Am 5. Oktober wird der Haushaltsentwurf 2011 im Rat der Stadt Bergisch Gladbach eingebracht – einschließllich eines so genannten Haushaltssicherungskonzeptes (HSK). Das HSK stellt dar, wie im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung wieder ein ausgeglichener und damit ordnungsgemäßer Haushalt vorgelegt werden kann.
Bei der Vorbereitung dieses Papiers musste Bürgermeister Lutz Urbach (CDU) einige grundsätzliche Entscheidungen treffen, die er jetzt in einer Pressemitteilung veröffentlicht.
Aufgrund der besonderen Bedeutung dieses Themas dokumentieren wir die
Pressemitteilung der Stadt im Wortlaut:
Bei der aktuell Finanzmisere aller Kommunen – und damit auch der Stadt Bergisch Gladbach wird ein ausgeglichenes Ergebnis auch in den nächsten Jahren nicht zu schaffen sein. Selbst mit der Streichung sämtlicher freiwilliger Leistungen und der völlig unrealistischen Halbierung des gesamten Personalbestandes ließe sich ein Defizit von aktuell über 30 Millionen Euro nicht ausgleichen.
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Trotz dieser wenig ermutigenden Finanzlage führt an einer strikten Haushaltskonsolidierung kein Weg vorbei. Einer drohenden Überschuldung – sprich: einer Aufzehrung des Eigenkapitals – will und muss die Stadt unbedingt entgegenwirken. Zum einen greifen in einem solchen Fall drastische Sanktionen der Kommunalaufsicht; zum anderen gilt es im Sinne der Generationengerechtigkeit, nachfolgenden Generationen keinen noch höheren Schuldenberg zu hinterlassen.
Sparvorgabe der Politik: 5 Millionen Euro strukturell – keine Steuererhöhungen
Um die Politik frühzeitig beim Thema Haushaltssicherung einzubinden, wurde ein interfraktioneller Arbeitskreis eingerichtet. Der Arbeitskreis hat auf seiner letzten Sitzung eine von der Verwaltung vorgelegte Liste möglicher HSK-Maßnahmen ohne Priorisierung an die Verwaltung zurückgeben. Die schwierige und undankbare Aufgabe, eine Maßnahmenliste zu erarbeiten, lag damit bei der Verwaltung und Bürgermeister Lutz Urbach.
Zielvorgabe der Politik: Es sollen 5 Millionen Euro strukturelle Verbesserungen erreicht, die Steuern nicht erhöht werden.
Quer durch alle Fachbereiche hat die Verwaltung sämtliche freiwillige Leistungen und Standards auf den Prüfstand gestellt. In kollegialen Beratungen wurden alle Vorschläge mit ihren jeweiligen Auswirkungen und negativen Folgen dargestellt und nach Umsetzbarkeit („hoch“/A, „mittel“/B, „niedrig“/C) kategorisiert. Die Kriterien dafür waren:
- Einsparungen müssen gerecht sein. Alle tragen etwas bei.
- Im Bereich Jugend, Bildung und Soziales wird weniger gespart.
- Die Verwaltung erbringt durch Personaleinsparungen einen eigenen Beitrag zur Konsolidierung. Frei werdende Stellen werden zunächst nicht mehr besetzt, befristete Verträge nicht mehr verlängert.
5-Millionen-Einsparliste liegt vor – Variante A
Eine HSK-Liste der Verwaltung, die eine Ergebnisverbesserung von 5 Millionen Euro vorsieht, liegt inzwischen vor – allerdings mit keinem befriedigenden Ergebnis. Bürgermeister Lutz Urbach:
„Theoretisch können wir unser jahresbezogenes Defizit von mehr als 30 Millionen Euro um fünf Millionen Euro verringern – allerdings zerstören wir damit auch weite Teile unserer sozialen und kulturellen Infrastruktur. Die aufgelisteten Einsparungen halte ich in der Summe für unsozial, unrealistisch und kontraproduktiv.“
Seiner Verwaltungskonferenz – das sind neben dem Verwaltungsvorstand die Fachbereichsleiter – dankt Urbach für die ausgesprochen kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit bei den Bemühungen um die Konsolidierung des Haushalts.
Alternative B – Einsparungen und moderate Anhebung von Steuern
Eine sinnvolle und nachhaltige Konsolidierung des Haushalts ist allein über die zusammen getragenen Maßnahmen nicht zu leisten. Grobe soziale Härten und kontraproduktive Nebeneffekte wären die Folge. Lutz Urbach:
„Ich kann und will mir keine Stadt Bergisch Gladbach vorstellen, in der bei sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen, Senioren und Behinderten radikal gekürzt wird, in der Brunnen und Straßenlaternen ausgeschaltet und Straßen nicht mehr gereinigt werden, in der Grünflächen verwildern und in der es keine Unterstützung mehr für öffentliche Kultur, Sport und Brauchtum gibt. Und doch müssen auch in diesen Bereichen Einschränkungen hingenommen werden.“
Die Finanzkrise könne die Stadt Bergisch Gladbach nur im gemeinsamen Schulterschluss meistern, die Lasten dafür müssten gerecht auf alle verteilt werden. Der Bürgermeister befürwortet daher eine moderate Anhebung der Grundsteuer B um 32 auf 487 Punkte und eine geringe Erhöhung der Gewerbesteuer um 5 auf 460 Punkte. Dies soll 1.280.000 Euro bei der Grundsteuer B und 250.000 Euro bei der Gewerbesteuern bringen. Urbach:
„So leisten auch Grundstückseigentümer und Gewerbetreibende ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung.“
Einschnitte in allen Bereichen – aber kein „Kaputtsparen“
Beispiel Stadtbild
- Brunnen sollen weiter betrieben werden; Sponsoring intensiviert werden (Variante A sieht Einstellung des Betriebs vor)
- öffentliche Toiletten werden zum Teil erhalten (die Variante A sähe Schließung vor).
- die Zahl der Stadtwächter wird nicht halbiert, sondern nur um eine Stelle reduziert.
- Beim Unterhalt von Grünflächen und Kinderspielplätzen lässt sich der Standard nicht weiter reduzieren; Sponsoring und Patenschaften sollen ausgebaut werden.
Beispiel Parkraumbewirtschaftung
- 1 Millionen Euro Mehreinnahmen bei den Parkgebühren soll nach der Alternative-A-5-Millionen-Liste die Optimierung der Parkraumbewirtschaftung bringen. Das hätte eine Ausweitung der gebührenpflichtigen Parkzeiten bis 22.00 Uhr von montags bis samstags zur Folge; bei Parkgebühren von 2 Euro die Stunde. Dies wäre nicht hinnehmbar für den örtlichen Einzelhandel! Der Alternativvorschlag geht deutlich moderater vor; Bewirtschaftung bis 20 Uhr; der Wunsch der Einzelhändler, vier freie Samstage im Jahr als Marketinginstrument in der Region einsetzen zu können, bleibt überdies erhalten.
Beispiel Kulturförderung
- Der Bergische Löwe muss nach den 5-Millionen-Einsparvorgaben komplett auf seinen Theaterzuschuss verzichten, was der Einstellung des Programms gleich käme. Im Alternativvorschlag sind Kürzungen von 10% vorgesehen; für 2011 sind das 17.700 Euro (für das zweite Halbjahr 2011; Verträge, die für das erste Halbjahr 2011 bereits geschlossen sind, werden erfüllt.) Ab 2012 sind Kürzungen von 35.400 Euro vorgesehen.
- Museen werden nicht geschlossen, allerdings will die Stadt durch die Übertragung von Trägerschaften an private Vereine deutlich sparen. Dies ist umgesetzt für das Schulmuseum und geplant für die Galerie Villa Zanders und das Museum Bensberg.
- Die Bürgerzentren in Schildgen und Refrath würden nach der Variante A aufgegeben; in der Alternativvariante der Verwaltung bleibt das Haus Steinbreche in Refrath von Kürzungen ausgenommen. In Schildgen soll nach alternativen Trägerschaften gesucht werden.
- Die Stadtbücherei im forum und die Stadtteilbücherei Bensberg bleiben erhalten. Geschlossen wird nach der Einsparliste die öffentliche Schulbibliothek Paffrath. Die Subventionen der Schulbibliotheken an derzeit zwei Gymnasien werden entfallen.
- Das Haus der Musik bleibt erhalten; die Musikschule wird über Änderungen in der Personalstruktur – sprich durch Ausweitung von Honorarverträgen – zu Einsparungen kommen müssen.
- Die Kulturprojektförderung wird um 2.000 Euro (Variante B) reduziert. Eine nach der 5-Millionen-Liste vorgesehene Halbierung des Kulturetats auf 5.000,- kann damit abgewendet werden.
Beispiel Brauchtum
- In der 5-Millionen-Einsparliste hätten die Zuschüsse und Erstattungen für den Karneval in Höhe von komplett 83.500 Euro radikal gestrichen werden müssen. Damit wären die Umzüge in Bergisch Gladbach konkret gefährdet gewesen. Nach der Liste B bleibt eine Kürzung von 15.000 Euro, was einem Anteil von fast 20% entspricht.
Beispiel Sportstätten
- Nach der 5-Millionen-Einsparliste wären auf die Sportvereine sowohl höhere Nutzungsentgelte für Hallen, Sportplätze und Bäder (2 Euro je Einfachhalle, Sportplatz und Schwimmbahn pro Stunde) als auch gestrichene Zuschüsse in Höhe von 110.000 Euro zugekommen. Nach dem Alternativvorschlag werden die Zuschüsse zwar gestrichen; Sportstättenbenutzungsentgelte, mit deren Erhebung auch ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden wäre, werden zurückgestellt.
- Das Schulschwimmbad Mohnweg bleibt so lange wie technisch möglich in Betrieb; nach der Streichliste A wäre die sofortige Schließung fällig gewesen.
Beispiel Sozialleistungen für Löwenpass
- Die Leistungen des Löwenpasses sehen auch Zuschüsse für Lernmittel vor (33.000 von 53.000 Euro). Diese wären nach der Einsparliste A komplett gestrichen worden; im Alternativvorschlag sind diese Lernmittel für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche weiter vorgesehen.
Beispiel Senioren und Behindertenarbeit
- Der Wegfall des Seniorenbeirats kann mit der Alternative B verhindert werden.
- Eine deutliche Standardabsenkung für die Arbeit für Menschen mit Behinderung kann mit der Alternative des Bürgermeisters verhindert werden.
Beispiel Jugendpflege, Suchtprävention, Sexualpädagogik
- In den genannten Bereichen wären nach der 5-Millionen-Liste Zuschüsse gestrichen worden. Gerade in der Prävention, Beratung und Aufklärung wären kontraproduktive und sozial nachteilige Effekte zu befürchten. Die Alternative B des Bürgermeisters belässt es bei den Zuschüssen.
Beispiel Politik
- Die Einsparvorgaben von 5 Millionen Euro hätten ggf. die Reduzierung der Stellvertretenden Bürgermeister zur Folge. Der Bürgermeister möchte einen solchen Sparvorschlag nicht einbringen und es bei den jetzigen Stellvertreter/innen belassen. Dies hat sich bewährt, spiegelt das Kommunalwahlergebnis wider und erlaubt es dem Bürgermeister, sich auf seine Aufgaben in der Verwaltungsführung zu konzentrieren und einen Großteil der Repräsentationstermine an die Stellvertreter abzugeben.
Quelle: Pressemitteilung der Stadt Bergisch Gladbach
Weitere Informationen:
Stellungnahme der CDU-Fraktion
Zwei Varianten voller Grausamkeiten, KSTA vom 20.9.2010
Sparen, ja – aber wo? Und wo nicht? Beitrag vom 21.8.2010
Alle Beiträge zur Finanznot der Stadt Bergisch Gladach
Cityweb: Der städtische Haushalt 2010
Citiyweb: Schulden und Schuldendienst
Der komplette Haushaltsplan 2010 (pdf)
Sparen bei den Schulbibliotheken bzw. bei der Stadtteilbibliothek?
Geht gar nicht, wenn wir uns beklagen, dass unsere Kinder keine Bücher mehr kennen. Soweit ich das verfolgt habe rührt die Stadt Köln diese Zuschüsse aus dem genannten Grund gar nicht an. Im Gegenteil: Wir müssen Lese- und damit eng verbunden die Schreibförderung ganz groß schreiben. Fähigkeiten, die man übrigens auch für die sinnvolle Nutzung von Internet und Web 2.0 Angeboten dringend benötigt.
Noch ein Argument für die Bibliotheken in Schulen: Sie kosten keine direkte Miete und keine Heizung und nur eine professionelle Betreuung sichert die Qualität auf Dauer.