707 unserer Leserinnen und Leser zahlen freiwillig einen monatlichen Beitrag, um die Arbeit der Redaktion zu unterstützen. Damit ermöglichen sie es uns unter anderem, mit Holger Crump einen Kulturreporter zu beschäftigen, der die Kunst- und Kulturszene in Bergisch Gladbach immer wieder in aufwendigen Beiträgen vorstellt, ergänzt durch Fotos von Thomas Merkenich.

Sie sind noch nicht dabei? Unterstützen Sie uns mit einem freiwilligen Abo!

+ Anzeige +

„Wohin“ – sieben Künstlerinnen suchen in der aktuellen Ausstellung der VHS nach Antworten auf die titelgebende Frage. Geht es nach den Kreativen, sieht es eher düster aus. Unserer Gesellschaft scheint der Kompass abhanden gekommen zu sein. Dabei war der Ausgangspunkt dieser künstlerischen Auseinandersetzung mal ein durchweg positiver.

Seit 2019 arbeite die Künstlergruppe zusammen, berichtet Birgit Voos-Kaufmann von den Planungen. „Damals war die Welt noch ok, wir haben über das Thema Glück philosophiert“, berichtet sie. Dann kam die Pandemie. Und ein Krieg mitten in Europa.

Die Gespräche änderten sich. „Uns wurde klar: Glück ist trivial, das ist ein plattes Wort“, ergänzt Edda Jende. Das Thema der Ausstellung änderte sich, wurde offener.

Und es wurde letztlich zu einer Frage ohne Fragezeichen: „Wohin“ lautet nun der Titel der Schau, die am Mittwoch öffnet und bis zum 6. April im ersten und zweiten Geschoss der VHS zu sehen ist.

Wohin – sieben Positionen zeitgenössischer Kunst
Malerei, Zeichnung, Assemblage, Collage, Textilarbeiten, Keramik
Mit Ursula Henze, Christine Hühne, Edda Jende, Dagmar Laustroer, Petra Christine Schiefer, Elisabeth Schwamborn, Birgit Voos-Kaufmann

Vernissage: 8. März, 19 Uhr, u.a. mit Stephanie Troscheit (Klavier)
Dauer: bis 6. April, Montag bis Freitag von 8 bis 21 Uhr, Eintritt frei
Rahmenprogramm: 31. März, 16 Uhr, die Künstlerinnen führen durch die Ausstellung
Infos online

Die Künsterinnen erzählen in ihren Werken von Hoffnungen und Ängsten, von Sorgen und Unsicherheiten, von Auflösung und Neubeginn.

Unterstellt man den Kunstwerken eine Reflexion dessen, was in der Gesellschaft gerade so abgeht – was Kultur eigentlich immer tut – dann fällt das Meinungsbarometer ziemlich pessimistisch aus.

Von links: Dagmar Laustroer, Elisabeth Schwamborn, Christine Hühne, Edda Jende, Petra Christine Schiefer, Ursula Henze, Birgit Voos-Kaufmann, Foto: Holger Crump

Flucht kontra Wohlstand

Ursula Henze verwebt Fragewörter zu einem typografischen Teppich, setzt dem „Wohin“ Fragen entgegen. Einer philosophischen Streitschrift reißt sie die Schimpfwörter heraus und verbannt sie in die „Maulstopfkiste“. „So können sie keinen Schaden mehr anrichten!“

Henze thematisiert den Umgang der Menschen untereinander, die aussichtslose Suche nach dem Weg.

Ursula Henze, aus dem Zyklus Gedankensplitter I-IV, Mischtechnik, Foto: Holger Crump

„Meine Bilder haben einen morbiden Charme, das Thema lässt mir keine Wahl“, erzählt Christine Hühne. Sie kontrastiert Fluchtsituationen mit Wohlstand, ihre Figuren präsentieren sich gesichtslos, oft von hinten gemalt, Beklemmung macht sich breit.

So zugänglich die Metaphern wie Feuer oder Tanz auf dem Vulkan auf den ersten Blick auch sein mögen – sie sind ein eindringlicher Spiegel des Menschseins im Hier und Jetzt.

Christine Hühne, Tanz auf dem Vulkan, Acryl auf Leinwand, Foto: Holger Crump

Götterdämmerung

Für Keramikkünstlerin Edda Jende herrscht Götterdämmerung, „es gibt Themen die sind weitaus wichtiger als alte Götzen“, sagt sie und verweist zum Beispiel auf das Klima. Dennoch wahrt sie den Blick für das Individuum, wie in ihrer Arbeit „Zerbrochener Lebenskreis“. Da ist nichts mehr zu kitten, das geht mittendurch.

Edda Jende, Zerbrochener Lebenskreis, Porzellan auf Holz, Foto: Holger Crump

Passend in der Hängung gesellt sich eine Arbeit von Dagmar Laustroer dazu, die auf hohem zeichnerischem Niveau Federzeichnungen mit Tusche in der Ausstellung präsentiert. Ein Hauch von Märchen und Fabeln weht herüber, wenn sich da nicht der tödliche Ernst globaler Krisen seinen Weg durch das Bild „Wohin“ bahnen würde.

Menschen auf der Flucht, der Wald als Symbol der gefahrvollen Reise, wechselnde Identitäten die sich zweifarbig im Gesicht der Getriebenen manifestieren.

Dagmar Laustroer, Wohin, Federzeichnung und Tusche, Foto: Holger Crump

Papier bleibt, das Digitale geht

Petra Christine Schiefer ist mit abstrakten Arbeiten zu sehen, mal romantisierend „Written in the stars“, mal brachial in „Ordnung und Chaos“ (Bild unten links). Sie setzt sich intensiv mit der Klimakrise auseinander, verarbeitet soziales Engagement in den freien Arbeiten.

Kulturpessimistisches kommt von Elisabeth Schwamborn (Bild unten Mitte). Sie wirft die Frage nach dem Verbleib von Büchern als Kulturgut auf, deren Sinnlichkeit und Haptik auf die Reizlosigkeit des Digitalen prallt. Drängend ist für sie auch das Problem der Endlichkeit von Bits und Bytes. „Was geht an Kultur durch das Digitale verloren? Papier bleibt!“ ist die Künstlerin überzeugt.

Konkreter spürt Birgit Voos-Kaufmann der Frage nach dem „Wohin“ nach. „Keiner weiß mehr wo es langgeht“, postuliert die Malerin in ihrer Arbeit „Richtungsweisend“ (Bild unten rechts). Schilder die ohne Aufschrift sinnlos bleiben. Pfeile die in alle Richtungen weisen und damit nirgendwo mehr hin. Die Arbeiten machen auf die Folgen einer Entscheidung aufmerksam. „Was ist noch richtig, was ist schon falsch?“

Recycling

Spannend wird die Ausstellung nochmals im zweiten Stock, wo sich die Künstlerinnen verschiedenen Fundstücken widmen. Recyceltem Material oder – wie im Falle der evangelischen Gesangsbücher von Ursula Henze – auch „geretteten“ Dingen.

Enorm, welchen nahezu ikonischen Charakter Petra Christine Schiefer den omnipräsenten Corona-Utensilien entlockt. Oder „Kopf und Kragen“ von Dagmar Laustroer, in dem alte T-Shirts zu Textilmaché veredelt werden. Die Arbeit verleiht dem Stoff eine barocke Sinnlichkeit in der Anmutung alter Stuckwerke.

Verblüffend auch das Müll-gefüllte Aquarium, das man ob seiner Machart ins Spielzimmer verbannen würde. Wären da nicht die Bilder aus den Medien, die sich vor dem geistigen Auge breitmachen und zeigen, dass das heraufbeschwörte Szenarie doch nur bittere Realität ist.

Ästhetik des Untergangs

„Wohin“ – eine weitere Ausstellung in der VHS, die sich mit dieser guten und sehenswerten Serie unter der Leitung von Michael Buhleier fest im Ausstellungsbetrieb der Stadt behauptet.

Bei den Werken der nun ausgestellten, sieben Künstlerinnen macht sich Aporie breit. Von Utopie ist wenig zu sehen. Die Frage nach dem „Wohin“ zerplatzt an der Realität, so hat es den Anschein.

Die Antworten, welche die Kreativen auf das Zeitgeschehen finden, mag man teilen oder nicht. Sie sind aber entwaffnend ehrlich. Man muss – wie beim Thema Klima – nur wenige Meter weiter auf den Marktplatz schauen, wo noch vor wenigen Tagen Kinder und Erwachsene die Klimawende einforderten. Es treibt die Menschen um.

Und ein Kunsterlebnis ist sie allemal, diese Ästhetik des Untergangs.

image_pdfPDFimage_printDrucken

Holger Crump

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.