Region ausstrahlt, erhalten möglicher Weise noch weit mehr Kinder und Eltern genau den Lebensraum, den sie sich erwünschen.
    Tolle Reportage übrigens :O)
    MfG Dieter Richter, Bergisch Gladbach

    1. Es gibt in GL eine ganze Reihe weiterer Kitas in der Trägerschaft von Elterninitiativen, die teils schon seit Jahrzehnten aktiv sind. Die Idee hat sich bewährt und die Konzepte funktionieren ähnlich wie oben geschildert.

      Die eine oder andere Initiative kann und wird sicher noch hinzukommen, aber ich bezweifle, dass das wirklich in der Breite funktioniert. Denn dazu braucht es vor allem engagierte Eltern, die die Zeit und den Willen zur Mitarbeit aufbringen. Sich auf das Beitragzahlen und das pünktliche Abliefern der Kinder beschränken kann man sich da nicht.