Tomás M. Santillán im Wahlkampf zur Bundestagswahl. Foto: Die Linke

Über viele Jahre hinweg hat Tomás Santillán mit wenigen Mitkämpfer:innen die Fahne der Linken in Rhein-Berg und Bergisch Gladbach hoch gehalten, hatte mit seinem manchmal eigenwilligen Verhalten aber auch zu Konflikten beigetragen. Nachdem sich die Linke deutlich verstärkt und verjüngt hat zeichnet sich nun ein Ende der Ära Santillán ab. Der sich selbst auf eine Rolle als Hinterbänkler einstellt.

Auf Kreisebene hat sich Tomás Santillán ganz im alten Stil verabschiedet. Mit einer langen Presseerklärung im Namen des Kreisvorstands, die aber nicht mit dem ganzen Kreisvorstand abgestimmt war. In der er Erfolge auflistet, Kritik an finanziellen Missständen äußert und seinen Rückzug ankündigt; ebenso wie den seiner Mit-Vorstände Sylke Heisterhagen und Hale Bagherzadeh.

Zur Kreisversammlung am Wochenende sind Santillán und Co., obwohl noch als Vorstände im Amt, nicht gekommen. Statt dessen hatte Santillán seine vorab veröffentlichte Pressemitteilung als „Rechenschaftsberichts des Kreisvorstands“ eingereicht.

Offenbar tat er den 41 anwesenden der inzwischen gut 250 Mitgliedern damit einen Gefallen – denn so konnten sie klare Personalentscheidungen ohne langwierige Debatten treffen.

Nach Angaben von Kolja Pfeiffer, der zu einem der zwei neuen Ko-Sprecher:innen gewählt wurde, gab es eine kritische Diskussion über die Amtsführung des Vorstands. Im Ergebnis wurden Santillán, Heisterhagen, Bagherzadeh sowie Klaus Reuschel-Schwitalla als Schatzmeister nicht entlastet. Und das einstimmig.

Die anderen Mitglieder des alten Vorstands (Conny Swillus-Knöchel, Cemal Durgun und Mischa Krempel) wurden entlastet.

Politische Verantwortung „für das Finanzchaos“

Den von Santillán verfassten Rechenschaftsbericht erkannte der Sitzungsleiter, der von der Landesgeschäftsstelle entsandten Michael Kretschmar, nicht an. Zum einen aus formalen Gründen (es könne nur einen Rechenschaftsbericht des Kreisvorstandes geben, nicht den eines Vorsitzenden). Aber auch inhaltlich seien die Teilnehmer:innen der Mitgliederversammlung nicht einverstanden gewesen.

Tomás Santillán betont auf Rückfrage, er selbst habe im Kreisvorstand früh auf Unstimmigkeiten bei Finanzberichten, Haushaltsplänen, Kassenprüfung und Finanzströme hingewiesen. In diesem Zusammenhang habe der Ortsverband Bergisch Gladbach (dem er angehört) einstimmig eine Kassenprüfung des Kreisverbands gefordert. Zudem habe er selbst beim Bundestagspräsidenten eine Selbstanzeige eingereicht, um eine Prüfung nach dem Parteiengesetz zu ermöglichen.

Weil diese Unklarheiten auch bei der MV des Kreisverbands nicht geklärt werden konnten habe er, so Santillán, schon im Vorfeld die Nicht-Entlastung vorgeschlagen. Als Vorsitzender übernehme er die politische Verantwortung „für das Finanzchaos“. Er sei sich jedoch sicher, dass der neue Vorstand, der Landesverband und das Bundestagspräsidium das alles bald und umfassend aufkläre.

Große Mehrheiten für den neuen Vorstand

Die neuen Verhältnisse zeigten sich bei der Neuwahl des Kreis-Vorstands deutlich. Kolja Pfeiffer und Iwona Winterscheid, die gemeinsam als Ko-Vorstandssprecher:innen kandidierten, erhielten 36 bzw. 37 Ja- und jeweils eine Nein-Stimme.

Für das Amt des Schatzmeisters trat Marcel Scharge gegen Amtsinhaber Reuschel-Schwitalla an und wurde mit 40 : 0 Stimmen gewählt. Bei der Wahl der stellvertretenden Schatzmeisterin setzte sich Waltraud Burghoff mit 23 zu 16 Stimmen gegen Mara Häuser durch.

Zu den fünf Beisitzer:innen wurden Lea Vollmer (39 Stimmen), Conny Swillus-Knöchel (36), Zara Zick (34), Mischa Krempel (31) und Florian Eßer (28) bestimmt. Reuschel-Schwitalla hatte seine Kandidatur für dieses Amt zurückgezogen. 

Jetzt ist der Ortsverband an der Reihe

Nach der Mitgliederversammlung des Kreisverbands ist für Samstag eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Ortsverbands Bergisch Gladbach geplant. Der war erst Ende 2024 / Anfang 2025 nach einer längeren Auszeit wieder aktiv geworden.

Auch dem OV-Vorstand gehört Tomás Santillán noch an, als Ko-Sprecher neben Conny Swillus-Knöchel. In diesem Amt sei er nur eingesprungen, weil – so gibt Santillán an – die zuvor kurzzeitig amtierenden beiden Vorsitzenden nicht aktiv geworden seien. Schon da habe er angekündigt, sich nach der Kommunalwahl aus dem Vorstand zurückzuziehen.

Hinterbänkler im Stadtrat

Seine eigene Zukunft in der Kommunalpolitik sieht Santillán als Hinterbänkler – er wolle seine „Erfahrung einbringen, um die anderen in der Fraktion solidarisch unterstützen“ und sich auf die Themen Wohnen, Stadtplanung und Bildung konzentrieren.

Drei Sitze hatte die Linke bei der Wahl am 14. September gewonnen, hinter Mara Häuser (Listenplatz 1) folgte Santillán auf Platz 2 und Lea Vollmer auf Platz 3. Ein viertes Mandat, auf das die Partei gesetzt hatte, verpasste sie mit 4,7 Prozent der Stimmen.

Die künftige Sitzverteilung im Stadtrat.

Allerdings könnte die Ablehnung durch seine Genoss:innen nach Informationen des Bürgerportals soweit gehen, dass sie im Stadtrat nicht mit Santillán zusammenarbeiten und ihn nicht in die Fraktion der Linken aufnehmen wollen.

Sollte er in einem solchen Fall sein Mandat nicht zurückgeben – und dazu lässt er keine Neigung erkennen – würde er als Einzelratsmitglied geführt. Damit wäre die Linke nur noch mit zwei Mitgliedern im Stadtrat vertreten und verlöre den wichtigen Fraktionsstatus.

Aber das sind Spekulationen. Zu denen es, so Santillán, keinen Anlass gebe.

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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  1. Liebe @G.Apicella,

    danke für deinen Zuspruch, denn in den härtesten Zeiten des Lebens zeigt sich das wahre Gesicht der Menschen. Viele verwechseln “Teamfähigkeit” mit Unterordnung – als müssten sich alle einer “Befehlskette” fügen oder ihre eigene Meinung anpassen. Tatsächlich bedeutet Teamfähigkeit jedoch etwas ganz anderes: gemeinsam Verantwortung übernehmen, unterschiedliche Perspektiven respektieren und im solidarischen Miteinander bessere Entscheidungen finden.

    Oft wird von außen – insbesondere in den Medien – eine Partei, in der offen diskutiert und auch mal Widerspruch sogar Pflicht ist, schnell als „zerstritten“ bezeichnet. Tatsächlich ist genau das ein Zeichen lebendiger Demokratie und pluralistischer Meinungsvielfalt. Nur wer unterschiedliche Ansichten zulässt, kann zu gemeinsamen und tragfähigen Lösungen kommen.

    Die Linke ist nicht dafür da, damit soe anderen Parteien gefallen will oder um sich angepasst zu unterwerfen , sondern um gemeinsam zusammenzustehen und für Veränderung einzutreten.

    „Einigkeit heißt nicht, dass alle das Gleiche denken, sondern dass alle für das Gleiche kämpfen.“

  2. Wenn Tomas Santillan sich teamfähig verhält, (was er auch kann), so könnte sich mit seiner langjährigen Ratserfahrung durchaus eine gute Kombination mit den relativ neuen Fraktionsmitgliedern ergeben.

  3. Liebe @Redaktion,

    der Vorschlag, einen neuen Ortsvorstand zu wählen, stammt von mir, da sich die Mitgliederzahl in den letzten Monaten mehr als verdoppelt hat. Es geht um Verantwortung und Transparenz – auch wenn der aktuelle Vorstand satzungsgemäß bis Ende 2026 im Amt wäre.

    Ende 2024 wurde der Ortsvorstand übergangsweise übernommen, weil sich damals niemand fand, der die anstehenden Aufgaben übernehmen wollte. Ziel war es, Die Linke in Bergisch Gladbach handlungsfähig zu halten – insbesondere mit Blick auf die Bundestags- und Kommunalwahl. Dass die Partei nun wieder in Fraktionsstärke im Rat und Kreis vertreten ist, kann als gemeinsamer Erfolg gewertet werden – und als Abschluss dieser Übergangsaufgabe.

    Besonders erfreulich ist, dass es den neuen Mitgliedern gelungen ist, den Ortsverband zu beleben und 2025 erstmals seit Langem wieder einen aktiven Wahlkampf zu führen. Dass sich nun weitere Aktive bereit erklären, Verantwortung zu übernehmen, zeigt die Stärke einer lebendigen Parteikultur. Sie erhalten dafür volle solidarische Unterstützung.

    Künftig liegt mein Fokus auf der inhaltlichen Arbeit im Stadtrat – in Ruhe, sachlich und solidarisch, ohne leitende Funktion. Dafür haben mich die Bürger:innen und Die Linke gewählt.

    Im Kreisverband haben wir stets für Offenheit und klare Strukturen geworben. Die laufenden Diskussionen über Finanztransparenz sind notwendig, um Vertrauen zurückzugewinnen. Politische Mitverantwortung wird übernommen, und die Überprüfung der Vorgänge auf Kreis- und Landesebene sowie durch das Bundestagspräsidium ausdrücklich unterstützt. Eine erste Stellungnahme dazu liegt vor. Alles Weitere wird parteiintern und demokratisch geklärt – statt durch Spekulationen und Skandalisierungen von außen.

    Ziel bleibt ein fairer, transparenter und respektvoller Umgang miteinander. Entscheidungen stehen und werden solidarisch getragen – im Sinne der Mitglieder und einer glaubwürdigen, handlungsfähigen Linken.

    Die anstehenden Neuwahlen im Ortsverband werden bald und satzungsgemäß erfolgen, damit die gemeinsame Arbeit mit neuer Kraft fortgesetzt werden kann. Damit fällt auch eine Last von mir ab, die aus privaten Gründen nicht länger von mir getragen werden kann. Meine politische Arbeit in Die Linke werde ich selbstverständlich engagiert in der Fraktion fortsetzen.

    Tomás M. Santillán
    Mitglied des Stadtrats Bergisch Gladbach für Die Linke

  4. Das ist ja ein Hauen und Stechen in dieser Partei. Wie bei dem sprichwörtlichen Verkehrsunfall: Es ist alles einfach schrecklich, aber man muss trotzdem hingucken. Und ich hatte schon gehofft, dass mit der Abspaltung des BSW die Linke jetzt insgesamt seriöser würde.