Vom alten Wachendorff bleibt wenig übrig. Auf den Plakaten des Investors ist noch roter Klinker zu sehen, doch von der Papier- und Pappenfabrik in Gronau werden nur Kraftwerk, Schornstein, Klärturm und ein paar Fassaden erhalten. Drum herum und oben drauf baut der Investor CG Elementum rund 450 Wohnungen, eine Schule, eine Kita, ein Ärztehaus und Gewerbeeinheiten. Möglichst ökologisch, und etwas sozial. Ein Überblick.
Die Geschichte der Papier- und Papierfabrik C.F. Wachendorff und damit der Kradepohlsmühle endete 2003. Seither ist das Gelände durch einige Hände gegangen, die Gebäude verfallen. Doch nach mehreren gescheiterten Anläufen früherer Eigentümer liegt jetzt ein umfassendes Konzept für ein komplettes Stadtquartier vor: Ein wenig wie Zanders, aber deutlich kleiner und komplett in der Hand eines privaten Investors. Die Stadt kann hier nur über die Bebauungspläne Einfluss nehmen.


Daher könnte das neue Quartier in Gronau relativ rasch Realität werden: Anfang Juni befasst sich der Stadtplanungsausschuss mit einem Bebauungsplan für das gesamte Areal. Am Wochenende stellte Christoph Gröner, Chef des Bauunternehmens CG Elementum, das Projekt mit zwei Vorstandskollegen vor Ort vor.
„Wir wollen Lebensräume entwickeln, die die Menschen brauchen. Wir verkaufen Dinge, die gewünscht und verstanden sind“, warb Gröner bei Anwohner:innen und Lokalpolitiker:innen um Akzeptanz. Nicht zufällig vor grünen Transparenten.

Auf der Prioritätenliste weit oben
Erste Reaktionen aus der Ampelfraktion zeigen, dass die Pläne für das ökologisch ausgerichtete, mit einem Anteil von Sozialwohnungen versehene Projekt im Stadtrat wahrscheinlich auf keinen großen Widerstand stößt. Letzte offene Fragen zwischen Stadt und Investor sind gerade festgehalten worden und sollen schnell abgearbeitet werden.
Am 8. Juni entscheidet der Planungsausschuss zunächst über ein beschleunigtes Verfahren für den B-Plan und eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung; das Projekt wurde kürzlich in der langen Prioritätenliste der Stadtplaner weit nach vorne gezogen.
Zudem gibt es eine erste Studie, wie das Projekt „Wohnen an der Strunde“ in das geplante städtebauliche Konzept für den ganzen Stadtteil Gronau integriert werden könnte.
Geht alles nach den Vorstellungen des Investors sollen schon Ende 2025 die ersten Mieter „An der Strunde“ einziehen.

Um welches Gebiet geht es?
Neben dem eigentlichen Areal der Papier- und Pappenfabrik C.F. Wachendorff hat Gröner auch Teile der westliche angrenzenden Kradepohlswiese gekauft, beide Bereiche sollen nun im neuen Bebauungsplan „An der Strunde“ zusammengelegt werden.
Das Areal liegt im Westen von Gronau, etwas versteckt, ein Stück südlich der Mülheimer Straße, erschlossen von den Straßen Kradepohlsmühlenweg und Am Dännekamp. Die Strunde fließt am Gelände entlang; passiver Hochwasserschutz ist also auch hier ein Thema.
Im Westen, am Schlodderdicher Weg, grenzen die Emmaus Secondhand Halle und der Saal 2000 an.

Nördlich davon liegt ein weitläufiges Areal des Unternehmens HT Tooling, das rund um seine Werksgebäude herum Ausweichsflächen besaß, die nun an CG Elementum verkauft wurden und ebenfalls überbaut werden sollen. Für dieses Gelände gibt es einen alten Bebauungsplan „Mischgebiet Kradepohl“, der nun in den neuen B-Plan „An der Strunde“ aufgehen soll.
Der Parkplatz hinter dem Saal 2000 wird gepachtet und mit einem Parkhaus bebaut.
Insgesamt umfasst das Plangebiet gut fünf Hektar. Vergleich: Das gesamte Zanders-Gelände ist 37 Hektar groß

Was soll gebaut werden?
Die Beschlussvorlage der Stadt für die Aufstellungen des neuen Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren sieht eine „Nutzungsmischung aus Wohnen und Arbeiten sowie sozialer Infrastruktur“ vor. Dahinter verbirgt sich eine Menge, wie die bereits sehr konkreten Pläne und die ersten Entwürfe von CG Elementum zeigen.
In den rund zwölf bis zu fünfgeschossigen Gebäuderiegeln (inklusive Staffelgeschoss) sollen rund 450 Wohnungen entstehen. Zum Teil als Sozialwohnungen, zum Teil senioren- und pflegegerecht.
Ergänzt werden die Wohngebäude durch kleinere Gewerbeeinheiten wie zum Beispiel ein Ärztehaus. Ein „Office-Riegel“ soll in Form eines langgezogenen Quaders über die alten Fabrikhallen gelegt werden. Auch eine Hotelnutzung „(Boardinghouse“) wird genannt.
Neben dem Parkhaus am Saal 2000 soll es mehrere Tiefgaragen mit rund 670 Stellplätzen geben, die direkt von außen angefahren werden. Das Quartier selbst soll möglichst autoarm sein.
Hinweis der Redaktion: Zu den Unterlagen im Ratsinformationssystem gehört als Anlage 2 eine Präsentation mit dem Titel „Studie zur städtebaulichen Integration des Projektes Wohnen andere Strunde“, die den aktuellen Stand der Planung wiedergibt.
Das Konzept sieht aber auch öffentliche Bereiche vor. So ist eine große Kita eingeplant. Und eine dreizügige Grundschule für rund 300 Schüler, womöglich mit einer eigenen Sporthalle. Dieser Komplex soll im Westen auf der Kradepohlswiese gebaut und an die Stadt Bergisch Gladbach verpachtet werden.
Ergänzt werden die Gebäude durch große, öffentliche und teilöffentliche Flächen. Am alten Schornstein sind ein „Secret Garden“ und ein „Forum Wachendorff“ als Begegnungszentrum vorgesehen.
Die gesamten Investitionen veranschlagt CG Elementum zur Zeit auf 306 Millionen Euro.

Was soll stehen bleiben?
Von der alten Papierfabrik bleiben nur das markante Kesselhaus im Eingangsbereich, der Schornstein, der achteckige Wasserturm, die Schlosserei und zwei kleinere Hallen (oder auch nur deren Fassaden) erhalten. Ein historischer Kanal zum Wasserturm soll neu aufgegriffen werden.
Denkmalschutz besteht nicht, die weiteren Gebäude sind weniger alt und in einem desolaten Zustand. Das ehemalige Bürogebäude, die Trafostation sowie die große offene Holz-Remise waren zwar als erhaltenswert eingestuft worden, sollen aber abgerissen werden – weil der Sanierungsaufwand zu groß wäre oder sie der geplanten Nutzung im Weg stehen.












Wie groß soll das Quartier werden?
Bei der Aufstellung eines Bebauungsplan kann die Stadt die Rahmenbedingungen und auch einen Mindestanteil an geförderten Wohnungen festlegen. In der künftigen Baulandstrategie der Stadt soll grundsätzlich eine Quote von mindestens 30 Prozent gefordert werden.
Investoren wollen in der Regel eine möglichst dichte und hohe Bebauung, die Stadt achtet auf eine städtebauliche, soziale und zunehmend auch ökologische Verträglichkeit.
Ein Bebauungsplan für ein konkretes Projekt sei immer das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses zwischen Stadt und Investor – und im Idealfall eines Ausgleichs von Geben und Nehmen, sagt Christoph Gröner im Gespräch mit Anwohner:innen.
Der alte Bebauungsplan für das Wachendorff-Areal hatte maximal vier Geschosse erlaubt, gewünscht hatte CG Elementum bis zu sechs, geworden sind es nun fünf. Maximal 15 Meter dürfen die Gebäude hoch werden – und damit nicht höher als das alte Kesselhaus.

Insgesamt seien auf dieser Basis nun 64.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche geplant, sagt CG-Vorstand Marcus Zischg, der als Niederlassungsleiter Köln für das Projekt in Bergisch Gladbach verantwortlich ist. Ursprünglich seien 68.000 Quadratmeter angestrebt worden.
Im aktuelle Prospekt gibt das Unternehmen die geplante Wohnfläche mit 30.500 m² an, die Gewerbefläche mit 22.200 m². Hinzu kommt Flächen für Schule, Kita und sonstige Nutzungen.
In der Beschlussvorlage für den Planungsausschuss nennt die Stadtverwaltung höhere zulässige Zahlen: „Insgesamt werden in dem Plangebiet auf einer Grundfläche von bis zu 19.500 m2 und einer Bruttogeschossfläche von bis zu 71.000 m2 um die 475 Wohneinheiten in verschiedenen Größen und Preissegmenten entstehen.“

Wie sozial soll der Wohnungsbau werden?
Der Investor verpflichtet sich zu einer sozialen Komponenten. So sollen auf 4000 Quadratmetern geförderte Wohnungen (Sozialwohnungen) entstehen, und weitere 4000 Quadratmeter im sogenannten preisgedämpften Wohnungsbau – womit Mieten angestrebt werden, die um ein bis zwei Euro unter dem allgemein Mietnievau liegen, erläutert der Projektverantwortliche Zischg.
Eine konkrete Quote lässt sich daraus nicht berechnen, da die Bemessungsgrundlage nicht fest steht – Gewerbeflächen oder soziale Infrastruktur wie Kita und Schule werden nicht mitgezählt. Klar ist aber auch, dass ein großer Teil der Wohnungen teuer wird.
Vertreter:innen von SPD und Grünen, die bei der Besichtigung am Wochenende dabei waren, ließen dennoch erkennen, dass sie mit den Plänen von CG Elementum leben können.
Differenzen gibt es allerdings noch bei der Verteilung der geförderten Wohnungen: Die Politiker:innen befürchten eine Ballung in einzelnen Gebäuden und damit die Gefahr einer Ghetto-Bildung. Dem widersprach Gröner direkt: es werde eine gute Durchmischung der Wohnungen geben, um genau das zu verhindern.

Wie grün soll das Wachendorff-Quartier werden?
Gröner und seine CG Elementum verstehen sich auch ökologisch als Marktführer. Das zeige sich bei der Neunutzung alter Industriebrachen und in der Bauweise beim Einsatz grüner Technologien.
Das fertige Wachendorff-Areal, sagte Gröner, soll im Betrieb mit 20 bis 25 Prozent der CO2-Emmissionen vergleichbarer konventioneller Bauprojekte auskommen.
Dafür würden Photovoltaik und Geothermie konsequent eingesetzt, alle Anlagen sollen für eine spätere Umstellung auf Wasserstoff vorbereitet sein. Alle Dachflächen werden begrünt. Zudem setze man auf das Konzept der Schwammstadt, um soviel Regenwasser wie möglich aufzufangen und auf dem Gelände zu nutzen. Um das Areal vor Hochwasser zu schützen soll es ein wenig angehoben werden.
Autos sollen in den Untergrund oder in das „Quartiersparkhaus“ am Saal 2000 verschwinden, das begrünte Gelände selbst autoarm und durch Fuß- und Radwege von allen Seiten aus erschlossen werden.

Wie schnell sollen die Pläne Realität werden?
Der Stadtrat hat dem Projekt eine hohe Priorität eingeräumt, daher wird am neuen Bebauungsplan mit Hochdruck gearbeitet.
Noch im kommenden Winter will das Unternehmen mit der Sanierung der alten Gebäude beginnen, im Frühjahr 2023 der Neubau beginnen und möglichst noch im Winter 2024/2025 die ersten Mieter einziehen lassen.
Hinweis der Redaktion: Alle Unterlagen zum Bebauungsplan finden Sie im Ratsinformationsystem. Der Stadtplanungsausschuss berät am 8. Juni ab 17 Uhr im Rathaus Bensberg.
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Ich hoffe nur die Stadt überlegt sich bei der ganzen (Neu-) Bebauung auch mal wie der zusätzliche Pendlerverkehr Richtung Köln / A4 gehandelt werden soll !!? Wir haben nur 2 Zufahrten : über Refrath bzw. Gierather Str. / Penningsfeld und beide Strecken sind bereits jetzt schon total überlastet !!
Mal wieder bestmöglich anschauliche und damit hilfreiche Reportage von in-gl.de. Große Klasse ! Dank in-gl können wir Bürger und Steuerzahler uns im wahrsten Sinne ein Bild machen.
Dafür zahle ich immer wieder gerne monatlich (m)einen kleinen Obulus.
„Versprechen“ vom Investor (und Stadtverwaltung ? ) „möglichst autoarm“ sind das übliche DauerGreenwashing und natürlich -wie auch „nachhaltig“ Zynismus.
Einerseits sehen die Planungen toll aus, das würde die Ecke deutlich aufwerten.
Anderseits verbauen wir damit nicht die Straßenbahnlinien-Fortführung von Köln Delbrück? Und da so unbedeutende Themen wie Straßenverkehrausbau in Bergisch Gladbach gerne nach hinten verschoben werden, weitere 450 Fahrzeuge, die sich über die Schleichwege nach Refrath durcharbeiten oder die Bergisch Gladbacher Straße verstopfen oder durch Schildgen wollen.
Die alte Straßenbahn-Trasse nach Köln-Thielenbruch führt südlich direkt am Wachendorff-Gelände vorbei.
Der Ausbau wäre wohl eher ein kräftiges Argument für den Ausbau der Linie 18/3.
Wachendorf-Gelände, Campus GL, Zanders.
Klingt richtig gut.