In der Begegnungsstätte PRO Treff in Bensberg steht alles für das Speed-Dating bereit. Foto: PRO Treff

Die Stimmung beim Speed-Dating-Treffen für Männer und Frauen über 60 war locker. Im PRO Treff in Bensberg wurde gelacht, gefeixt und wer wollte, bekam ein Glas Sekt. Allerdings steht hinter dem Treffen auch ein ernstes Thema: Die Angst vor der Einsamkeit im Alter.

+ Anzeige +

Eine Frau mit einer roten Rose und ein Mann gehen fröhlich plaudernd über die Straße. Sie sind so vertieft, das sie das heransausende Auto fast nicht bemerken. Vor der Tür der Begegnungsstätte PRO Treff im Bensberger Progymnasium stehen noch weitere ältere Frauen mit einer Rose. Die erste Runde des Speed-Dating 70+ ist gerade zu Ende. Drinnen riecht es nach Kaffee, Spekulatius und ein bisschen Aufregung. Hier findet jetzt die nächsten Runden „Freundschaft 60+“ und „Speed-Dating 60-75“ statt, in denen neue Kontakte geknüpft werden können. 

Die Idee kam aus dem Seniorenbeirat Bergisch Gladbach, umgesetzt wurde sie erstmals im Rahmen der Kulturwochen von der „Fachstelle Älterwerden“ der Stadt. „Der Andrang war so groß, wir mussten Wartelisten erstellen,“ sagt Kerstin Klann, die das Speed-Dating in der Fachstelle organisiert. Und Bettina Orth, Leiterin der Begegnungsstätte PRO Treff, war auch angetan von der Idee. 

In einem der gemütlichen Räume in der Schlossstraße 84 sind sieben Zweiertische aufgebaut. Kerstin Klann balanciert ein Tablett mit Getränken. 

Jeweils ein Mann und Frau haben acht Minuten Zeit miteinander zu sprechen. Vor jedem liegt die „Speed-Dating-Herzenswärme-Karte“. Hier trägt jeder den Namen des Gesprächspartners ein und kreuzt nach dem Gespräch „Ja“ für „möchte die Kontaktdaten“ oder „nein“ an. Die Bögen sammelt Kerstin Klann nach der Veranstaltung ein und schickt dann – bei gemeinsamen „Ja“ – die Kontaktdaten zu. Es ist also spannend, ob beide das gleiche Gefühl haben. 

Ja oder Nein nach acht Minuten

Lisa (alle Namen wurden von der Redaktion geändert), 74 Jahre alt, erzählt von einem Moment, der sie verwirrt hat. „Mir hat ein Mann gesagt, dass er nur bei mir „Ja“ angekreuzt hat“, erzählt Lisa Und sie ergänzt nachdenklich: „Aber ich fand den nicht so toll“. Es hätten sich zunächst mehr Frauen als Männer angemeldet, sagt Kerstin Klann. Deswegen hätte man noch über die Medien weitere Bewerber gesucht. Aber jetzt passe es. 

Hugo, Jeans, Reißverschlussjacke sportlicher Haarschnitt – man sieht ihm seine 80 Jahre nicht an: „Es sind die ersten 10 Sekunden, die entscheidend sind. „Das Gespräch danach ist gar nicht so wichtig.“ Er sei zum ersten Mal bei solch einem Dating. „Ich war sehr überrascht, wie viele sympathische Frauen hier sind. Ich hätte überall ein Kreuz machen können.“

Die Suche nach körperlicher Nähe

Petra, 73 Jahre alt, kam aus Köln zu diesem Treffen: „Ich bin auch überrascht, wie viele über 80 sind. Ich bin auf der Suche nach der Stecknadel im Heuhafen. Ich war schon mehrere Male verheiratet. Ich bin jetzt zwei Jahre alleine – alleine aber nicht einsam. Spazierengehen, Hand in Hand – das wünsche ich mir. Alleine ins Kino gehen, finde ich nicht schön.“ 

Lisa: „Ich bin seit 25 Jahren alleine. Ich genieße auch die Freiheit. Aber ich möchte gerne einen Herzenspartner haben und mir fehlt die körperliche Nähe.“ Hier nicken alle. 

Hugo: „Geteilte Freude ist doppelte Freude, geteiltes Leid ist halbes Leid. Man möchte sich austauschen. Ich war 55 Jahre verheiratet, als meine Frau starb. Das ist jetzt drei Jahre her, Seit 1,5 Jahren habe ich den Kopf für eine neue Partnerin frei. Ich kenne viele Frauen mit denen ich Hobbys teile, aber das ist nicht alles.“

Zusammenleben – manchmal eine existenzielle Frage

Hobby teilen, Kurse anbieten – das ist das alltägliche Geschäft der Begegnungsstätten. Hier kann man von Seidenmalerei, über Joga und Schach bis hin zu Sprachen am jedem Tag der Woche acht Kurse machen. PRO Treff-Leiterin Bettina Orth spricht von „einer kleinen VHS für ältere Menschen.“ 

Ich brauche keine Lokomotive, aber auch keinen Anhänger.Petra, 73

Insbesondere Frauen nutzen das Angebot. „Frauen sind aktiver,“ meint Petra. Aber ich möchte auch mit keinem Mann mehr zusammenleben. Ich brauche keine Lokomotive, aber auch keinen Anhänger.“

Hugo gibt zu bedenken, dass das allerdings wirklich die Stecknadel im Heuhaufen bedeute, denn die meisten Männer wollen in einer Wohnung zusammenleben. 

Eine Wohnung zu teilen, kann manchmal auch aus finanzieller Not entstehen. Dies macht eine gepflegte 69-jährige Dame in der Runde „Freundschaft 60+“ publik. Nach dem Tod ihres Mannes, den sie auch gepflegt habe, findet sie keine bezahlbare Wohnung mehr und sie möchte auch mit anderen leben. Hier ließe der Staat die Frauen im Stich. 

Kontaktaufnahme im Supermarkt

Die Partner:innensuchenden in der ersten Runde sind zufrieden. Und sie haben weitere Ideen für unkomplizierte Kontaktaufnahmen. 

Lisa: „Im Supermarkt zum Beispiel, überlege ich manchmal, ob ich jemanden ansprechen kann. Es steht ja nirgendwo angeschrieben, dass du Single bist und jemand suchst. Es sollten zwei verschiedene Einkaufskörbe geben, blaue für Singles und rote für solche, die keine Beziehung suchen. Alle nicken. 

Als die Veranstaltung endet, halten viele der Frauen ihre Rosen noch immer in der Hand. „Von einem der Herren“, sagt jemand. „Alte Schule.“

Die Stimmung auf dem Heimweg ist anders als beim Kommen: Entschlossener.

Vielleicht sind acht Minuten nicht viel. Aber manchmal reichen sie, um nicht mehr ganz allein zu sein mit dem Wunsch nach Nähe.

Weitere Termine in den Begegnungsstätten sind geplant, das angekündigte Speed-Dating in Refrath am 26.11. fällt allerdings aus. Wer weitere Informationen benötigt wendet sich bevorzugt per E-Mail an die Fachstelle Älterwerden unter: aelterwerden@stadt-gl.de oder per Telefon unter 02202 – 141546. Die Veranstaltungen sind kostenfrei, um eine Spende für die Begegnungsstätten nach persönlichem Ermessen wird gebeten. 


Sie finden diesen Artikel gut? Sie sind mit unserer Arbeit zufrieden? Dann können Sie uns gerne mit einem Einmalbeitrag unterstützen. Das Geld geht direkt in die journalistische Arbeit.

Oder Sie werden Mitglied im Freundeskreis, erhalten exklusive Vorteile und sichern das Bürgerportal nachhaltig.


die Diplom-Betriebswirtin ist Journalistin und Theaterpädagogin.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

1

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Dass die Frauen hier in der Überzahl sind, dachte ich mir .
    Bei den Jüngeren ist es umgekehrt, dort ist klarer Männerüberschuß.