Wir haben die Ergebnisse der Landtagswahl für Bergisch Gladbach genauer angeschaut – und sind auf fünf Details gestoßen, die man nicht übersehen sollte: Die Stadt ist besonders grün, aber die Grünen waren schon mal stärker. Immer weniger wählen, vor allem in sozial benachteiligten Wohnlagen. Darum haben (mit einer einzigen Ausnahme) alle Parteien ziemlich drastisch verloren. Und Hochburgen gibt es ohnehin nicht mehr.

1. Bergisch Gladbach ist grüner, etwas schwärzer

Wie in wohl allen Großstädten haben die Grünen in der Stadt Bergisch Gladbach bei den Zweitstimmen deutlich besser als im gesamten Land NRW abgeschnitten - mit 25,6 Prozent liegen sie satte 7,4 Prozentpunkte über dem Landesschnitt. Auch die lokale CDU fuhr besser, aber nur um 1,1 Prozentpunkte. Bei der FDP liegt das lokale Plus bei 0,9 Punkt, bei Volt bei 0,6 Punkt.

+ Anzeige +

Hinweis der Redaktion: Die Wahlergebnisse in GL seit 2009 im Detail finden Sie hier.

Deutlich schlechter erging es den Sozialdemokraten in Bergisch Gladbach, sie liegen mit 21,6 Prozent gut 5 Punkte unter dem NRW-Ergebnis. Ähnlich fuhr die AfD, sie holte hier nur 4,2 Prozent, im Land waren es 1,2 Punkt mehr.

2. Die Grünen waren schon mal stärker

Gegenüber der Landtagswahl 2017 haben die Grünen ihren Stimmenanteil in Bergisch Gladbach verdreifacht. Bei der Europawahl 2019 und bei der Kommunalwahl 2020 waren sie jedoch noch stärker.

Die CDU bewegte sich in den vergangenen acht Jahren auf einem starken Zickzackkurs: mit zwei Prozentpunkten mehr als bei der Landeswahl vor fünf Jahren zeigt der Trend nach oben (siehe Grafik).

Die CDU applaudiert ihrem Spitzenkandidaten. In der Mitte: Der Kreisvorsitzende und MdB Hermann-Josef Tebroke

Die SPD hatte bei der Landtagswahl von zehn Jahren noch zehn Prozentpunkte vor der CDU gelegen, nach dem Tiefpunkt vor drei Jahren (Europa) und einigen positiven Wahlrunden scheint der Trend nun wieder nach unten zu weisen.

Ernste Mienen bei der SPD: Korvin Cochan, Kreisvorsitzender Marcel Kreutz, Kreistagsfraktionschef Gerhard Zorn

Die FDP fällt fast auf ein Niveau wie vor acht Jahren zurück. Zwischendurch hatte sie ein paar sehr starke Wahlgänge; nicht zuletzt deshalb, weil dabei Christian Lindner hier als Direktkandidat angetreten war.

Enttäuschung bei der FDP bei der ersten Hochrechnung

Einen klaren Abwärtstrend zeigen die kleineren Parteien: die AfD fällt unter fünf Prozent, vor fünf Jahren gewann sie noch 6,2 Prozent, fast 50 Prozent mehr als gestern. Die Linke, die bei der Kommunalwahl gar nicht angetreten war, verzeichnet mit 1,6 Prozent ein tiefe Talfahrt - das waren in der ganzen Stadt mit ihren 83.000 Wahlberechtigten nur noch 782 Stimmen.

3. Immer weniger wählen

Die Wahlbeteiligung ist mit 61 Prozent in Bergisch Gladbach immer noch deutlich besser als in ganz NRW (56 Prozent), aber auch sie geht gegenüber der Landtagswahl 2017 um zehn Punkte zurück.

Im Stadtteil Gronau Ost / Heidkamp West fällt sie sogar unter 50 Prozent, nur knapp über dieser Marke liegt sie in Hand Ost, Gronau West und Paffrath Süd.

Die höchsten Beteiligung wurde mit (fast) 70 Prozent in Schildgen und Moitzfeld verzeichnet.

4. Unter dem Strich verlieren (fast) alle dramatisch

Die deutlich niedrigere Wahlbeteiligung führt dazu, dass (bis auf eine Ausnahme) alle Parteien kräftig an Wähler:innen verloren haben. Diese Verluste fallen - in absoluten Zahlen betrachtet - ziemlich dramatisch aus.

Selbst beim Wahlgewinner CDU liegt das Minus bei 2000 Personen: 2017 hatten 20.471 Bergisch Gladbacher:innen für die Konservativen gestimmt, jetzt nur noch 18.505. Die CDU hat also nicht mehr Wähler:innen überzeugt, sondern nur aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung ihren relativen Stimmenanteil erhöht.

Heftig sind die Verluste bei der SPD (minus 5000), noch größer bei der ohnehin kleinen FDP (minus 6000). Die Linke verliert 1800 Stimmen, die AfD 1400.

Die einzige Ausnahme bilden die Grünen, die ihre Stimmenzahl gegenüber 2017 um 6800 erhöhen und damit mehr als verdoppeln konnten.

Ungetrübte Freude bei den Grünen

5. Das Ende der Hochburgen

Die Zeiten, in denen eine Partei in einem Stadtteil noch die absolute Mehrheit holen konnte, ist vorbei. Selbst die CDU kommt „nur" noch auf 45 Prozent, im Bezirk „Bärbroich / Ehrenfeld / Herkenrath Ost“, in Bensberg Mitte sind es noch 44 Prozent. Immerhin ist die CDU hier noch ein kleines wenig stärker als die drei Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP zusammen.

Die SPD kommt auf maximal 28 Prozent, in Paffrath Süd. Relativ stark ist sie zudem in Hand und Gronau, Kippekausen und Bockenberg. In Romaney, Schildgen und Bensberg liegt sie dagegen unter 20 Prozent. In keinem einzigen Stadtteil liegt die SPD vor der CDU.

Die Grünen verzeichnen ein ziemlich konsistentes Bild, sind in fast allen Stadtteilen erfolgreichen, nur in Paffrath Süd und in Bärbroich liegen sie unter 20 Prozent. Dagegen kommen sie in sieben Stadtteilen auf mehr als 25 Prozent; das schafft die SPD nur in zwei Stadtteilen.

In 20 der 27 Stadtteile liegen die Grünen vor der SPD, aber in keinem vor der CDU.

Welche Partei wie gut abgeschnitten hat und wie Ihr Stadtteil gewählt hat können Sie in dieser Tabelle nachschauen, jede Spalte ist sortierbar:

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

13 Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Guten Tag Herr de Lamboy,
    in der Stadt Bergisch Gladbach gäbe es bei den Zweitstimmen für die Landtagswahl eine Mehrheit für eine Ampel-Koalition. Interessant ist das Herunterbrechen auf einzelne Wahlkreise. In einigen Wahlkreisen mit relativ hoher Wahlbeteiligung (nicht in allen!) würde es nicht für eine Ampel reichen. Die Einschätzung, dass es ein eindeutiges Wählervotum für die CDU geben würde, wird den Tatsachen einer ausdifferenzierten Parteienlandschaft, einer ausgeprägten Disparität im Alterspektrum der CDU-Wählerschaft und eines erschreckend hohen Nichtwähleranteils nicht im Ansatz gerecht.

  2. Guten Morgen Herr Watzlawek und vielen Dank für die sehr aufschlussreiche Statistik zur politischen Entwicklung in unserer Stadt und Region. So wie Darstellung wünschte ich mich eigentlich von einer städt. Stelle, die aber so eine objektive offensichtlich nicht ohne ? Befangenheit? hätten erstellen können.
    Bei genauer Betrachtung diese Statistik lässt sich sehr leicht feststellen, das in allen Stadtbezirken Bergisch Gladbach das eindeutige Wählervotum bei der CDU liegt.
    Regieren tut aber ein Zusammenschluss von Minderheitsparteien, die jeder für sich nicht den Bürgerauftrag dazu haben. Das ist ein demokratisches Wahlsystem?

    1. Sehr geehrter Herr de Lamboy, die Stadt (bzw. Kreis und Land) liefern die nackten Zahlen, für die Analyse, Einordnung und Kommentierung sind wir Journalist:innen schon die Richtigen.

      Gewählt wurde am Sonntag der Landtag – und so wie es aussieht werden die beiden Parteien, die bei den Stimmenanteilen dazu gewonnen haben, die Regierung bilden.

      Bei der Kommunalwahl in Bergisch Gladbach ist das anders gelaufen, das ist hier bereits andiskutiert worden:

      https://in-gl.de/2022/05/15/liveblog-landtagswahl-in-rhein-berg/#comment-133402

      Argumente, die Zweifel an der Demokratie des Wahlsystems begründen können, sehen wir nicht.

    2. Herr Lamboy, für die jetzt in BGL „regierende“ Ampel haben alle drei Parteien vor der Kommunal-Wahl angekündigt, gemeinsam anzutreten, also zusammengezählt die Mehrheit erreichen zu wollen – dies Ziel wurde erreicht, so dass die Ampel in Bergisch Gladbach bestens legitimiert ist!

  3. Herr Schiffer – immerhin ohne Pseudonym – gehören Sie der SPD, der FDP oder gar der afd an? Ihre Vorwürfe gegen das Bürgerportal jedenfalls gehen ins Leere. Allerdings ist die geringe Wahlbeteiligung mehr als bedenklich. Dies aber sind die Politiker der Alt-Parteien selbst schuld, wobei sie von den Linken und der afd ob deren demokratiefernem Agieren unterstützt werden.

    Mit Ihrem Gift gegen die Grünen, Herr Schreiner, werden Sie immer weniger glaubwürdig. Ohne diese Partei sähe es um Deutschlands Umwelt und Klima sehr viel schlechter aus. Zudem brauchen die Alt-Parteien Unterstützung, um von ihren teilweise überkommenen Vorstellen wegzukommen.

  4. Grün wählen muss man sich leisten können.
    Da sind die Werte in den Städten gegenüber dem Ländlichen klar.

    In Köln, Aachen und Münster kommen noch die Studenten dazu, schon gewinnen die Grünen. Der Arbeiter ist in den Ar… gekniffen.

    Drücken wir die Daumen, dass die CDU sich jetzt nicht an der Leine durch die Manege führen lässt und notfalls den GroKo-Weg geht.

    1. Hallo Herr Schreiner,
      man muss sich – wie von Ihnen beschrieben – „grün“ wählen nicht leisten können sondern leisten wollen.
      Wenn ich mir unsere Gesellschaft anschaue, erkenne ich fast überall noch Einsparpotenzial in der Lebensweise.
      Teure Autos, Kino- und Konzertbesuche, Flugreisen, Rauchen, neue Kleidung der aktuellen Mode, große Fernsehgeräte, teure Mobilfunkverträge, Streamingdienste, … die Liste ließe sich endlos erweitern.
      Wer will, kann sicher seinen Lebensstil in manchen Bereichen umstellen und hat damit auch noch Geld, um mehr für nachhaltige Energie und umwelt- und tiergerechte Lebensmittel auszugeben.
      Gott sei dank hat bei einigen der Denkprozess schon begonnen.

  5. Ein sehr interessanter und wichtiger Beitrag. Damit sehe ich den Landestrend bei den Zweitstimmen auch hier vor Ort bestätigt. Wenn man noch das Altersspektrum für jede einzelne Partei sowie das Altersspektrum der Nichtwähler genauer untersuchen würde (kann wahrscheinlich auf Wahlkreisebene nicht heruntergebrochen werden?), muss das jedem Strategen ernsthaft zu denken geben.

  6. Solange Journalisten wie Sie glauben, aktiv meinungsbildend ons Wahlgeschehen eingreifen zu müssen, wird die Politikverdrossenheit zweifellos nicht schwinden.
    Unabhängig von jeder Bürgerferne der Politik ist offen parteipoltischer Journalismus wie Ihrer ein Auslöser für genau das Gegenteil dessen, was er bezweckt. Nämlich das Empfinden der Bevormundung. Ihr erhobener Zeigefinger, als einziger den Schlüssel zur Rettung des Planeten zu besitzen, führt zu einer Abwendung durch viele mündige Menschen.
    Einerseits zum Glück. Andererseits ist die dadurch aufkommende Gleichgültigkeit nicht ungefährlich.

    1. Sehr geehrter Herr Schiffer, das Bürgerportal und seine Journalist:innen sind weder offen noch verdeckt parteipolitisch. Im Gegenteil, wir sind unabhängig, überparteilich und bemühen uns um größtmögliche Objektivität. Wenn Sie Belege für Ihre Behauptungen haben können Sie die gerne mitteilen.

      1. Aber gerne. Zwei Schlüsselelemente Ihrer Meinungsmache reichen genannt zu werden: Auswahl der Themen sowie die zu Wort kommenden Akteure.
        Es sind stets die gleichen Themen und stets die gleichen Stimmen. Selten bis nie werden mindestens gleich zahlreich vorhandene Gegner zitiert. Möglicherweise sind diese nicht organisiert und haben keine Lautsprecher als Lobbyisten vorneweg laufen. Aber es gibt sie zahlreicher als Sie es der Öffentlichkeit verkaufen.

      2. Sehr geehrter Herr Schiffer, geht es vielleicht etwas konkreter?

        Sie hatten uns vorgehalten, „meinungsbildend in das Wahlgeschehen“ eingegriffen zu haben und einen „offen parteipoltischen Journalismus“ zu betreiben.

        Punkt 1 ist korrekt: Wir haben mit dem Wahl-O-Meter und der WahlArena aktiv dazu beigetragen, dass sich die WählerInnen eine eigene Meinung bilden können. Parteipolitisch handeln wir aber nicht, bei beiden Formaten sind alle acht Direktkandidat:innen beteiligt worden.

        Nun kommen Sie mit „steht die gleichen Themen, stets die gleichen Stimmen“. Dafür liefern Sie weder Beispiele noch Belege.