Das seltene Genre der Holzschnitte und -drucke ist ab dem 1. April im Partout Kunstkabinett in Herkenrath zu sehen. Die Galerie würdigt den Künstler Friedrich Förder mit einer Hommage. „Ich spiele und tanze, also bin ich“ – der Titel soll auch als Ermutigung verstanden werden, in Zeichen weltweiter Krisen das Vertrauen und die Hoffnung nicht aufzugeben.
Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich
Holzschnitt und Holzdruck – das sind jahrhundertealte Techniken der Buchillustration, die in Zeiten des computerbasierten Desktop-Publishing kaum mehr angewandt werden. Gleichwohl, Friedrich Förder hat das Handwerk vor Jahrzehnten für sich entdeckt – und treibt seither mit feinen Schnitten Bilder und typografische Elemente in verschiedenste Hölzer. Verwendet Trouvaillen aus der Natur für den Druck, wie zum Beispiel Rindenstücke.
„Ich komme ursprünglich aus dem Druckerhandwerk“, sagt der in Remscheid geborene Künstler, der seit rund 40 Jahren in Bergisch Gladbach lebt. Früher seien Illustrationen stets per Holzstich realisiert worden, und ihn habe beeindruckt wie filigran die Künstler arbeiten konnten. „Vielleicht ist dies mein Ausgangspunkt“, blickt er bescheiden zurück.

Poetisch, ironisch, märchenhaft
Auf feinstem Papier gedruckt, mit satter und pigmentreicher Farbe: So entstehen bei Förder Arbeiten, die individuelle Gestaltungskraft, typografisches Können mit der Struktur des Ausgangsmaterials Holz verknüpfen. Poetisch, aber auch immer wieder ironisch den Zeitgeist kommentierend.
Märchen haben es ihm besonders angetan: „Das sind Geschichten, die nur vordergründig für Kinder gedacht sind. Aber sie beschreiben auch und vor allem die Entwicklung von Persönlichkeiten, stehen symbolisch für die Entwicklung von Gesellschaften.“ Das interessiere ihn, es gebe schließlich keinen Stillstand.
Friedrich Förder „Ich spiele und tanze, also bin ich“
Hommage zum 87. Geburtstag
Vernissage 1. April, 19 Uhr
Geöffnet bis 10. Juni, di, do, fr von 16 bis 19 Uhr, sa 11 bis 13 Uhr und nach Vereinbarung
Zur Ausstellung ist die Broschüre „König Midas – Gold“ mit Druckgrafiken von Friedrich Förder und einer Adaption der Sage von Franz Holher (Zürich) erschienen
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Und so präsentiert die Ausstellung in der großen Halle der Galerie als „Ouvertüre“, wie Förder es verstanden wissen will, eine Werksammlung rund um die Sage des König Midas. Der hatte mal den Wunsch, das alles was er berührt zu Gold werde. Man kennt die Geschichte: Gold kann man nicht essen, der König wurde rasch eines Besseren belehrt.
Ein raumhoher, vierfarbiger Holzschnitt erzählt das Märchen in Episoden. Greift die Riefen – so nennt Förder die Holzfasern – auf und bettet sie geschickt in die Symbolik ein. Ein Stilmittel, das sich in vielen Arbeiten der Ausstellung wiederfindet. So entstehen Arbeiten, die sich auf vielen Ebenen „lesen“ lassen.





Präzision gefordert
Der Druckstock für das 2,90 Meter hohe Midas-Bild lehnt an der Wand und lässt erahnen, welche Präzision, welch kreatives aber auch planerisches und gestalterisches Geschick Holzschnitte dieser Größenordnung erfordern. „Ein Maler kann in Öl korrigieren. Einmal falsch in Holz geschnitten, schon fange ich von vorne an“, sagt Förder lakonisch.
Stelen mit bedruckten Faltobjekten (40 Dreiecke sind ineinander verschachtelt!) zeigen die Entwicklung von Midas auf. Gerahmte Initialen, die in der sehenswerten Broschüre zu Midas zusammengefasst sind, vermitteln einen Eindruck erster Studien zu dem Themenkomplex.
Druckstocke finden sich überhaupt an vielen Stellen der Ausstellung wieder. Teils erklärend in die Hängung eingebettet – wie bei der großen Stele „Herbstbaum“ in rot – teils als Zeugnis der handwerklichen Arbeit, die hinter Förders Holzdrucken steckt. Und sie bieten, wie zahlreiche ausgestellte Blätter, interessante Gelegenheiten für Sammler.
Platanenrinde
Eingangs der Ausstellung sind zudem Drucke von Platanenrinde zu sehen, „die geben die Melodie der Ausstellung vor“, schmunzelt Förder. In der Tat ziehen sich diese Druckvorlagen wie ein roter Faden durch die Arbeiten der Ausstellung, die fast ausschließlich in der Pandemie entstanden oder überarbeitet wurden.
So zum Beispiel in den ironischen Reflexionen zu TV-Serien wie „Bauer sucht Frau“, „DSDS“ oder „Verstehen Sie Spaß“. Spaß, genau, den muss es doch auch mal geben, macht Förder beim Gang durch die Ausstellung klar.
Vor allem, wenn er Spaß mit seiner glasklarer Beobachtungsgabe kombiniert. Da wird aus dem „Kölner Treff“ flugs ein Tourist vor dem Dom, der mit dem obligatorischen Selfie das Motiv der uralten, doppeltürmigen Kirche völlig in den Hintergrund treten lässt.




Experimente
Förder experimentiert immer wieder mit Formen. Neben den Faltobjekten ist eine raumhohe Stele zu sehen: Herbstbaum – ein Lebensbaumobjekt. Menschen, einander zugewandt, andere wenden sich ab. Die Druckstöcke sind in Kreuzform aufgebracht, ein Verweis auf Diesseits und Jenseits.
Oder die kommunizierenden Röhren, „die Monstranz“, wie Förder sie nennt. Eine Plastik oder auch Installation, die ein wenig aus dem Oeuvre ausschert. Hier lässt er blau und rot als Symbole für Konstruktion und Dekonstruktion, für Aggression und Friedfertigkeit ineinanderfließen. Ein Globus im Fokus des Geschehens. „Ohne das eine kann das andere nicht bestehen“; so die realistische Sicht des Künstlers.
Eine implodierende Welt? Die stürzenden Baumstelen rund um die Plastik angeordnet legen den Schluss nahe. Fast setzt er damit ein kleines Fragezeichen hinter den Titel seiner Ausstellung.
Durch Kunst zum Bewusstsein
Wo es eine Ouvertüre gibt, muss es auch ein Finale geben. Zwei Werke setzen mithin den Schlusspunkt der Austellung.
Zum einen das titelgebende Bild der Ausstellung: Die Violinistin vor einer drohenden, unheilvollen Kulisse – eine Kombination aus Holschnitt und Druck aus Platanenrinde. „Ich erlebte einst eine Geigerin beim Musizieren. Versunken in ihr Spiel schien es fast als ob sie tanzte“, beschreibt Friedrich Förder die Inspiration zur Arbeit.

Der Mensch wird sich seiner selbst durch Kunst bewusst: „Ich schneide und drucke, also bin ich“, flachst Förder zwischendurch. Dies hätte einen schönen, alternativen Titel zur Ausstellung abgegeben.
So ganz scheint sich der Künstler der Botschaft aber wiederum nicht sicher zu sein. Ob die Violinistin das Unheil verdrängt, oder ob dieses sich ihr gar drohend nähert – das bleibt offen.
Schöpfung
Und die Schöpfung. Ein achtteiliges Werk, das den Endpunkt der Ausstellung markiert: „Die Weltkugel öffnet sich, um das ihr innewohnende Leben zu präsentieren. Der Baum als Werkstoff ist zugleich als Symbol des Lebens zu verstehen. Verhüllt in Plastik, das eine ambivalente Funktion erfüllt: Es steht für den Tod der Natur, der Meere, zugleich aber als Vorhang, den die Besucher:innen durchaus lüften sollen. „Was ändert sich, wenn der Vorhang aufgeht, so die rhetorische Frage.





Förder wirft mit der Arbeit nicht zuletzt auch die Frage nach dem Ursprung des Lebens auf: Biblisch, mit dem Mensch im Mittelpunkt, oder biologisch, mit der Entwicklung von Fauna und Flora und der Helix als Baustein des Lebens.
Abseits davon sollten Besucher:innen nicht den Blick auf die Gestaltung vergessen. Wie Förder Federn zu Flügeln werden lässt, welche ikonografische Kraft in der Violinistin steckt – das offenbart großes, zeitloses Können.
Tiefdruck
Fichte, Tanne, Eiche, das sind die Hölzer mit denen Friedrich Förder vornehmlich arbeitet. Je härter das Holz, desto präziser seien Schnitt und Linienführung, erläutert der Künstler. Die Übertragung der Schnitte vom Negativ ins Positiv erfolge dann ganz lapidar:
„Der Arbeitstisch ist 3 Meter lang“, berichtet er. Zuunterst komme das Holz. Nach dem Einfärben werde das Blatt aufgelegt und von hinten mit einer Art Quast aus Palmblättern gegen den Druckstock gerieben. „Das dauert, die Farbe wird dreimal im Tiefdruckverfahren aufgetragen, so bleibt der Druck lange farbecht.“

Plädoyer der Zuversicht?
Friedrich Förder ist der Künstler, mit dem ich am längsten zusammen arbeite“, berichtet Galeristin Ursula Clemens-Schierbaum. 2014 habe er Jubiläumsholzschnitte zum 1.000-jährigen Bestehen der Kirche St. Antonius Abbas in Herkenrath erstellt, wozu Clemens-Schierbaum eine umfassende Festschrift verfasst hatte. 2018 kuratierte sie eine Ausstellung von Förder im Kloster Maria Laach in der Eifel. Die Hommage war seither in Planung, Corona machte immer wieder einen Strich durch die Rechnung.
„Ich spiele und tanze, also bin ich“ – die Ausstellung steht für eine grundsätzlich positive Haltung des Künstlers gegenüber dem Leben. „Jeder kann etwas tun das ihn positiv trägt“, fasst Förder zusamen. „So schwer die Zeit auch ist, es gab andere Zeiten, und es wird andere geben“, ist sich der Künstler sicher.



Ein Plädoyer der Zuversicht? Ja, aber: Denn immer wieder blitzt bei ihm Skepsis auf. Und sei es beim Globus, den er aus Streichholzköpfen montiert hat.
Die Ausstellung Friedrich Förder: Friedrich Förder spielt, tanzt und druckt nicht nur, er verzaubert auch das Material, mit dem er arbeitet. Durch Berührung wird es kein Gold, aber wertvoll, fantasie – und lehrreich. Friedrich ist ein wunderbarer Künstler und Mensch. Jung geblieben, überrascht er uns immer wieder.
Dank auch an Holger Crump und Thomas Merkenich, dass sie Die Atmosphäre so gut eingefangen haben, in Wort und Bild.