Mechtild Frisch gehört zu den Künstlerinnen, deren Werke sehr früh Eingang in die Sammlung der Villa Zanders gefunden haben. Nun ist unter dem Titel „Sehstücke“ erstmals eine große Einzelausstellung mit ihren Werken im Kunstmuseum zu sehen. Mit großformatigen Kartonagen und intimeren Formaten, die sie durch Perforation und Farbe transformiert.
Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich
In der neuen Ausstellung „Sehstücke“ werden Arbeiten von Mechthild Frisch aus den Jahren 1980 bis 2022 gezeigt. Leihgaben, frische Werke aus dem Atelier der in Köln lebenden Künstlerin. Aber auch zwei Arbeiten aus der eigenen Sammlung Kunst aus Papier des Kunstmuseums Villa Zanders. Die wurden noch vor der Eröffnung des Museums 1992 erworben, das damals Städtische Galerie hieß.
„Mechtild Frisch bietet einen eindrucksvollen Überblick, wie man mit beiläufigem Material bildhauerisch arbeiten kann“, sagt Petra Oelschlägel. Die Leiterin des Kunstmuseums hat die aktuelle Ausstellung kuratiert, die bis zum 8. Oktober zu sehen ist.





Sie können jedes einzelne Foto anklicken und groß stellen. Dafür lohnt sich ein großer Bildschirm. Unter Umständen dauert es einen Moment, bis alle Bilder geladen sind.
Zu sehen sind großformatige Kartonagen und intime Formate wie Postkarten, die sie 1970 bzw. Mitte der 1980er als Objekt der künstlerischen Auseinandersetzung für sich entdeckt. Ihnen rückt die Künstlerin, die von 1994 bis 2008 eine Professur für Malerei an der Kunstakademie Münster inne hatte, mit Farbe und diversen Instrumenten zu Leibe.

Trägt Farbe auf, durchbricht oder durchlöchert die Oberfläche, „um zu sehen ob etwas Neues entsteht, ob es sich auflösen lässt,“ erläutert Frisch.
Es entstehen Ein- und Durchblicke, die das Innere des Objekts und/oder das Dahinter erforschen. Womit durchaus auch der umgebende Raum gemeint ist, nicht nur der bearbeitete Körper oder die Fläche.

Farbe – Material – Bearbeitung – Inszenierung
Sehstücke – der Name der Ausstellung ist Programm, ein laut Mechtild Frisch „verbaler Stolperstein“. Gefordert ist der Betrachtende, der sich den Exponaten aus wechselnden Perspektiven widmet, der das Auge auf Details richtet. Wo und wie wird welche Farbe aufgetragen: „Ich nutze teils auch Farben die nicht zueinander passen. Durch die Perforation werden sie zur Einheit gezwungen“, macht Frisch klar.
Welches Material kommt zum Einsatz? Frisch arbeitet mit Fundstücken, „ich habe nie für eine Idee die Form gesucht.“

Wie erfolgt die Bearbeitung. Es macht einen Unterschied, ob die Perforation von hinten oder vorne erfolgt, gerade oder im Winkel, gerissen oder gebohrt, mit der Nadel gestochen oder mit der Zange gestanzt wurde.
Es entstehen Aufwölbungen, Strukturen auf der Oberfläche, Schatten gliedern die Fläche, massive Körper erscheinen durch die Bearbeitung scheinbar leicht und flüchtig. „Ich arbeite gegen die Perspektive“, schildert Mechtild Frisch. Die sich auch mal hinein in ihre Objekte legt, um von innen nach außen zu arbeiten.
Frau Frisch, wie sind Sie auf die Idee der Perforation gekommen?
„Letztlich war es nur eine dumme Idee. Ich arbeitete einmal mit einem Fundstück, hatte es eingefärbt, aber die Farbe wollte nie stimmen. Da habe ich einfach reingestochen und die Farbe platzte ab, legte verschiedene Schichten frei. Es war zunächst ein zerstörerisches Element, aber es hat sich viel daraus entwickelt.“

Und auf die Distanz zur Wand im Museum kommt es an. Der Abstand zum Hintergrund verleiht gerade den Blättern Tiefe. Durch die Inszenierung kommt es – je nach Licht und Perspektive – zu einem „Abschein“ der Farbe auf der Rückseite. „Dieser Farbschein erweitert die Objekte, er bezieht Raum und Betrachter mit ein“, macht Oelschlägel deutlich.






Der Betrachter ist gefordert. Man muss schon genau hinsehen, um zu ergründen wie ein Werk entstanden ist. Um in dessen Komplexität einzusteigen. Aber die Mühe lohnt sich. Und es gibt Entdeckungen zu machen.
Mechtild Frisch – Sehstücke
4. Juni bis 8. Oktober 2023
Kunstmuseum Villa Zanders
Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach
Öffnungszeiten und mehr Infos auf der Website
Ästhetik der Futterdose
Erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen ist die Arbeit Rillomantie. Ein Tableau, das virtuos Druckspuren auf den Kartonagen des Hundefutters Chappi aufgreift und die kreisförmigen Strukturen in ihren künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten hinterfragt.

Oder die perforierte Postkarte Fonatana (1987) und das großformatige Malstück (1989). Beides Arbeiten, die noch vor der Eröffnung des Kunstmuseums durch den damaligen Leiter der Städtischen Galerie, Wolfgang Vomm, erworben wurden. Zum Aufbau der Sammlung Kunst aus Papier.

Sehenswert Arbeiten wie das Schneewittchenstück (1994) im Erkerzimmer, das den schweren Körper so leicht daherkommen lässt und nicht nur spannende Erkundungen der Oberfläche zulässt. Sondern vielmehr auch zu einer neugierigen Exkursion des Innenlebens einlädt.

Wohltuend luftig die Hängung der gelochten Van-Gogh-Postkarten, die nicht nur spannend in Plexisglas inszeniert sind sondern auch ein wenig aus Frischs Atelierarbeit erzählen.
So ist jede Karte individuell gemustert – an die 1.000 Löcher pro Karte könnten es sein. Man entdeckt je Karte individuelle Strukturen, Muster, rosettenartige Gebilde, Anlehnungen an Bauprinzipien der Natur. Das offenbart größte Gestaltungslust.

Aber: Mechtild Frisch wäre nicht sie selbst, wenn es nicht auch gänzlich unperforierte Exponate gäbe. Wie bei Aus der Mitte (1986) und Gucki (1983, Bild unten).
Es gehört zur Entdeckungsreise eines Museumsbesuchers, das Rätsel zu ergründen, warum hier die Oberfläche verschont blieb, was nun die Besonderheiten der solitären Lochungen sind.

Perforierte Gießkanne
Der Ausstellung darf man sich übrigens durchaus mit Humor nähern. Heiterkeit und Gelassenheit zeichnen auch die Künstlerin aus:
„Ich habe auch mal eine Gießkanne perforiert, sowie eine Regentonne, in der Hoffnung dass das Wasser aus ihr heraussprießen möge. War aber nix: Es machte gluck, und das Wasser versickerte im Boden“, erzählt sie bei der Präsentation ihrer Werke.
Künstlerinnengespräch und Katalogpräsentation
Mechtild Frisch im Gespräch mit Dr. Petra Oelschlägel
Donnerstag 14. September 2023, 19 Uhr
Öffentliche Führungen
18. Juni 11 Uhr, 13. Juli 18 Uhr, 10. September 12 bis 16 Uhr (Kurzführungen), 8. Oktober 11 Uhr, weitere auf Anfrage
Weitere Angebote auf der Webseite des Kunstmuseums
Kataloge
Mechtild Frisch, Nothings, Verlag Kettler, Dortmund 2022, mit einem Text von Petra Oelschlägel
Präsentation am 14. September: Mechtild Frisch, Sehstücke, Verlag Kettler, Dortmund 2023
Preis je 18,- Euro (Buchhandel 24,- Euro), beide Kataloge 34,- Euro
In der Dia-Schau können Sie noch einmal alle Fotos aus der Ausstellung betrachten.