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Natur in ihrer Ursprünglichkeit, das ist das Lebensthema in den Gemälden der Künstlerin Hendrina Krawinkel. Opulent und lebensfroh, verweigert Krawinkel gleichwohl einen allzu naiven Blick auf den Urwald als Bühne für Vielfalt und Farbigkeit. Und mahnt folgerichtig mit drastischen Exponaten vor den Konsequenzen einer Wegwerfgesellschaft. Mensch versus Natur, Kapitalismus versus Evolution – zwei „wild energies“ prallen in ihrer Ausstellung aufeinander.

Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich

„Die Arbeiten entspringen meiner Phantasie, die geprägt ist von Erlebnissen“, sagt Hendrina Krawinkel . Erlebnisse: Sie sind der Schlüssel zu den Gemälden der in Bergneustadt lebenden Künstlerin.

Es sind die Bruegel-Bilder aus Ausstellungen in Wien, die sie als Kind lieben lernt, erzählt sie. Erinnerungen an etruskische Gräber, die sie mit ihrem Vater besucht – er arbeitet als Etruskologe in Köln.

Und die farbenprächtigen Produktproben ihrer Mutter, die sie in deren Vertreterkoffer entdeckt. Die Mutter vertreibt Schädlingsbekämpfungsmittel, berichtet Krawinkel mit einem Lächeln. Seither lasse sie die Farbe nicht mehr los.

Hendrina Krawinkel

Einschneidend vor allem eine schwere Krankheit in jungen Jahren: „Ich hatte mit elf Jahren Kinderlähmung, war vier Monate ans Bett gefesselt.“ Da habe sie sich Bücher bringen lassen: Über Natur, über wilde Tiere, über den Urwald. Und taucht ein in diesen Kosmos. „Das hat mich nie losgelassen, diese Kraft der Natur.“

Der Urwald ist meine Bühne. Er bedeutet für mich Ursprünglichkeit, Vielfalt und Farbigkeit, Leben und Tod, Ordnung und Chaos.

Hendrina Krawinkel

Vor allem die Natur wird zur Inspiration für ihre künstlerische Arbeit, zum Lebensthema. Aber erst 30 Jahre später, im Alter von 40 Jahren. Erst dann fängt sie an als Künstlerin zu arbeiten. Zuvor zieht sie umher, lernt hier, studiert dort.

Zu sehen sind ihre Arbeiten nun im basement 16 in der Schlossstraße in Bensberg. Schwerpunkt der Werkschau sind farbgewaltige Gemälde, teils in Mischtechnik.

Krawinkel beschwört ein Fest der Natur herauf: Der Urwald als Bühne. Fauna und Flora geben sich ein Stelldichein.

Zur Person: Hendrina Krawinkel

Besuch der Modeschule Guerre Lavingne, Paris (1962/63), privater Zeichenunterricht Daniel Hees und Theo Flecken, Köln (1963/64), Studium der Kunstgeschichte an der Universität Tübingen (1984/85), Wechsel zum Fach Kunst und Design an der FH Köln. Schülerin von Volker Altrichter an der Europäischen Akademie Trier (1991).

Krawinkel stellt national und international aus, ist in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten. Weitere Ausstellungen führen sie in den kommenden Monaten nach Miami/USA zur Galerie von David Castillo sowie nach Hangzhou, China in den Inna Contemporary Art Space.

Die Künstlerin lebt und arbeitet in Bergneustadt. Mehr Infos im Web.

Dabei ist sie freilich nie ausschließlich im Realismus unterwegs, „Genauigkeit ist nicht mein Ding“. Krawinkel bewegt sich vielmehr mühelos zwischen konkreter Darstellung und Abstraktion.

„Wild Energy“, der Name der Ausstellung ist Programm angesichts des opulenten Fests der Farben, das Krawinkel in der großzügigen Galerie in der Schlossstraße entfacht. Die opulenten Räumlichkeiten ermöglichen einmal mehr die optimale Entfaltung der Arbeiten von Krawinkel.

Umweltzerstörung

Lebensthema Natur – ist Krawinkel da mit einem naiven, beschönigenden Blick unterwegs?

Keineswegs. Denn in den ausgestellten „Boxes“, durchsichtige Kästen angefüllt mit recycelten Fundstücken, zeigt die Künstlerin die Kehrseite ihres Lebensthemas Natur, ausgelöst durch den Menschen: Raubbau, Zerstörung, Vermüllung.

Das wird ebenfalls opulent inszeniert, überbordend. Statt Urwald sprießt dem Betrachter Abfall entgegen. Aber im Gegensatz zu den Naturgemälden ist es drastisch, scharf, kalt. Die Konzentration der in Bauschaum eingebetteten Objekte verstärkt die Gnadenlosigkeit, mit welcher der Mensch dem Planeten zusetzt.

Und mit der letztlich auch Krawinkels Lebensthema – die Natur – als Objekt der künstlerischen Auseinandersetzung bedroht wird.

Hendrina Krawinkel: „Wild Energy
basement 16
Schlossstraße 16, Bergisch Gladbach-Bensberg

29 Gemälde, 11 Objekte, 22 Boxes
28. April bis 27. Mai 2023
Vernissage: 27. April, 19 Uhr
Do und Fr 15 bis 18 Uhr, Sa 11 bis 15 Uhr, So 12 bis 15 Uhr

Katalog: „Hendrina Krawinkel, Paintings – Collages – Objects“, 154 Seiten, mit einem Vorwort von Dieter Ronte (Deutsch/Englisch), 20 Euro

Art-Talk
Freitag, 19. Mai, 19 Uhr

Führungen in Zusammenarbeit mit der Krea Refrath
4. Mai, Jugendliche bis 15 Jahre
13. Mai, Kinder 8 bis 12 Jahre

„Ich will die Kontraste aufzeigen“, sagt Krawinkel, und „mahnen, dass Umwelt und Natur nicht unendlich belastbar sind.“ Passend dazu ihre Installationen. Wie der Tryptichon am Eingang, der von Leben und Tod erzählt.

Krawinkel präsentiert zudem seltsam deformierte Tiere, geformt aus Draht: Ein gerupftes Huhn, „das legt keine Eier mehr“. Ein katzenähnliches Wesen dass sich unter dem Einfluss der Zerstörung windet. Ein Krokodil mit Handtasche im Maul, Geldgier und Kapitalsimus werden thematisiert.

Foto: Thomas Merkenich

Starke Frauen

Hinzu kommen lebensgroße Installationen. Mit den Torsos widme sie sich dem „Frauenthema“, das sie zeitlebens beobachtet habe. „Mich haben immer Frauen interessiert, die sich trotz schwerer Schicksalsschläge aus eigener Kraft durchgesetzt haben, die trotz fürchterlicher Erfahrungen was aus sich gemacht haben“, erzählt sie. Erlebnisse, die sie selbst aufgrund ihrer Krankheit hat machen müssen.

So erscheint Beethovens Mutter in barocker Pracht, „der Bäcker bei dem sie wohnen musste feierte einmal im Jahr ein großes Fest zu ihren Ehren.“ Oder Pop-Sängerin Madonna, die in jungen Jahren unter einer Stiefmutter gelitten habe.

Den Brückenschlag zum Lebensthema Natur bildet die Amazone, die sich mit Schlange auf dem Kopf, leuchtender Brust und abgeworfenen Ketten auf dem Weg vom Naturvolk zum homo oeconomicus zu machen scheint.

Eindringliche Botschaft

„Wild energy“ – der Titel der Ausstellung ist ambivalent zu lesen. Die Schau zeigt die Kraft und Eleganz, mit der die Natur in ihrem Drang nach Wachsen, Sprießen und Fortpflanzung den „blauen“ Planeten prägt.

Aber eben auch, mit welcher Vehemenz der menschengemachte Raubbau an der Natur, die Umweltzerstörung, das Wachstumsstreben und die Plünderung der Ressourcen eben jenen Planeten bedrohen.

Zwei Energien, zwei „wild energies“ prallen hier in Krawinkels Sicht auf die Welt aufeinander. Es tobt ein Kampf auf dem Planeten. Ausgang ungewiss.

Insofern formuliert die Ausstellung eine eindringliche Botschaft an ihre Besucher:innen, womöglich die last generation: „There is no planet B!“

Ein Gang durch die Ausstellung

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Holger Crump

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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