Hanna Roth. Foto: Pütz-Roth / Kim Sen-Gupta

Die Bestatterin Hanna Roth hat ihr Buch „Sterben Frauen anders – Erfahrungen zwischen Empathie, Stärke und Schmerz“ im Bestattungshaus Pütz-Roth vorgestellt – das von weiblichen Perspektiven auf Sterben, Tod und Abschied handelt. Im Interview spricht sie darüber, warum Frauen oft anders sterben, trauern und vorsorgen als Männer. Und was Männer im Trauerfall von Frauen lernen können.

Wir veröffentlichen einen Beitrag des Bestattungshauses Pütz-Roth

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Zur Buchpremiere von „Sterben Frauen anders – Erfahrungen zwischen Empathie, Stärke und Schmerz“ kamen über 200 Besucherinnen und Besucher ins Bestattungshaus Pütz-Roth. Mit großer Empathie und Offenheit zeigt Hanna Roth, wie Frauen sterben und Abschied nehmen – selbstbestimmt, achtsam und oft geprägt durch Fürsorge- und Gestaltungsrollen.

Das Buch verbindet konkrete Lebensgeschichten – von der hundertjährigen Katie, die ihre eigene Beerdigung plant, bis zur Projektmanagerin Andrea, deren Tod ihr Kollegenkreis gemeinsam bewältigt – mit Betrachtungen zu prominenten Verstorbenen wie Amy Winehouse, Hannelore Kohl oder Queen Elizabeth II.

Jeder Kapitelauftakt wird von Fotografien aus dem Projekt „Im letzten Hemd“ begleitet und verleiht dem Thema Tod eine neue, würdevolle Sichtbarkeit.

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Wann haben Sie sich zuletzt mit dem Tod auseinandergesetzt? Mit Ihrem eigenen Tod. Eine von David und Hanna Roth inspirierte Kunstaktion könnte Sie dazu bringen, über das Ende nachzudenken – und ein Gefühl für den Wert des Lebens zu gewinnen.

„Mit diesem Buch holen wir den Tod zurück ins Leben – als Raum für Liebe, Erinnerung und Gestaltungskraft“, sagt Hanna Roth.

Bekannt ist das Bestattungshaus Pütz-Roth unter anderem für den privaten Friedhof „Gärten der Bestattung“ und für seine Kultur des offenen Umgangs mit den Tabuthemen Sterben, Tod und Trauer. Dass sich auch die Branche wandelt, zeigen aktuelle Zahlen des Bundesverbands: Inzwischen gibt es rund 1.000 Auszubildende – 59 Prozent davon sind Frauen.

Foto: Pütz-Roth/Kim Sen-Gupta

In ihrem Buch lässt Hanna Roth unterschiedliche Frauen zu Wort kommen – die Künstlerin Tanja Müller, die Influencerin und Event-Organisatorin Nadine Dorau, die Medizinethikerin Elsa Romfeld sowie die Trauerbegleiterin und Business-Coach Stephanie Gotthardt.


Hanna Roth im Interview

Sterben Frauen anders, Frau Roth?
Eindeutig ja. Frauen sehen im Tod oft gelassener, friedlicher, entspannter – ja, manchmal sogar glücklicher aus.

Wie kommen Sie darauf?
Ich bin jetzt seit 14 Jahren Bestatterin und bin vorher schon in unserem Bestattungshaus aufgewachsen – das war mein Zuhause. Schon als Kind habe ich hier gespielt, wenn meine Eltern mich nicht zuhause betreuen konnten und gestaunt, was Familien ihrem Verstorbenen alles für interessante Dinge mit in den Sarg gelegt haben.

Heute sehe ich im Schnitt ein bis zwei Tote am Tag. Da kommen also einige Tausend Verstorbene zusammen. Und glauben Sie mir: Ich komme den Verstorbenen und ihren Familien sehr nah – und erlebe auch oft, wie sich nach dem Tod das Verhältnis zueinander ändert und auch manches Mal eine andere Perspektive eingenommen wird.

Zur Person: Hanna Roth

Bestatterin und Trauerbegleiterin, geb. 1987 in Bergisch Gladbach, ist Teil der Geschäftsführung des weltweit bekannten Bestattungshauses Pütz-Roth. Nach einem Studium des Eventmanagements sammelte sie erste Berufserfahrungen in einer Werbeagentur. Seit dem Tod ihres Vaters, des Revolutionärs der Bestattungsbranche Fritz Roth, leitet sie gemeinsam mit ihrem Bruder David Roth das Familienunternehmen, das unter anderem für seinen privaten Friedhof „Gärten der Bestattung“ bekannt ist.

Ihr Ziel: Den Tod zurück ins Leben holen. Medienauftritte bei RTL, ZDF („Terra X“)  und in der Süddeutschen Zeitung machten sie über das Rheinland hinaus bekannt.Der Trauer eine Heimat zu geben – das war die Vision des Firmengründers Fritz Roth. Sie prägt bis heute das Handeln von Hanna Roth und ihrem Team.

Warum kommen Sie den Toten so nahe?
Durch die Gespräche mit den Angehörigen erfahre ich viel über die Verstorbenen und kann sie durch die Augen der verschiedenen Familienmitglieder aber auch Freunde sehen. Jeder in einem Beziehungsumfeld hat einen anderen Blick auf eine Person, was ich immer sehr spannend zu erleben finde.

Warum sehen Frauen im Tod anders aus als Männer?
Ich glaube, das hat verschiedene Gründe.

Fangen wir vorne an: Frauen gebären Kinder – das ist ein so existenzieller, intensiver Vorgang, dass er den Blick auf das Leben grundlegend verändert. Wir schenken Leben. Und wir lernen im Laufe der Jahre, dass dieses Leben endlich ist, weil viele Frauen sich der Care-Arbeit widmen. Pflege und Begleitung von Kranken und Sterbenden ist oft immer noch Frauenarbeit. Wir sind empathischer und mitfühlender – und ich glaube, dass wir am Ende auch besser darin sind, loszulassen.

Und natürlich: Wir leben länger als Männer. Viele Frauen begleiten ihre Männer oder auch vorher schon andere Familienmitglieder beim Sterben. Das bereitet auf das vor, was kommt.

Wie gehen Frauen mit dem Tod ihrer Männer oder anderer naher Angehöriger um?
Oft erstaunlich offen und liebevoll. Viele Frauen trauen sich, dem Tod ins Gesicht zu sehen, statt ihn zu verdrängen. Sie wollen dabei sein, noch einmal berühren, noch einmal etwas sagen. Manche schreiben Briefe, andere gestalten die Abschiedsfeier selbst mit – sie bringen Blumen, Lieblingsmusik, manchmal auch das alte Rasierwasser des Partners mit.

Ich erlebe bei ihnen eine große Bereitschaft, das Unausweichliche anzunehmen und in etwas Sinnvolles zu verwandeln: in Erinnerung, in Fürsorge, in Dankbarkeit. Das heißt nicht, dass sie weniger trauern – aber sie tun es bewusster und setze sich meist mehr damit auseinander, was eine Form der Trauerarbeit und -bewältigung ist

Auch in unseren Trauergruppen sind deutlich mehr Frauen (80%) genauso, wie mittlerweile unter den Bewerbungen für unsere Ausbildungen, in Hospizen und anderen pflegenden Berufen.

Was erleben Sie mit den Frauen, die zu Ihnen kommen und ihre Männer von Ihnen bestatten lassen?
Gehen wir vielleicht noch einmal einen Schritt zurück: Wir bieten Vorsorgen an. Das heißt, die Menschen kommen zu uns und informieren sich darüber, was im Todesfall möglich ist.
Zu diesen Vorsorgegesprächen kommen deutlich mehr Frauen als Männer.

Das geht sogar so weit, dass ich auch schonmal eine Frau vor mir sitzen hatte, die klar geäußert hat, dass ihr Mann vor diesem Termin Angst hat und deshalb lieber nicht mitkommen wollte und sie sich nun erstmal alleine informiert. Erstaunlicherweise,hat sie ihm dann scheinbar so viel von unserem Gespräch erzählt, dass er beim nächsten Gespräch dann doch neugierig war und wissen wollte, mit wem seine Frau sich unterhalten hat.

Manchmal bringen diese Frauen ihre Männer aber auch schon direkt mit – und die sitzen dann da, oft etwas hilflos, und wissen nicht recht, was sie sagen sollen. Wenn sie etwas fragen, dann geht es meist um Abläufe, eher um technische Dinge: Was kostet ein Sarg? Wer lädt die Angehörigen ein? Wie lange dauert die Trauerfeier?

Frauen sprechen über Gefühle – und darüber, was ihnen in diesem schwierigen Moment guttun könnte: Darf ich mit dem Toten noch einmal zusammen sein? Muss die Trauerfeier in einer Leichenhalle stattfinden? Welche Musik darf ich da spielen?

Sie sagten, dass Menschen im Tod manchmal glücklich aussehen. Wie kommen Sie darauf?
Nach einem langen Leben – und wir werden alle mittlerweile deutlich älter als noch vor hundert Jahren – sind die letzten Jahre oft von Krankheit und Leid geprägt. Weil wir es medizinisch schaffen, das Leben zu verlängern, kann der Tod auch eine Erleichterung sein. Die Schmerzen fallen von einem ab – und auch die Sorgen. Durch die Palliativmedizin sterben wir heute oft ohne Schmerzen, und das sieht man den Gesichtern an.

Ich habe oft das Gefühl, dass in den Gesichtern so etwas zu sehen ist wie ein letztes Signal an die Angehörigen: Alles ist gut. Ich bin angekommen. Deshalb empfehle ich auch, den Toten auf jeden Fall noch einmal anzuschauen und Zeit mit ihm zu verbringen, was bei uns im Haus möglich ist.

Mein bestes Beispiel dafür ist mein Opa. Er war immer mein Lieblingsmensch, weil er so ein richtig sturer bergischer „Esel“ war. Mit ihm konnte ich mich vor allem in meiner Jugend immer phantastisch streiten, was ihm auch wichtig war. Es ging nie darum, dass man sich wirklich streitet, sondern eher darum zu seiner Meinung zu stehen und diese auch zu vertreten.

Als er gestorben ist, hatte er (so wie er nun mal oftmals war) ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, wo man sich fragte, was hat er nun schon wieder angestellt. Ich war nachher jeden Tag bei ihm um ihn noch einmal zu besuchen und nach etwa 4 Tagen war dieses Lächeln verschwunden und seine Gesichtszüge ganz anders.

Das war für mich der Moment, wo ich wusste er ist nun nicht mehr hier und das was in diesem Sarg ist, ist nur seine Hülle. Die Hülle, die ich zu Lebzeiten umarmen konnte, aber auch die Hülle, die ihm in den letzten Jahren den Dienst verweigert hat und ihm schmerzen bereitet hat, die Hülle die ich nun loslassen konnte und mir gewiss sein konnte, dass alles was er mir mitgegeben hat immer bei mir sein wird.

Auch in der 31. Folge des Podcasts „Talk about Tod“ ist Hanna Roth zu Gast und spricht mit David Roth und Klaus Reichert über das Buch. Es geht um Selbstbestimmung, um Rituale des Abschieds, um Stärke im Loslassen und um den Blick auf den Tod als Teil des Lebens.

Wo denn angekommen?
Naja – das ist je nach Konfession verschieden. Bestenfalls natürlich im Himmel. Oder im Nirwana. Oder im Nichts, wenn man nicht glaubt. Aber ich für meinen Teil glaube fest, dass uns danach irgendwas erwartet, was es ist weiß ich nicht, aber ich bin durchaus gewiss, dass es positiv sein wird.

Nehmen wir meinen Vater, er hat mir nach seinem Tod tatsächlich ein Zeichen geschickt, dass er gut angekommen ist und alles in Ordnung ist. Ist vermutlich nicht die Realität, aber für mich war dies ein sehr tröstender Gedanke.

Was denn für ein Zeichen?
Naja, man muss dazu wissen, dass mein Vater durchaus immer eine sehr barocke Persönlichkeit war und immer sich auch ein bisschen inszenieren musste. Er war der einzige in unserer Familie, der nicht rauchte und sich bei uns immer tierisch darüber aufregte, dass wir nicht aufhörten. Die Einzige, bei der geduldet wurde, dass sie in seinem Auto rauchte war ich, da ich ihn mit der bestandenen Führerscheinprüfung zu seinen Vorträgen fuhr und dies dann bei ihm der Kompromiss war, um mich auf den langen Fahrten bei Laune zu halten.

Als er nun im sterben lag, rauchte ich nicht, da ich im 9. Monat schwanger war. Allerdings begleitete ich zum Beispiel meine Mutter nach draußen, wenn sie rauchen wollte um sie nicht alleine zu lassen. Da in diesen Momenten die Aufmerksamkeit nicht auf ihm war, gefiel ihm dies nicht so wirklich und mehr als einmal sagte er in dieser Zeit: Noch nicht mal sterben kann man, ohne dass das Rauchen für euch wichtiger ist.

Nun ja, als er dann verstorben ist, bin ich frühmorgens zu meiner Mutter gefahren um ihr Frühstück zu machen. Sie war noch im Bett und ich bereitete unten alles vor, als ein Telefonat auf dem Festnetz ankam. Damit sie nicht wach wird ging ich ans Telefon und habe fast einen Lachkrampf bekommen.

In der Leitung war eine Firma, die eine Umfrage zum Thema Nichtraucherschutzgesetz machte. Da war für mich klar: Der ist wo auch immer gut angekommen und zieht da schon an den Strippen…

Was könnten Männer von Frauen im Trauerfall lernen?
Hinschauen. Der Tod gehört zum Leben. Sich trauen, Gefühle zu zeigen. Trauer ist Liebe. Und dadurch aber auch wieder eine ganz neue Wertigkeit für das Leben zu bekommen und sehr viel Lebenslust.

ist ein renommiertes Bestattungshaus im Raum Köln und Bergisch Gladbach.

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