Der slowakische Autor Michal Hvorecky ist in Bergisch Gladbach kein Unbekannter.

Er war mehrfach Gast beim Forum Ost/West und hat auch zu anderen Gelegenheiten in der Stadt aus seinen Büchern gelesen.

Kürzlich ist sein Roman „Tod auf der Donau“ ins Deutsche übersetzt worden.

Die Donau ist sicherlich der europäische Schicksalsfluss überhaupt. Besonders natürlich für einen slowakischen Schriftsteller und dessen Herkunftsland. Immerhin wuchs er an diesem Fluss auf und lebte viele Jahre an seinem Ufer.

Hvorecky, geboren in Bratislava,  besaß jedenfalls den Mut, mit „Tod auf der Donau“ einen vielschichtigen Roman zu schreiben, der zugleich als Liebessgeschichte, Groteske, Krimi und Reisebeschreibung daherkommt. Dennoch gibt er keinerlei  Anlass, ihm vorzuwerfen, zu viel auf einmal gewollt zu haben. Alles fügt sich zusammen zu einer gekonnten Mischung, die zudem noch ganz nebenbei Geschichtsunterricht über diverse Geschehnisse von Jahrhunderten erteilt.

Und selbstverständlich ist dieser Geschichtsunterricht nicht jener, bei dem sich viele tatsächliche und potentielle Leser in ihrer Schulzeit gelangweiligt haben könnten, denn das Buch lässt in keinem seiner Kapitel Spannung vermissen .

Die Hauptfigur Martin Roy, diplomierter, aber mittelloser Übersetzer aus Bratislava, muss sich als Tour-Direktor bei einer amerikanischen Kreuzfahrtgesellschaft verdingen. Die Schiffsreisenden, die er bei der Fahrt eines Luxusliners von Regensburg bis zur Mündung ins Schwarze Meer zu betreuen hat, sind mehr oder weniger gebrechliche amerikanische Senioren. Übergewichtig, bequem, dumm, zugleich arrogant und auch wieder dankbar für jedes nicht allzu anstrengende Abenteuer.

Als historische Analphabeten vergleichen sie eine Römergründung wie Regensburg mit der Schönheit von Frankfort/Kentucky, wissen nicht, wer Mozart war, und vermuten, das KZ in Mauthausen, sei nicht von Nazis sondern von Kommunisten errichtet worden. Und Barock lassen sie sich als politische Diktatur erklären, die sie ganz gewiss in den USA nicht haben wollen.

Martin ist abhängig von der abschließenden Beurteilung seiner Fahrgäste. Die am Ende der Reise auszufüllenden Fragebögen werden von seinem Arbeitgeber genauestens ausgewertet und entscheiden über seine Weiterbeschäftigung.

So bewundert er seine Senioren für ihr umfangreiches Wissen und bedenkt sie überreichlich mit fantasiereichen Komplimenten.

Damit treibt die Groteske immer wieder auf zwischenzeitliche Höhepunkte kultureller Dekadenz zu. Sie drängen dem Leser unweigerlich die Frage auf, wie lange denn Bürger der USA, der angeblich mächtigsten Nation der Welt dem Untergang noch widerstehen können.

Nicht von ungefähr führt der Luxusliner den Namen „Amerika“. Die Passagiere werden von einem Schiffskoch, einem jungen ungarischen Pianisten, dem um kein falsches Lob verlegenen Martin und diversem sonstigen Personal mit reichhaltigem Luxus verwöhnt.

Da nimmt es kaum Wunder, dass die naiven Senioren, sobald sie das Schiff zu wohl organisierten Ausflügen verlassen, willigste Opfer osteuropäischer Geschäftsmacher werden. Für jene gewieften Touristik-Experten ist es ein Leichtes, die jeglicher Realität entrückten Amerikaner mit Billigprodukten übers Ohr zu hauen.

In den grotesken Reiseroman ist eine nicht gerade unkomplizierte und deswegen nicht weniger spannende  Beziehungsgeschichte eingewoben.

Mona, Martins einstige Jugendfreundin und spätere Dauergefährtin, erschleicht sich während der Schifffahrt zunächst als blinde Passagierin eine Mitreisegelegenheit. Die Liebe der Beiden beginnt sich erneut zu entwickeln. Gleichzeitig lässt sich Mona auf einen der amerikanischen Passagiere ein.

Und schließlich liefern zwei Morde, auf die sich die Geschehnisse an Bord zwangsläufig zubewegen, Stoff für einen aufregenden Krimi.

Nicht nur durch den alkoholsüchtigen Kapitän, der seinen Dienst letztlich gerade noch korrekt versehen kann, wird schon frühzeitig angedeutet, dass die „Amerika“ auf den Untergang zusteuert.

Immerhin endet wenigstens die Beziehung von Mona und Martin in einem Happy End, allerdings einem weniger glücklichen.

Insgesamt gelang Michal Hvorecky nach seinen vorherigen nicht weniger lesenswerten Büchern hier ein Roman, der noch umfassender und schonungsloser derzeitige gesellschaftliche Traumwelten lächerlich macht.

Leser, die sowohl eine spannende Geschichte als auch gut recherchierte historische Lektüre gepaart mit treffenden gesellschaftpolitischen Seitenhieben lieben, werden ihre Freude an dem Buch haben.

Michal Hvorecky, Tod auf der Donau, aus dem Slowakisch übersetzt von Michael Stavaric, Klett-Cotta Tropen, Stuttgart 2012, 240 Seiten, gebunden, €  19,95

1943 in Lübeck geboren, wohnte lange in Frankenforst, lebt inzwischen in Wallefeld. Er arbeitet als selbständiger Supervisor und freier Autor, schreibt Gedichte, Geschichten, Kolumnen, Sachbeiträge, Rezensionen.

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