Für die „Art“ im Wort Städtepartnerschaft: Seit fünf Jahren stehen Künstler:innen der litauischen Stadt Marijampolé und des AdK Bergisch Gladbach miteinander im Austausch. Was verbindet die Kreativen aus beiden Ländern, die 1990 fundamentale Änderungen in ihren Gesellschaften erlebten? Die Frage untersuchen sie in ihrer neuen, mittlerweile sechsten gemeinsamen Ausstellung unter dem Titel dialog ost-west.
Das Jahr 1990 bedeutet eine Zäsur, für Menschen in Litauen und Deutschland. Während das Land im Baltikum nach Okkupation durch Russland und Weltkriegsbesatzung durch Deutschland seine Unabhängigkeit zurückerlangt, feiern Deutsche in Ost und West die Wiedervereinigung.
Kurz zuvor, im Sommer 1989, beschließen zwei Städte der beiden Länder eine Partnerschaft: Bergisch Gladbach und Marijampolé, das im Südwesten Litauens liegt. Rund 50 bis 70 Kilometer vom russischen Kaliningrad und von Weissrussland entfernt.
Künstlerfreundschaft
Die Partnerschaft beider Städte, die wird fortan auch auf kultureller Ebene gepflegt. So besuchen sich der AdK und eine Künstlergruppe aus Marijampolé regelmäßig. Offenkundig erfolgreich: Aus poziuris (litauisch, erste Annäherung) sei längst draugysté (litauisch, Freundschaft) geworden, sagt Gisela Schwarz, Vorsitzende des AdK.

Die Künstlergruppe aus Litauen ist mittlerweile auch Mitglied im AdK geworden. Und das wird nicht zuletzt durch regelmäßige Ausstellungen dokumentiert.
Einsam gemeinsam
Was verbindet nun die beiden Länder miteinander, was verbindet die Künstler:innen? Jetzt, in Zeiten eines Krieges mitten in Europa, der 1990 angesichts der friedlichen Revolutionen in beiden Ländern nie und nimmer vorstellbar gewesen wäre?
Angesichts eines Krieges, der die Länder ganz unterschiedlich betrifft, alleine schon aufgrund der geografischen Lage? Und was verbindet sie vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umbrüche in 1990?
Alles und nichts könnte die lakonische Antwort auf die Frage lauten. Jeder bewältigt die Krise und seine Geschichte auf seine Weise. Was man eben auch als verbindendes Element betrachten kann.
Abseits dieser konzeptionellen Gedankenspiele zur Ausstellung lassen sich aber allemal spannende, neue Exponate entdecken, vor allem seitens der Gastkünstler:innen aus Marijampolé.
(K)ein Triumphbogen
Wie die Skulptur Nicht der Triumphbogen des Bildhauers Kestutis Balciunas (Metall, Kaltbiegen, 60 x 40 x 24 cm, 2023). Die Wucht kriegerischer Zerstörung hinterlässt Beulen an dem Denkmal. Die fatale Botschaft des Pyrrhussieges: Auch Gewinner gehen geschunden aus einem Konflikt hervor.

Balciunas Tochter Kristina Rimiene, Architektin, ist in der Ausstellung mit freier Malerei (2018/2019) und Schüttungen zu sehen. Ihren wilden, wuchtig-emotionalen Gestus kann man als Reflexion auf das Weltgeschehen lesen. Für die Künstlerin ist er aber vor allem ein Kontrapunkt zur Akkuratesse ihrer täglichen Auseinandersetzung mit Mathematik und Ingenieurskunst.
Bemerkenswert Egle Jasiuniene mit The way (Öl auf Leinwand, 40 x 50 cm, 2015). Eine Arbeit im Stile einer Ikone, der ihr sakrales Element abhanden gekommen zu sein scheint. Weniger pessimistisch zeigt sich indes der litauische Künstler Egidijus Bickus mit der entwaffnend schlichten Fotografie Towards Easter (Foto auf Papier, 40 x 60 cm, 2016), einer herrlichen Interpretation des Themas Osterlamm.
Dialog Ost-West
Über 30 Jahre Unabhängigkeit in Litauen und Wiedervereinigung in Deutschland
Was: Malerei, Zeichnung, Collagen, Fotografie, Skulpturen, Installationen
Wer: Zwanzig Künstler:innen des AdK Arbeitskreis der Künstler Bergisch Gladbach e.V. und zehn aus der Partnerstadt Marijampolé (Litauen)
Wo: Kreishaus, Am Rübezahlwald 7, 51469 Bergisch Gladbach
Wann: bis 14. Juli 2023; Vernissage 15. Juni 2023, 19 Uhr
Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 8.30 bis 18 Uhr, Freitag bis 14 Uhr
Sonderführung: Donnerstag, 6. Juli 2023, 16 Uhr
Im Stil alter Meister
Im Foyer sollten Besucher ihr Augenmerk auf die beiden Arbeiten der Malerin Loreta Zaleckiené richten (Blutverbindung, 2020; Memory lives on, 2023). Im Stile alter Meister entwirft sie Szenen morbider Eleganz. Momentaufnahmen einer großen Ruhe nach dem Sturm.
Barbara Stewen vom AdK setzt sich in ihrer Collage Fragmente einer Erinnerung (Foto auf PVC-Plane, 92 x 110 cm, 2023) mit Eindrücken des Krieges in der Ukraine auseinander. Und montiert frappierende Analogien zur aktuellen medialen Bilderflut auf der Leinwand – intakte Gebäude neben aufgerissene Wohnungen. Der Krieg raubt nicht nur Obdach, sondern auch Intimsphäre.
Künstler:innen aus Bergisch Gladbach und Marijampolé
Gemeinsame Ausstellungen
2019, Marijampolé
2019, poziuris – Annäherung, Kulturhaus Zanders, Bergisch Gladbach
2021, Paroda, Kulturzentrum Marijampolé
2022, Paroda, Kulturzentrum Marijampolé
2022, basement 16, Bergisch Gladbach
2023, dialog ost-west, Kreishaus, Bergisch Gladbach
– geplant –
2024, Marijampolé
2024, basement 16, Bergisch Gladbach
Den Wandel Litauens von der Plan- zur Marktwirtschaft thematisiert Ausstellungsoranisatorin Gisela Schwarz mit Only a fairy tale (Foto auf Aludibond, 50 x 100 cm, 2019). In der Montage verdichtet sie in mehreren Schichten einen sich selbst überlassene Kiefernschonung zu einem keimfreien Urwald, der – endlich „unabhängig“ – nun seinem Ende durch das Waldsterben entgegentrudelt.
Ob in der Ausstellung nun ein Dialog Ost-West entsteht, sei dahingestellt. Den muss man aber auch garnicht bemühen. Die Partnerschaft zwischen den beiden Künstlergruppen bietet einfach eine gute Gelegenheit, Einblicke in die Kulturszene anderer Regionen zu bekommen und mal wieder Arbeiten aus den Ateliers hiesiger Künstler.innen zu erkunden.
In der Diashow können Sie noch einmal alle Fotos betrachten:
Sehr interessant und sicher nicht nur für mich.
Nur drängt sich die Frage auf, warum der Artikel nicht erwähnt, daß es zumindest schon zwei Ausstellungen in den 1990er Jahren mit Werken von Künstlern aus der Partnerstadt Marijampole in Bergisch Gladbach gab, in den Räumen der KSK und der Fa. KNAUBER. Beide Unternehmen unterstützten die sehr erfolgreichen Ausstellungen großzügig, wofür ich weiterhin sehr dankbar bin.
Ein herzliches und großes Dankeschön für den Besuch unserer Ausstellung mit dem Titel
‚Dialog Ost West‘. Holger Crump und Tomas Merkenich haben durch Texte und Bilder
die Stimmung bildhaft eingefangen.