Kunst im leider nur halb öffentlichen Raum zeigt Iris Stephan auf dem Zanders-Areal. Zum Tag des offenen Denkmals präsentiert die Künstlerin ihre Bilderserie „Tafelrunde“. Auf sieben großformatigen Werken, verortet an Denkmälern der Papierfabrik, trifft moderne Kunst auf Industriegeschichte. Eine Reflexion auf Leben und Arbeit der Papiermacher. Mehr zu sehen gibt es bei der Abschlussausstellung im Mai 2024.

Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich

Seit Oktober 2022 arbeitet die Malerin und Bildhauerin Iris Stephan auf dem Zanders-Areal in Bergisch Gladbach. In ihrem provisorischen Atelier im Werkstattgebäude verarbeitet sie Fundstücke aus der Geschichte der untergegangenen Papierfabrik zu Collagen und Installation. Mit der siebenteiligen Reihe „Tafelrunde“ präsentiert sie nun Ergebnisse ihrer Arbeit erstmals öffentlich.

Die Werke sind ab Sonntag (10. September) zum Tag des offenen Denkmals auf dem Zanders-Areal zu sehen, markant in Szene gesetzt an sechs Industriedenkmälern, von abstrakt bis gegenständlich.

Bedauerlicherweise nur als Kunst im halb öffentlichen Raum – denn die Arbeiten unter freiem Himel sind nach dem Tag des offenen Denkmals nur im Rahmen von Führungen zugänglich, ein Spontanbesuch ist derzeit nicht möglich.

Iris Stephan, Foto: Thomas Merkenich

Mischtechnik

Die Serie besteht aus sieben Tafeln aus Aludibond im Format 240 mal 65 cm – geschliffen, grundiert, danach collagiert und bemalt. Ein UV- und Wetterschutz schottet vor der Witterung ab. Neben den Tafeln geben kurze Texte Hinweise zu Titel und Inhalt (s.a. Dokumentation unten).

„Ausgangspunkt der einzelnen Tafeln war stets der Ort der Inszenierung. Es sind überwiegend Denkmäler auf dem Areal, deren Bedeutung beim Papiermachen ich mir klarmachen musste. Passende Fundstücke vom Areal kombinierte ich anschließend mit Malerei in einer Mischtechnik zu den fertigen Arbeiten“, schildert Iris Stephan den Entstehungsprozess.

Verschüttete Geschichten

Die Tafeln dechiffrieren das Areal, Stephan kreiert Bilder wie Fenster, die einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Dabei berichtet sie aus der Vergangenheit, und setzt vor allem den Menschen in den Fokus ihrer Erzählungen – der liebevolle Blick auf die Arbeiter taucht auch in weiteren, noch nicht veröffentlichten Arbeiten immer wieder auf.

Verschüttete Geschichten legt sie frei, die angesichts der Fokussierung auf Architektur und Nutzung in der aktuellen Debatte drohen, völlig verloren zu gehen. Zugleich übersetzt sie die Geschichte ins Abstrakte, verleiht dem Historisierenden dadurch Tiefe, Emotionalität und Nachhaltigkeit, einen Diesseits-Bezug.

Iris Stephan: „Gute alte Zeit“. Foto: Thomas Merkenich

Der Mythos Papierherstellung wird hier fast zum Kreuzweg mit sieben Stationen stilisiert, den sieben Arbeitstagen des rund um die Uhr laufenden Papierwerks. An dessen Ende es von der Geschäftsleitung heißt „Und Tschüss“ (siehe letzte Tafel unten).

Hängung der Tafelrunde auf dem Zanders-Areal
  • Kraftwerk
  • Museum / altes Maschinenhaus / Labor (provisorische Hängung, Ort wechselt nach Tag des offenen Denkmals)
  • Hauptverkehrsstraße / Sattlerei
  • Kalandersaalgebäude
  • Füllstoffzentrale (zwei Tafeln)
  • Zentralwerkstatt

Abstraktion durch Assoziation

Sie wolle mit der Serie unter anderem den Prozess der Papierproduktion sichtbar machen, wie in den zwei Tafeln an der Füllstoffzentrale. Hier lässt sie die chemischen Verbindungen durcheinander wirbeln. Die Mahnung zum Tragen einer Schutzbrille bezieht sich nicht nur auf die Papiermacher, sondern im übertragenen Sinne auch auf den Betrachter der Kunst.

Eingestempelte Fachbegriffe lassen neben dem Buben auf der Bildebene auch den Betrachter erstaunt in die Chemie-Suppe der Papierproduktion vorwitzen.

Iris Stephan, „Tanz der chemischen Prozesse“ und „Drehschiebeeinheit“

Beim Wetterhäuschen am sogenannten Museum wird der Ortsbezug der Arbeiten im Gegenständlichen sichtbar, die Dachlinien des Museums tauchen auf der Bildebene auf.

Eine gar nicht so süße Geschichte, die Stephan mit Blick auf die anscheinend ausliegenden Verhütungsvorschriften erzählt.

Iris Stephan, „Wetterhäuschen“

Aber auch auf abstrakter Ebene kommunizieren die Arbeiten mit ihrer Umgebung, wie in der Farbgebung bei „Nur vom Feinsten“ sichtbar wird – die Arbeit greift das Rot der rostenden Poller und der Ziegelwände auf.

Das Werk ist überdies eine gute Demonstration, wie Abstraktion durch Assoziation funktioniert – blickt man auf die Bahnen des Kalander und die ergänzende Malerei im unteren Bilddrittel.

Iris Stephan: „Nur vom Feinsten“

Aura erweitert

Das Augenmerk sollte man auch auf die Inszenierung der Werke richten: So ist die Tafel „Die im Dunkeln sieht man nicht“ wie beiläufig an die Fassade gelehnt, eine freie Skizze des Gebäudes, im Auf- oder Abbruch begriffen.

„Diese abstrakteste Tafel meiner Reihe erzählt das, was ich im Kern berichten will“; so Stephan: „Von der Umschaltung der Gebäude, von der leeren Hülle die auf neue Aufgaben wartet, auf das Licht das wieder eingeschaltet werden will.“

Die Arbeit greift mit ihrem Duktus die Umgebung auf, Strich, Farbe, Rhythmus – das findet sich in der Umgebung wieder. So verlängert Iris Stephan die Arbeiten in den Raum hinein, sie gewinnen an Aura hinzu, erzeugen Strahlkraft über das Format hinaus, verweben sich mit dem Ort.

Iris Stephan: „Die im Dunkeln sieht man nicht“

Mensch im Fokus

Der Mensch, der Arbeiter, er steht immer wieder im Fokus der Werke. Sei es bei „Gute alte Zeit“, die an der Hauptachse des Areals gelegen von Verkehr, Wohnen und Arbeiten, Infrastruktur und einem Leben noch ohne digitale Foltergeräte berichtet (Foto ganz oben).

Oder in der Tafel am Kraftwerk, „meine Lieblingsarbeit“, so Stephan. Hier blickt ein fiktiver Arbeiter aus der gleichen Perspektive wie die Kohletürm auf den Betrachter herab. Die Jacke in der Hand, er geht für immer. Das Datum des endgültigen Stopps der Papierproduktion mahnt wie eine Grabinschrift von der Tafel.

„Und Tschüss“ – Stephan zitiert keineswegs die Arbeiter, die ihren Job verloren haben. Sondern vielmehr einen der letzten Betreiber des Areals. Das Schickal der Arbeiter wurde zum Schluss mehr und mehr zum Spielball der Investoren.

Ausstellung in Mai 2024 geplant

Fünf Jahre sind die Arbeiten voraussichtlich zu sehen, so lange läuft eine erste Vereinbarung der Stadt mit der Künstlerin, welche die Werke als Leihgabe zur Verfügung stellt. Eine Vernissage zur Tafelrunde ist nicht geplant.

Eine Ausstellung mit Werken des gesamten Projektzeitraumes ist für Mai 2024 mit der Stadt als Veranstalter geplant. Ort und Dauer sind noch offen, nach Angaben von Iris Stephan würden 200 bis 400 Quadratmeter überdachte Ausstellungsfläche benötigt.

Den Etat für die Ausstellung inklusive Katalog beziffert sie auf 14.000 Euro, zur Finanzierung seien Fördergelder erforderlich. Mit der geplanten Ausstellung werde das Projekt beendet, so Stephan.

Die Tafelrunde im Überlick

Erläuterungen von Bernd Svoboda- Schmidt

Entdecken Sie das Zanders-Areal aus der Luft

Ein Doppelklick öffnet und schließt die volle Ansicht, mit der besten Wirkung auf einem größeren Bildschirm, auf dem Handy im Querformat. Sie können über die blauen Punkte und die Navigation oben verschiedene Perspektiven ansteuern. Sie können die Ansicht drehen, Details heranzoomen. Hinter den roten Symbolen finden Sie Texte, historische und aktuelle Fotos. Manche Infos sind ein wenig versteckt. Gute Entdeckungsreise!

image_pdfPDFimage_printDrucken

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.