Husain Husain war Maschinenbauingenieur. Als er mit 58 Jahren in Deutschland ankam, tat er sich schwer mit der Sprache und musste einen ganz anderen Berufsweg einschlagen. Er ist einer von mehr als 1000 Flüchtlingen, die ab 2015 nach Bergisch Gladbach kamen. In Schildgen gründeten damals rund 100 Einheimische eine Willkommens-Initiative, zum Jubiläum erzählen fünf ehemalige Flüchtlinge, wie es ihnen ergangen ist.

In einer kleinen Serie lassen wir die Flüchtlinge selbst zu Wort kommen. Sie berichten von ihrer Flucht, ihrer Aufnahme in Schildgen, den Schwierigkeiten und Erfolgen ihrer Integration – und wie sie sich heute in Deutschland fühlen.

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Hier berichtet Husain Husain (67, aus Damaskus, Syrien)

Husain Husain. Foto: Philipp J. Bösel

„Ich bin mit meiner Tochter Dania im September 2015 wegen dem Krieg von Syrien nach Deutschland geflüchtet. Wir sind am 30.10.2015 in Katterbach angekommen, vor fast genau zehn Jahren. Wir waren 45 Tage im Zelt, dann haben wir eine Wohnung in Schildgen bekommen.

Ich habe viele Sprachkurse besucht. Ich habe B1 und B2 bestanden, mit der Hilfe der Ehrenamtlichen von Schildgen. Besonders viele Frauen haben mir geholfen.

In Syrien habe ich Maschinenbauingenieur studiert, ich habe 31 Jahre als technischer Leiter der staatlichen Brotfabrik von Syrien gearbeitet. Wir hatten Filialen im ganzen Land. 2005 war ich einmal zwei Wochen auf Arbeitsreise in Hamburg.

Als ich nach Bergisch Gladbach gekommen bin, war ich 58. Es war sehr schwer für mich, die Sprache zu lernen und eine Arbeit zu finden. Ich wusste, ich kann nicht als Maschinenbauingenieur arbeiten, aber ich wollte als Techniker arbeiten. Das hat leider nicht geklappt.

Ich habe ab 1.1.2022 als Busfahrer bei der Wupsi gearbeitet. Da war ich 64 Jahre alt.

Dann habe ich 2021 einen Qualifizierungskurs als Busfahrer gemacht. Ich habe bestanden und ab 1.1.2022 als Busfahrer bei der Wupsi gearbeitet. Da war ich 64 Jahre alt. Vor einem Jahr bin ich in Rente gegangen.

Meine Frau musste vier Jahre in Syrien warten. Wir haben 2016 subsidiären Schutz bekommen. Damit durfte ich meine Frau nicht nachholen. Ich habe mit der Hilfe von Ehrenamtlichen eine Klage eingereicht. Das hat ungefähr drei Jahre gedauert, aber dann habe ich Asyl bekommen. Im November 2019 habe ich meine Frau nach Deutschland bekommen.

Hintergrund: Willkommen in Schildgen

Zehn Jahre ist es her, dass die ersten Flüchtlinge nach Schildgen kamen. Über 100 Menschen gründeten damals die ökumenische Initiative „Willkommen in Schildgen“. Sie begleiteten die Syrer, Eritreer und Iraker, die in Schildgen landeten, bei Amts- und Arztbesuchen, brachten ihnen Deutsch bei, halfen ihnen in Rechts- und in Berufsfragen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Nach zehn Jahren sind 72 Prozent der Flüchtlinge von damals in Arbeit, 15 Prozent in Ausbildung oder Studium. (Zu den restlichen 13 Prozent besteht kein Kontakt mehr.) Die meisten sprechen fließend Deutsch, viele habe deutsche Freunde. Eine Erfolgsstory der Integration.

Denn bei der Bewältigung der Krise ist in Schildgen etwas Besonderes passiert: Die Menschen, die sich zusammengeschlossen hatten, um zu helfen, sind zusammengewachsen. Eine neue Gemeinschaft ist entstanden. Darüber habe ich schon 2018 ausführlich geschrieben: „Was die Flüchtlinge mit Schildgen gemacht haben“.

„Angekommen“: Die Fotos der Geflüchteten stammen aus der Jubiläums-Ausstellung von Philipp J. Bösel im Himmel un Ääd. Die 21 farbigen Porträts sind bis 6. Dezember im Café zu sehen (Altenberger-Dom-Str. 125).

Eine weitere Veranstaltung findet am 28. November im Himmel un Ääd statt: „Angekommen – Erfahrungen und Leben in Deutschland/Schildgen“. Im Talk-Format „Auf dem Sofa“ berichten zwei der Flüchtlinge über ihre persönlichen Erfahrungen. Moderation: Margret Grunwald-Nonte, Online-Anmeldung über Himmel un Ääd

Sie hat auch Maschinenbauingenieur studiert, wir haben uns an der Hochschule kennengelernt. Dann  hat sie bei einer staatlichen Firma als Wissenschaftlerin gearbeitet. Bis die Kinder kamen, wir haben keinen Kindergarten in Syrien. Später hat sie 14 Jahre als Lehrerin bei einer Hochschule gearbeitet.

Meine Tochter Dania hat in Bonn Informationswissenschaft studiert und arbeitet jetzt fest bei einer Firma. Mein größerer Sohn Firas hatte in Syrien Tiermedizin studiert. Er ist schon 2014 nach Deutschland gekommen. Seit 2018 arbeitet er als Tierarzt in Gelsenkirchen.

Ich bin dankbar, wenn mir jemand ein Lächeln schenkt. Dann fühle ich mich wie ein Mensch, nicht wie ein „Flüchtling“.

2020 ist auch mein Sohn Ghyiath gekommen. Er wurde nach Stuttgart geschickt. Mit viel Hilfe von „Willkommen in Schildgen“ haben wir es geschafft, ihn nach Bergisch Gladbach zu holen. Hier konnte er bei uns wohnen. Er hatte in Syrien Medizin studiert. Er hat den Sprachkurs bis C1 abgeschlossen, einen Fachsprachkurs Medizin gemacht und sein Zertifikat anerkennen lassen. Seit 2023 arbeitet er in Wolfsburg im Krankenhaus. Und ich habe noch eine Tochter in Schweden.

Meine Frau, meine Kinder und ich haben alle die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Ich bin der Meinung, man muss manchmal seine Ziele aufgeben, aber es gibt viele Wege weiterzumachen. Ich bin dankbar für die viele Hilfe, die wir immer noch bekommen. Ich bin dankbar, wenn mir jemand ein Lächeln schenkt. Dann fühle ich mich wie ein Mensch, nicht wie ein Flüchtling.“

ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

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  1. Lieber Husain
    Ich duze dich, weil ich Angela, eine von deinen Lehrern in Schildgen war. Willkommen in Schildgen. Ich kenne dich seit 2015 und ich bin sehr froh dass deine Familie hier ist und eingebürgert sind und Deutsche sind. Seine Frau durfte erst nicht gehen, weil er um die Lage zu sondieren zu erst gegangen ist. Mit der ältesten Tochter. Willkommen in Schildgen ist keine NGO, wir sind alle ehrenamtlich tätig und haben Personen die uns bei Wohnung, Gesundheit, Formulare, juristische Belange helfen und Arbeit helfen.
    Er bekommt eine Rente und vom Sozialamt Grunderwerbsrente Aufstockung. Wie jeder Deutsche, der von seiner Rente nicht leben kann. Er ist gut versorgt und spricht fließend Deutsch. Er war unser Musterschüler und hat von Anfang an alles mitgemacht um sich zu integrieren. Radtouren und Ausflüge. Gott sei Dank durfte seine Frau, nach Jahren und viel Anstrengung von uns Ehrenamtlichen kommen und die restliche Familie durfte auch kommen. In Syrien ist es üblich dass diejenigen die Geld verdienen ihre Angehörigen finanziell unterstützen. Dort herrscht mehr Familien Zusammenhalt als bei uns.
    Ich wünsche dir lieber Husain und Familie ein schönes würdevolles Leben hier in Deutschland. Alhamdulah Gott segne euch. Masalama Angela

  2. So etwas, wie die Familie Husain u. a. erlebt haben, also aus einem vorher guten Leben hinauskatapultiert worden zu sein, kann man sich nur vorstellen, wenn man Fluchterfahrung durch Krieg in der eigenen Familie erzählt bekommen hat.

    Die Familie meiner Mutter hat das auch erlebt. Die mussten Haus und Hof am Riesengebirge (heute polnisches Staatsgebiet) verlassen, haben 5-6 Jahre in einem Lager (Westfalen) verbracht bis eine neue Siedlung fertig gebaut wurde.
    Und, obwohl sie sogenannte “Reichsdeutsche” waren, waren sie keineswegs hier im Westen willkommen und wegen ihrer schlesischen Sprache negativ stigmatisiert.

    In dem Sinne, sehr geehrter Herr Husain und den anderen Ankömmlingen, ich wünsche ihnen alles Gute und lernen Sie bitte gut die deutsche Sprache.

  3. Bekommt der Herr nun Rente oder Bürgergeld? Nach 5 Jahren Busfahren kann da ja nicht viel bei rauskommen.

    Und ich verstehe es bis heute nicht, wie man seine Frau zurücklassen kann…

    Haben die Schildgener Gruppen bei den Klagen geholfen oder waren das andere NGOs?

    1. Sie können es auch nicht verstehen, weil die genauen Umstände hier nicht genannt werden. Über das Verhalten von Menschen in solchen Ausnahmesituationen von der Couch aus zu urteilen, ist halt nicht so einfach.

      Worauf zielt ihre letzte Frage ab? Anscheinend wurde ihm aufgrund seiner Klage ein Asylstatus anerkannt, die Klage war also berechtigt und es wurden die rechtlichen Regeln anders als in der zuvor ergangenen behördlichen Entscheidung gewahrt. Wäre es besser gewesen, er hätte keine Hilfe bei der Wahrung seiner Rechte erhalten?

    2. Wie soll der denn mit 67 Bürgergeld bekommen? Da kann man wieder sehen, das sie einer von denen sind, die was gehört haben und eigentlich sich mit der Sache nicht auskennen. Aber mal was in den Raum werfen….

    3. Sehr geehrter Herr Gerstmann,
      Sie übersehen sicherlich gerne die beachtliche Lebensleistung der Eheleute Husain.
      Denn sie haben auch ihre drei bereits zuvor sehr gut ausgebildeten Kinder mitgebracht, die hier bereits ordentlich mit anpacken, also ein Zugewinn für unsere zunehmend alternde Gesellschaft.
      Insofern kann ich Ihr Problem/Schlechtreden nicht nachvollziehen.

      1. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es inzwischen völlig selbstverständlich, Menschen nach “nützlich” und “nicht nützlich” zu unterteilen. Herr Husain und seine Familie sind vor dem Krieg in Syrien geflohen, da ist es erstmal unerheblich, ob jemand “ordentlich mit anpackt” oder in irgendeiner Art und Weise verwertbar ist. Weil Menschen Menschen sind, werden sie in der Regel sobald es Ihnen möglich ist, versuchen, ihre Lebenssituation und die ihrer Familie zu verbessern, üblicherweise über den Weg der Aufnahme von Arbeit. Ob sie in Deutschland einen Schutzstatus erhalten, hat aber nichts mit ihrer Verwertbarkeit, sondern mit ihrer Bedrohungslage zu tun.

      2. Man kann (und sollte) es aber tatsächlich auch aussprechen, dass Menschen, die zu uns kommen, die Gesellschaft auch ganz materiell bereichern können. Schon um dem Stammtischgerede entgegenzutreten, dass „die Asylanten uns nur auf der Tasche liegen“.

        In dem Zusammenhang ist auch zu fordern, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Zugezogene erleichtert werden und dass eine schnellere und leichtere Anerkennung von beruflichen Qualifikationen möglich wird. Da kommt mit Herrn Husain ein Maschinenbauingenieur ins Land, also jemand aus einer Berufsgruppe, die von etlichen Firmen händeringend gesucht wird, und kann nicht in seinem Beruf arbeiten. Wir schießen uns doch selbst ins Knie, wenn wir so eine absurde Situation zulassen.

    4. Dass Sie nicht verstehen, “wie man seine Frau zurücklassen kann”, lässt darauf schliessen, dass Sie sich bisher wenig bis gar nicht mit Hintergründen und Fluchtgeschichten beschäftigt haben. Dazu gibt es genug Berichte im Netz und im TV. Aber bitte seriös recherchierte Seiten nutzen!
      Manchmal helfen auch ein bisschen Vorstellungskraft und Empathie.

    5. Ich persönlich respektiere und bin stolz darauf, so etwas zu sehen. Mit 58 Jahren begann sie Deutsch zu lernen und hat ein B1-Zertifikat.
      Liebe Grüße Albayati Yousif

  4. Vielen Dank für diese Serie.
    Vor allen Menschen, die es geschafft haben – so wie Familie Husain — hier in Deutschland Fuß zu fassen, habe ich größte Hochachtung. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste mit meiner Familie fliehen, eine komplett andere Sprache lernen, wieder bei Null anfangen… das macht niemand aus freiwillig.

    Ich mache mir immer wieder bewusst, welches Glück ich hatte, hier geboren zu sein und (bisher und hoffentlich auch weiterhin) in Frieden und Demokratie leben zu können. Leider vergessen das inzwischen einige.

    1. Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen!!!

      Wenn man hier in unserem demokratischen Land (auch mit der einen oder anderen Unzulänglichkeit) lebt, lässt sich leicht über die Geflüchteten negativ äußern.
      Dass mit der Vielzahl dieser Menschen auch welche kommen, die unseren Wohlstand bewusst ausnutzen wollen, war sicher auch unseren Politikern klar.
      Gegen Personen, die unsere Gesetze nur ausnutzen wollen, sich bewusst Anpassungen verweigern oder straffällig werden sollte m. E. knallhart vorgehen: Nicht auf Staatskosten durchfüttern, sondern gegen Bezahlung in ihr Ursprungsland zurück schicken.
      Alle anderen „Ausländer“ sind willkommen – „So sinn mir all hierhin jekumme“ !!!