
Fairness im Wahlkampf im Kreishaus?
Bei der Wahl des neuen Landrats kommt es am 8. Oktober zu einer Stichwahl. Der Kandidat der CDU verhält sich allerdings, als sei er schon gewählt. Ein Kommentar.
Offener Brief zur Stichwahl um das Landratsamt:
Sehr geehrter Herr Santelmann,
eigentlich habe ich sie im Wahlkampf um den Landrat als einen fairen CDU-Wahlkämpfer erlebt. Estmals seit Jahren hat es beim Wahlkampf sehr wenige Vorkommnisse zwischen den Parteien im Rheinisch-Bergischen Kreis gegeben.
Das war auch mal anders. So hat der Vorsitzende der Jungen Union vor wenigen Jahren in einer nächtlichen Verwüstungsaktion zahlreiche Plakate von DIE LINKE und der SPD entlang der Paffrather Str. in Bergisch Gladbach mutwillig zerstört. Manchmal hat auch die Stadtverwaltung Wahlhilfe geleistet und die kleinen Parteien von Plätzen auf den Wochenmärkten verjagt, damit die CDU sich dort hinstellen konnte. In 2017 ging das alles sehr viel fairer zu als man das aus der Vergangenheit gewohnt war.
Hinweis der Redaktion: Der Autor Tomas M. Santillan ist als Kandidat für die Linke bei der Landratswahl angetreten. Es handelt sich hier um einen Gastbeitrag.
Für diese neue Fairness hätte ich gerne allen Beteiligten an dieser Stelle gedankt, doch leider sollte es mit der Fairness am Wahlabend bei der Auszählung im Kreishaus zu Ende sein. Bei der Auszählung der Stimmbezirke zeichnete sich ab, dass Herr Tebroke in den Bundestag direkt gewählt würde, aber es wurde auch klar, dass sie als Kandidat für den Landrat im Kreis gemeinsam mit der SPD-Kandidatin Tülay Durdu in die Stichwahl mussen. Denn die CDU erreichte bei der Landratswahl nicht die notwendigen 50 Prozent der Stimmen. (Was bei der Bundestagwahl nicht notwendig ist.)

Tülay Durdu, hier mit dem SPD-Bundestagskandidat Nikolaus Kleine, stellt sich der Stichwahl. Foto: Thomas Merkenich
Wahlkampf im Kreishaus auf Kosten der Steuerzahler!
Und dann geschah etwas Merkwürdigen. Herr Tebroke hielt im Kreishaus seine verdiente Siegesrede als neuer Bundestagsabgeordneter für den Rheinischen-Bergischen Kreis. Das war noch für alle Zuschauer verständlich.
Kurz darauf übergab Herr Tebroke ihnen als Noch-Kandidat der CDU das Mikrofon und tat gerade so als wären sie schon der neue Landrat für den Rheinisch-Bergischen Kreis. Und wie selbstverständlich ergriffen sie das Wort als wäre schon alles gewonnen.
Warum haben sie dies nicht ausgeschlagen? Man hätte mindestens erwarten können, dass die Stichwahlgegnerin für den 8. Oktober 2017 im Kreishaus noch zu Wort kommen würde, aber Fehlanzeige. Der CDU-Sieger und Alt-Landrat Tebroke machte von seinem Hausrecht Gebrauch und “Ende der Wahlkampf-Vorstellung” auf Kosten der Steuerzahler.
Es ist das übliche Spiel im Kreishaus an Wahlabenden. Die Sieger werden umschwärmt, baden im Blitzlichtgewitter und die Unterlegen schauen traurig zu. Seit Jahrzehnten geht das so und seitdem ich Politik machen und wohl auch schon davor war es fast immer ein CDU-Politiker der den Sieg hier im Kreis davontrug.
Realitätsverlust? Der Kreis ist kein CDU-Erbhof.
In ihrer maßlosen Überheblichkeit hat die CDU am Wahlsonntag wohl nicht wahrgenommen, dass sie Herr Santelmann zwar das besten Wahlergebnis erreicht haben, aber nicht zum Landrat gewählt wurden. Während ihren zwei Vorgängern als CDU-Kandidaten bei den Landratswahlen jeweils über 50 Prozent erreichten, ist ihnen das als CDU-Kandidat nicht gelungen.
Das ist sicherlich auf die herben Verluste zurückzuführen, die die CDU am Sonntag hinnehmen musst, was die Partei im Rheinisch-Bergischen Kreis aber offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen will. Man fühlte und führte sich wie die großen Sieger auf. Doch tatsächlich müssen sie für für die CDU und Frau Durdu (SPD) am 9. Oktober 2017 in die Stichwahl.
Es mag ja sein, dass die CDU im Kreis solche demokratischen Stichwahlen nicht gewohnt sind, denn tatsächlich gab es nach der Gesetzesänderung erst zwei Landratswahlen im Rheinisch-Bergischen Kreis, die beiden ohne Stichwahl entschieden wurden. Die CDU muss sich wohl erst dran gewöhnen, dass man diesen Kreis und die darin lebenden Menschen nicht als einen Erbhof betrachten kann.
Die Kreisverwaltung mag mehrheitlich mit Parteimitgliedern besetzt sein, sie ist aber nicht Eigentum einer Partei. Eigentlich hatte ich gehofft, dass die Zeiten der Politik nach Gutsherrenart vorbei seien, aber dieser Sonntag hat man mir leider gezeigt, dass ich mich geirrt habe.
Wählerinnen und Wähler erwarten eine Entschuldigung.
Bei allem Respekt vor ihnen würde ich mir wünschen, dass sie und Herr Tebroke sich für das Geschehen am Sonntag öffentlich bei den Wählerinnen und Wählern, dem Kreistag und der Opposition entschuldigen. Am 8. Oktober 2017 haben Wählerinnen und Wähler im Kreis das Wort und entscheiden, wer die nächsten Jahren der Landrat im Rheinisch-Bergischen Kreis wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Tomás M. Santillán, Kandidat zur Landratswahl – DIE LINKE.