Vor einem Jahr war das Wetter schlechter und auf Bergisch Gladbachs Straßen der Pendlerstau noch länger als sonst. Manfred Dillenburg von der Kreispolizei sagte im Stadtanzeiger warum:

„Weil im November all jene Menschen hinzu kommen, die sonst gerne mit dem Rad oder dem Motorrad zur Arbeit fahren. Und weil im November kaum jemand Urlaub macht.”

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Ein interessanter Perspektivwechsel. Radfahrer sind keine Hindernisse für den Autoverkehr, sondern entlasten die Straßen – zumindest, wenn kein Sauwetter ist. Kanadische Forscher haben ausgerechnet, dass jede Fahrt, die zu Stoßzeiten im städtischen Verkehr vom Automobil auf das Fahrrad verlagert wird, mehr als fünf Dollar einspart. Billiger und effizienter als durch eine Förderung des Radfahrens kann man Verkehrsprobleme kaum angehen. Busse und Bahnen, Straßenbau und Parkplätze kommen die öffentlichen Kassen deutlich teurer (Forschung Radverkehr).

Foto: MST77/Flickr

Welche Rolle das Fahrrad spielen kann zeigt ein Blick über die westliche Kreisgrenze. Troisdorf war Vorreiter und fing 1989 an, den Radverkehr konsequent zu fördern. Schon sieben Jahre später fuhren die Troisdorfer jährlich 540 statt zuvor 370 Kilometer mit dem Fahrrad und gleichzeitig zehn Prozent weniger Auto (Zwischenbilanz).

Im Rheinisch-Bergischen-Kreis sieht es eher mau aus. Es gibt einzelne gute Idee (Bahntrassenradeln in Burscheid, Strundekorridor bei Regio-Gruen.de, die “berg.etappen” der Naturarena), aber keine konsequente Radverkehrspolitik. Auch der Landesbetrieb Straßen NRW hält sich auffallend zurück.

Dabei hat das Fahrrad Zukunft in Rhein-Berg: als Alltagsverkehrsmittel (mit dem Rad zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen), als Freizeitvergnügen (www.radverkehrsnetz.nrw.de) und als Sportgerät (Rund um Köln, perfektes MTB-Revier). Das Fahrrad kann helfen, den Zielen des Kreises (Energiesparkreis, Tourismus, attraktiver Wohnort für Beschäftigte in der Rheinschiene) zu erreichen.

Vor der Landratswahl haben wir vier Kandidaten per Mail zu ihrer Radverkehrspolitik befragt. Unten die Zusammenfassung der Aussagen von Frank vom Scheidt (Grüne) und Gerhard Zorn (SPD). Die Antworten von Dr. Herman-Josef Tebroke (CDU) und Jessica Seifert (Linke) scheinen noch im Stau zu stehen. Falls die Texte noch eintreffen reichen wir sie gerne nach.

Frank vom Scheidt (Grüne)

Der Kandidat der Grünen ist stolz auf die neuen Fahrradwege im Kreis, insbesondere auf den Dhünnradweg und die in Kürze befahrbare Balkantrasse. Große Chancen sieht von Scheidt in der Elektromobilität auf zwei Rädern („Pedelecs“). Er will die Energieversorger überzeugen, Ladestationen und Batterietauschmöglichkeiten in allen Gemeinden einzurichten.

Frank vom Scheidt

Nach Ansicht von Frank von Scheidt wird der Radverkehr von Kreis, Kommunen und Unternehmen bislang noch nicht genügend berücksichtigt. Er sieht es als selbstverständlich an, dass der Landrat mit den Gemeinden über einen Ausbau der Fahrradverbindungen spricht. Es gäbe zahlreiche Gebiete im Rheinisch-Bergischen Kreis, die für Fahrräder noch unzureichend oder gar nicht erschlossen sind. Bewegung mit dem Fahrrad müsse auch in den Arbeitsalltag integriert werden, hier vermisst von Scheidt Angebote wie beispielsweise Aufladestationen auf Firmenparkplätzen oder zur Verknüpfung von Fahrrad, ÖPNV und Carsharing.

Von Scheidt befürwortet eine Mitgliedschaft des Kreises in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte, Gemeinden und Kreise NRW (www.fahrradfreundlich.nrw.de). Gerade weil das Land den Ausbau des Radwegenetzes finanziell unterstützt und die Mittel im Vergleich zu 2010 mehr als verdoppelt hat, sieht von Scheidt gute Perspektiven für den Radverkehr im Kreis.

Gerhard Zorn (SPD)

Für den Landratskandidaten der SPD ist das Fahrrad ein wichtiges Verkehrsmittel, insbesondere für den Freizeitverkehr. Ihm ist wichtig, hier immer wieder Akzente zu setzen – zusammen mit den Kommunen, der Naturarena und natürlich mit dem Land. Bei der Vermarktung der Region durch die Naturarena müsse das Fahrrad eine wichtige Rolle spielen. Neue Wege können und sollen entstehen – hierzu sind nach Ansicht von Zorn aber Mittel des Landes erforderlich.

Gerhard Zorn

Dass zum Teil wenig für den Radverkehr getan wird, liegt für den SPD-Kandidaten auch an der angespannten Finanzlage. Viele Verbindungsstraßen, an denen gut ausgebaute Fahrradwege gebraucht würden, seien Landstraßen. Ohne Landesmittel wird es nach Ansicht von Zorn hier kaum neue Radwege geben.

Dennoch müssten alle immer wieder ihre Möglichkeiten überprüfen, mehr für das Fahrrad zu tun. Der Verein Lebenswertes Sülztal e.V.  plane beispielsweise einen Bürgerradweg von Rösrath-Lembach über Untereschbach nach Lindlar. Oder die Kommunen könnten innerorts Fahrradbereiche durch Markierungen schaffen. Eine Mitgliedschaft des Kreises in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte, Gemeinden und Kreise NRW hält Zorn für sinnvoll, wenn sich zumindest ein Teil der kreisangehörigen Kommunen und in jedem Fall Bergisch Gladbach daran aktiv beteiligt.

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1 Kommentar

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  1. Sehr schöner Artikel.

    Aber mal wieder bezeichnend, dass den Kandidaten mal wieder
    Fahrradwege als primär radverkehrsfördernd gewünscht oder
    gefordert werden, dabei konnte bislang noch kein Nachweis geführt
    werden, dass mehr Radwege zu mehr Radverkehr und erst recht
    nicht zu mehr Sicherheit führen.

    Als wesentlich zielführender sehe ich gute und sichere Anlagen um
    das Rad abzustellen oder an Arbeitsplätzen eine Umkleidemöglichkeit, am
    besten mit Dusche zu haben. Immer noch findet man an vielen Geschäften
    Radständer, die kein Anschließen des Rades ermöglichen (siehe z.B. Kaufland
    und Lidl).

    Gerade bei den höherpreisigen Pedelecs sehe ich da dann auch Hemmnisse
    diese im Alltag zu verwenden.
    Es gibt bereits Städte (z.B. auch Troisdorf), die für Büro- und Geschäftsräume
    auch entsprechende Abstellanlagen vorschreiben.